Geschrieben am 2. Dezember 2016 von für Bücher, Litmag

KidBits: Neue Bücher für Kinder

Neue Kinderbücher von Saskia Hula / Kerstin Schoene („Kleiner Panda Pai“), Mac Barnett / Patrick McDonnell („Das Stinktier“), Hermann Schulz / Tobias Krejtschi („Die Reise nach Ägypten“), Kai Lüftner („Volle Kraft voraus!“), Kester Schlenz („Geister-Gang“). Vorgestellt von Frank Schorneck.

hula_pandaVon Bären und Katzen und Katzenbären

Tiere sind in Kinderbüchern bekanntlich gern genutzte Protagonisten. Kaum ein Tier, das nicht schon zwischen zwei Buchdeckeln verewigt worden ist. Da fällt es als Autor schwer, noch „neue“ Tiere für sich zu entdecken. Der „Kleine Panda“ ist so ein Tier – und kommt nun gleich zu mehrfachen Buch-Ehren:  Da ist Udo Weigelts dreibändige „Katzenbär-Reihe“, die bei cbj erschienen ist und  sich an Kinder ab 5 Jahren richtet – und da ist jetzt „Kleiner Panda Pai“. Für die Nicht-Zoologen unter uns: Kleine Pandas werden auch Rote Pandas, Katzenbär, Feuerfuchs oder Goldhund genannt, was sicherlich leicht zu Verwirrung führen kann…

Pai lebt in einem Zoo und wünscht sich sehr, Abenteuer zu erleben. Doch als er sich früh morgens von seinen schlafenden Eltern davonschleicht, verläuft er sich. Keines der Tiere, das er anspricht, kann ihm helfen, und niemand glaubt ihm, dass er ein Panda ist – schließlich sind diese doch groß und schwarz-weiß. Gehört er zu den Katzen oder gehört er zu den Bären? Oder vielleicht doch zu den Füchsen? Erst das Waschbärmädchen Wanda erklärt ihm, dass es Tiere gibt, deren Namen irreführend sein können: Seehunde sind keine Hunde, Nilpferde keine Pferde, Waschbären keine Bären und Kleine Pandas eben keine Pandas. Und Wanda kann ihm auch den Weg zu den Eltern erklären.

Saskia Hula greift klassische Bilderbuchthemen auf: Abenteuerlust und Angst vor dem Verlaufen – und die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Familie. Motive, die seit dem „Hässlichen Entlein“ immer neu variiert werden. Fortsetzungen sind geplant – mal sehen, ob mit weiteren Abenteuern wirklich neue Geschichten kommen.

Kerstin Schoene hat die Geschichte im Aquarell-Stil farbenfroh und niedlich illustriert. Warum der Kleine Panda ein Halstuch und die Waschbärin eine Schleife ums Ohr tragen, erschließt sich allerdings nicht. Vielleicht, damit man leichter ins Merchandise einsteigen kann, wenn die Reihe erfolgreich wird?

Saskia Hula / Kerstin Schoene: Kleiner Panda Pai – Unterwegs ins Abenteuer. Loewe Verlag, 32 Seiten, 12,95 Euro. Empfohlen ab 3 Jahren

barnett_stinktierDie Sache stinkt

Eine sehr ungewöhnliche Altersempfehlung gibt der Tulipan-Verlag zu diesem Buch, wenn er „0-99 Jahre“ angibt. Sie ist auch nicht wirklich ernst zu nehmen, denn sowohl Witz als auch Ästhetik des Buches werden sich frühestens Kindern im Vorschulalter erschließen. Wichtiger war den Machern dann vielleicht auch die „99“, denn „Das Stinktier“ ist mit Sicherheit kein reines Kinderbuch: Als der Ich-Erzähler in Frack und Fliege das Haus verlassen will, sitzt ein Stinktier auf seiner Fußmatte. Zunächst wundert sich der Mann, dass das Stinktier den gleichen Weg hat wie er, doch bald stellt er fest, dass ihn das Tier verfolgt. Es bedroht ihn nicht, es stinkt noch nicht einmal, seine Absichten sind völlig unklar. Der Mann versucht dennoch, das Stinktier abzuhängen. Doch selbst, als er ein Taxi nimmt, folgt das Stinktier im nächsten Wagen. Nach einer spektakulären Flucht durch die Kanalisation beginnt der Mann in einem anderen Stadtteil ein neues Leben. Doch als alles „gut“ ausgegangen scheint, beginnt der Mann das Tier zu vermissen…

Erzählt wird die Geschichte in sehr kurzen, lakonischen Sätzen ohne schmückendes Beiwerk. Es sind die Illustrationen von Patrick McDonnell, die das Buch zu etwas Besonderem machen: Der Zeichner, der den Comic-Strip „Mutts“ kreiert hat, drückt auch diesen Figuren seinen Stempel auf – insbesondere das Stinktier könnte ein Kumpel von McDonnels Schöpfungen Mooch und Earl sein. In ihrer Reduziertheit erinnern die Illustrationen allerdings auch an Sempé oder Loriot. Ob diese amüsant-skurrile Geschichte von Verfolgungswahn und Vorurteilen aber wirklich einen festen Platz im Kinderzimmerregal erobern kann, scheint mehr als fraglich – und in den Kanon erwachsener Comic-Fans wird es ebenfalls nur schwerlich Einzug halten können.

Mac Barnett / Patrick McDonnell: Das Stinktier. Deutsch von Barbara Küper. Tulipan, 44 Seiten, 13 Euro. Empfohlen ab ca. 5 Jahren (laut Verlag 0-99)

schulz_reiseDie etwas andere Weihnachtsgeschichte

Hermann Schulz, lange Jahre Leiter des Wuppertaler Peter Hammer Verlages, der sich einen guten Namen in Sachen (Kinder-)Literatur aus aller Welt gemacht hat, erzählt in dieser „Geschichte für alle Jahreszeiten“ von Dr. Fernando Silva und setzt dem Arzt und Dichter, der in diesem Oktober verstarb, ein warmherziges erzählerisches Denkmal. Silva leitete in Managua ein Kinderkrankenhaus, das sowohl armen wie auch reichen Familien zur Verfügung stand. Eines Tages sitzt ein kleiner, vielleicht fünfjähriger Junge vor der Tür. Niemand weiß, woher er kommt, aber selbstverständlich wird Filemón, so sein Name, mit offenen Armen empfangen.

An Weihnachten sind alle Kinder aufgeregt, denn sie wissen, dass Dr. Silva seine Runde durch die fünf Krankenzimmer drehen und die Weihnachtsgeschichte erzählen wird. Filemón ist besonders unruhig, kann nicht einmal essen.

Die Weihnachtsgeschichte des Doktors ist dann zentraler Bestandteil der Erzählung: Mit sehr unkonventionellen Abwandlungen der biblischen Geschichte bringt er die Kinder zum Lachen – und weil er erzählt, dass es in Ägypten streng verboten gewesen sei, Kindern etwas Böses zu tun, will Filemón unbedingt in dieses Land reisen. Und so macht sich der Doktor des Nachts mit dem kleinen Jungen auf eine weihnachtliche Autofahrt, die zwar nicht ins reale Ägypten führt, aber dem Jungen dann doch endlich ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Ob Schulz wirklich einen Tonfall getroffen hat, der Sechsjährige zu begeistern vermag, wage ich zu bezweifeln. Dafür nimmt er zu sehr eine erwachsene Perspektive ein, statt sich als Erzähler auf Augenhöhe mit den Kindern zu begeben. Dennoch ist die warmherzige Geschichte mit ihrem unorthodox erzählten Krippenspiel eine Empfehlung für die Vorweihnachtszeit – und erwachsenen Vor-Lesern wird warm ums Herz, wenn sie Dr. Silva über die Schulter blicken, wenn er mit Humor und Lachen vom Weihnachtswunder erzählt.

Hermann Schulz / Tobias Krejtschi: Die Reise nach Ägypten. Dtv, 64 Seiten, 10,95 Euro. Empfohlen ab 6 Jahren

luettner_kraftUnter falscher Flagge

Ein neues Buch von Kai Lüftner! – Nicht nur die Tochter hüpfte vor Freude, als sie davon erfuhr, schließlich ist Lüftner einer der Kinderbuchautoren, an deren Sprachspielereien auch Erwachsene großen Gefallen finden können. Doch groß war die Enttäuschung, als der Blick in das Buch fiel: Bei „Volle Kraft voraus!“ handelt es sich keinesfalls um einen neuen Roman, sondern um eine Umetikettierung der beliebten „Milchpiraten“, mit denen Lüftner 2012 seinen Siegeszug durch die Kinderzimmerregale antrat. Nach zwei Bänden um die coole Kinderbande, die die Inseln Ping und Pong unsicher macht, standen zunächst andere Buchprojekte im Vordergrund, man fragte sich bereits, ob die Geschichte noch weiteerzählt würde. Das scheint nun der Fall, doch zunächst gibt es einen Relaunch der ersten beiden Bände. Das Erscheinungsbild der Erstausgaben prägte die Illustratorin Judith Drews mit ihren typisch konturbetonten und jeweils auf eine Grundfarbe reduzierten Illustrationen (Band 1 in orange, Band 2 passend zum Titel rosa). Offenbar war dieser Stil nun nicht mehr rotzig genug, für die Neuauflage wurde Nina Dulleck gewählt. Wie sie dem wilden Haufen zeichnerisch Gestalt verleiht, ist nicht weniger liebevoll und originell, doch sie geht stilistisch eher in Richtung Comic. Dass hier ein Wechsel der Zielgruppe vollzogen werden soll, ist mehr als deutlich: Der Verlag hat die Altersempfehlung von 6-8 auf 8-10 hochgesetzt, ohne dass es zu spürbaren inhaltlichen Veränderungen gekommen wäre.

Eine Änderung der Marketingstrategie ist natürlich legitim, doch ein kleiner Hinweis für die kleinen und großen Fans wäre schon nett gewesen – schließlich greifen Eltern und Großeltern zuweilen nach Autorennamen ins Buchhandelsregal, ohne den Klappentext einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.

Für alle, die die Milchpiraten noch nicht kennen: Hier wird nicht geentert oder gekapert, die Milchpiraten sind (mehr oder weniger) normale Kinder. Erzählt wird aus der Perspektive des „Obermilchpiraten“ Mats Peters in einem Tonfall, der zuweilen an Timo Parvelas „Ella“-Reihe oder aber Sempés „Der kleine Nick“ erinnert, aber stets unverkennbar Lüftner ist. Mit Logbuch-Einsprengseln wird zudem noch auf der von Jeff Kinneys „Gregs Tagebuch“-Reihe losgetretenen Tagebuch-Welle geritten.

Es sind endlich Ferien und einer der Jungs hat sturmfreie Bude. Dass dies nicht erst bei hausbarplündernden Teenagern zur Katastrophe führen kann, führt Lüftner anschaulich aus. Es beginnt harmlos mit dem kleinen Bubi, der sich auf der Toilette nicht nur versehentlich eingeschlossen, sondern gleich noch den Schlüssel heruntergespült hat. Wie in einer Kinderversion des Peter Sellers-Klassikers „Der Partyschreck“ setzt dieses Missgeschick eine Kettenreaktion in Gang, die das Haus der Eltern ziemlich in Mitleidenschaft zieht. Und dann kündigt sich unversehens Oma Herta zu einem Kontrollbesuch an…

Im zweiten Band, dessen Neuauflage im April 2017 erscheinen soll, werden die Jungs von der „Medels“-Bande unter Druck gesetzt, die kompromittierende Fotos der aus dem Ruder gelaufenen Party hat. Der Konflikt zwischen Jungen und Mädchen in dieser Altersgruppe, die widerstreitenden Gefühle werden wunderbar thematisiert, das Ende lässt viele Fragen offen und Raum für weitere Fortsetzungen. Hoffentlich kommen diese mit der Neuauflage nun auch zügig, bevor eine weitere Milchpiratenfan-Generation dem Lesealter entwachsen ist. Aber zur Not holt man sich wieder eine neue Illustratorin und setzt das empfohlene Alter auf 10-12 Jahre…

Kai Lüftner: Volle Kraft voraus! – Total krasse Ferien. Ars edition, 96 Seiten, 9,99 Euro. Empfohlen ab 8 Jahren (kann aber durchaus ab 6 Jahren gut vorgelesen werden)

schlenz_fluchtBei den Niederträchtigen Nudisten

Der Hamburger Journalist Kester Schlenz, der viele Jahre zunächst bei der „Brigitte“ und später beim „Stern“ das Kulturressort leitete, ist vor allem durch seine Bücher übers Vater-Werden und –Sein bekannt geworden. 2004 erschien sein Kinderbuch „Die unglaubliche Reise in eine andere Welt“. Dieses hat er nun überarbeitet und vor allem das Ende umgeschrieben, um mit ihm den Ausgangspunkt für eine neue Kinderbuchreihe markieren zu können.

Erzählt wird aus der Ich-Perspektive des zwölfjährigen Till, der mit seinen Freunden Meck und Bea auf dem Jahrmarkt einer Wahrsagerin einen dummen Streich spielt, woraufhin die Kinder sich plötzlich in einer anderen Welt wiederfinden. Statt eines Mondes leuchtet hier ein Totenschädel auf das karge Land und die Bewohner sind zutiefst merkwürdig. Da ist zunächst das Vampirhörnchen Stribbi, das sich auf der Suche nach einer Blutnuss befindet. Es schließt sich den Kindern an und führt sie in die Geisterstadt, die eigentlich für lebende Wesen verboten ist. Sie treffen auf das Red-Dach, das ihnen munter quasselnd Auskunft erteilt über diese Welt. Hier leben alle fiesen Gestalten, die sich normalerweise in Märchen, Legenden und Gruselfilmen tummeln. Und allem Anschein nach geht von den meisten dieser Wesen entgegen ihrem bedrohlichen Äußeren keine Gefahr aus. Doch kann ihnen jemand helfen, wieder aus der Unterwelt zurückzukehren? Gemeinsam mit dem Geist des Piraten Störtebeker und dem sprechenden Spatz Horst erlebt die ungleiche Truppe einige Abenteuer auf ihrer Reise, kämpft gegen Gichtkrallen, Riesenkraken, unheimliche Ritter und die Niederträchtigen Nudisten, um durch „den SCHLUND“ in die Welt der Lebenden zu belangen. Am glücklichen Ende dieser Prüfungen beschließen die drei Kinder und die drei Geisterwesen, sich fortan „Die Geister-Gang“ zu nennen und ihr Hauptquartier in der Geisterbahn zu beziehen, die von einem Teil-Unsichtbaren geführt wird.

Die kurze Zusammenfassung lässt schon erahnen, dass Schlenz auf augenzwinkernden Wortwitz setzt und dabei die Grenze zum Kalauer oftmals nicht nur streift. Die großzügige Schriftgröße und die comic-haften Illustrationen von Max Meinzold machen das Buch für die Zielgruppe überschaubar und attraktiv. Vom sprachlichen Niveau her kann es allerdings mit der sehr ähnlich angelegten Reihe um die „Unglaublichen Schockingers“ von Judith Allert (siehe auch hier und hier) nicht mithalten. Die Sätze sind kurz, mit längeren Beschreibungen hält sich Schlenz nicht auf. Das gilt auch für seine Charakterzeichnungen, die eher oberflächlich bleiben. Im Gegensatz zu den „Schockingers“ jedoch ist zumindest das erste Abenteuer der Geister-Gang in sich abgeschlossen. Mal sehen, ob das auch im zweiten Band so bleibt, wenn die Gang Ende Januar 2017 zur „Jagd über das Teufelsmehr“ bläst.

Kester Schlenz: Geister-Gang, Band 1: Flucht aus der Unterwelt. Ravensburger Buchverlag, 192 Seiten, 12,99 Euro. Empfohlen ab 10 Jahren

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