Eine Geschichte um die Ehre, das Fremde und den Tod
Leonard Schrader, 1943 in Grand Rapids (Michigan) geboren, studierte das Drehbuchschreiben in den 60er-Jahren zusammen mit Größen wie Nelson Algren, Jorge Luis Borges, Robert Coover und Kurt Vonnegut. Kurz danach siedelte er nach Japan über. Dort lernte er auch seine spätere Ehefrau Chieko kennen. In den folgenden Jahren entwickelte sich Schrader zu einem der besten Experten für den japanischen Film, aber auch als Kenner und Versteher von Kultur und Geschichte des Landes. Mitte der 90er-Jahre unterrichtete Leonard Schrader Screenwriting in den USA, 2006 starb er in Los Angeles. The Yakuza war sein Meisterwerk – ein Kauftipp vom Krimibuchhändler (Hammett-Krimis) unseres Vertrauens Christian Koch.
Stephanie, die Tochter des Reeders George Tanner, wird in Tokio von Mitgliedern des Tono-Clans entführt. Diese Yakuza herrschen in den Docks von Yokohama, wo sich auch die Basis von Tanner befindet. Der Reeder bittet seinen Freund Harry Kilmer um Hilfe, der die Unterwelt Japans und deren Gesetze nur zu gut kennt. Kilmer weiß, dass die Befreiung des Mädchens in einer Orgie der Gewalt enden wird. Trotzdem macht er sich zusammen mit Dusty, einem Mitarbeiter Tanners, auf den Weg nach Tokio. Mit Hilfe von Tanaka Ken, einem ehemaligen Yakuza, erfährt er den Aufenthaltsort Stephanies.
Wie kein Kriminalroman vor ihm zeigt Der Yakuza die uns vollkommen fremde Welt Japans auf. Sind uns Sprache, Schrift und kulturelle Bräuche einfach nur unzugänglich, so muten die Verhaltenskodexe der Yakuza in diesem Roman geradezu marsianisch an. Beeinflusst durch den japanischen Samurai – und Gangsterfilm der 60er- und 70er-Jahre verzichtet Schrader hier auf schmückendes, aber letztendlich doch auch nutzloses Beiwerk. Wunderbar nüchtern in der Sprache lässt er uns zusammen mit Harry Kilmer durch den Dschungel von Mythen, Legenden und kaum fassbarer Brutalität wandern. So stehen wir einem Fremden in einer fremden Welt ganz nahe. Trotz der Geradlinigkeit besitzt das Buch genug Elemente, um die Phantasie des Lesers zu fordern. Genau aus diesem Wechselspiel bezieht Schraders Werk seine Intensität.
Das rituelle Abtrennen einer Fingerkuppe bildet die anrührende und große letzte Szene dieses Romans. Ironischerweise ist gerade diese Handlung hierzulande so ziemlich das einzige, was wir über die Bräuche der Yakuza wissen.
Das kluge Nachwort von Norbert Grob bildet den krönenden Abschluss eines ganz großen Romans.
Nach dem Lesen von Der Yakuza möchte man sich lange verneigen, den Hund streicheln, zum Langschwert greifen und leise in die Nacht heraustreten.
Christian Koch
Leonard Schrader: Der Yakuza (The Yakuza, 1974). Roman. Deutsch von Jürgen Bürger. Berlin: Alexander Verlag 2008. 341 Seiten. 14,90 Euro.