Crime pays
Wie war die Welt 1965? Liest man Lawrence Blocks Roman Falsches Herz, darf man feststellen, das unsere heutigen Sauereien auch nicht sooo originell sind, wie die verursachenden Schweinebacken und die prustend kommentierenden Sittenwächter es gerne hätten. Was wiederum auf die Aufgabe von guter Kriminalliteratur aufmerksam macht, uns Leser darauf hinzuweisen, dass Verbrechen einfach dazu gehört. Joachim Feldmann ist seltsam zufrieden.
Johnny Hayden ist ein guter Lügner, denn es macht ihm einfach Spaß, erfundene Geschichten zu erzählen. Hätte er sein Jurastudium zum Abschluss gebracht, wäre ihm diese Fähigkeit vielleicht auch gut zupass gekommen, für die Laufbahn jedoch, die er einschlug, als er nach einer vergeigten Zwischenprüfung die Uni verlassen musste, ist sie essentiell. Johnny Hayden ist ein gewerbsmäßiger Betrüger. Mit erschwindeltem Schmerzensgeld fing es an, später ließ er sich andere Tricks einfallen, und irgendwann landete er für sieben Jahre in St. Quentin. Nun arbeitet er auf einer Bowlingbahn und träumt davon, ein Hotel zu kaufen. Weil er aber weiß, dass sich das nötige Kapital kaum mit sogenannter „ehrlicher Arbeit“ beschaffen lassen wird, besinnt er sich rasch auf sein altes Talent, als ihm Doug Rance, ein Kumpan aus vergangenen Zeiten, einen verführerischen Geschäftsplan vorlegt. Ein reicher Mann soll zum Opfer seiner eigenen Gier werden, ein Vorhaben, das einen erheblichen logistischen Aufwand erfordert.
Büroräume, Briefpapier, Angestellte: Das fiktive Unternehmen Barnstaple muss schon nach etwas aussehen, sonst wird Wallace Gunderman nicht anbeißen. Zu ihrem Glück haben die beiden Ganoven in der Sekretärin und Geliebten des kapitalkräftigen Immobilienunternehmers eine Verbündete. Enttäuscht, dass ihr Chef sie nach dem Tod seiner Ehefrau nicht geheiratet hat, sinnt sie auf Rache und versorgt Hayden und Rance mit den notwendigen Informationen, um den Coup gelingen zu lassen. Gunderman, dem schon einmal von Betrügern wertloser Grundbesitz in Kanada angedreht worden ist, sehnt sich danach, diese Scharte auszuwetzen. Und eben das macht ihn zum idealen Opfer der von Rance bereits bis ins Detail geplanten Scharade.
Lawrence Block, berühmt für seine Romane um den alkoholkranken Privatdetektiv Matthew Scudder, hat sein Gaunerepos The girl with the long green heart 1965 veröffentlicht. Zwei deutsche Ausgaben folgten kurze Zeit später. Jetzt liegt der ebenso kühl erzählte wie elegant konstruierte Roman neu übersetzt in Rotbuchs Retro-Reihe Hard Case Crime unter dem Titel Falsches Herz vor. Und scheint angesichts der Merkwürdigkeiten, die wir in der Welt der Finanzen beobachten können, eigentümlich aktuell. Wenn man sieht, was Rance und Hayden unter relativ primitiven technischen Bedingungen anzurichten verstehen, lässt sich unschwer vorstellen, wie die beiden von den weltweiten Kommunikationsmöglichkeiten des Internets profitieren würden.
Natürlich geht das Betrugsmanöver nicht reibungslos vonstatten. Die Profis müssen feststellen, dass Amateure manchmal nicht nur gerissener, sondern vor allem skrupelloser sein können. Die Botschaft dieses verblüffend unmoralischen Kriminalromans ist also mitnichten, dass sich Verbrechen nicht lohnen würde, denn selbst die betrogenen Betrüger können ihre Bilanz mit einem achtbaren Plus schließen. Und wir Leser dürfen aus fragen, warum wir das Buch jetzt mit einem seltsamen Gefühl der Befriedigung zuklappen.
Joachim Feldmann
Lawrence Block: Falsches Herz (The Girl With the Long Green Heart, 1965& 2005). Deutsch von Andreas C. Knigge. Berlin: Rotbuch Verlag 2009. 218 Seiten. 9,90 Euro.