Geschrieben am 27. April 2013 von für Bücher, Crimemag

Lothar Müller-Güldemeister: Uhlandgymnasium

COV_MUELLER_GUELDEMEISTER_UHLANDGYMNASIUM_LZwei weit auseinanderliegende Tage

– Provinz, Alltag, ganz „normales“ Verbrechen – Romane in diesem Spannungsfeld können schiefgehen. Aber nicht, wenn der Autor schreiben kann. Frank Rumpel hat ein solches Exemplar gefunden:

Einen realen Fall aus dem Tübingen der 1960er hat sich der in Berlin lebende Jurist und Autor Lothar Müller-Güldemeister in seinem Roman „Uhlandgymnasium“ vorgenommen. Damals machte in dem baden-württembergischen Unistädtchen die sogenannte Rotbartbande mit Einbrüchen und einem Banküberfall von sich reden. Der Skandal: Die Täter waren doch tatsächlich Gymnasiasten. Einige wurden zu Haftstrafen verurteilt. „Gerüchte, weitere Schüler seien von einer Anklage verschont geblieben, weil sie prominente Eltern hatten, wurden von der Staatsanwaltschaft „aufs Schärfste“ dementiert“, schreibt Müller-Güldemeister im Vorwort zu seinem Roman. Der 1947 geborene Autor war einige Zeit selbst Schüler im Tübinger Uhlandgymnasium, allerdings vier Klassen unter den Bandenmitgliedern.

Er erzählt von zwei weit auseinanderliegenden Tagen im Leben seines fiktiven Protagonisten Konstantin Raffay. Der entgeht Anfang der 60er Jahre bei einem nächtlichen Einbruch nur knapp einer Festnahme. Noch am selben Morgen hat er den ersten Sex seines Lebens ‒ mit der Mutter seines Freundes Rotbart. Ihr verspricht er, Rotbart aus allem herauszuhalten. In einem Brief an die Polizei nimmt er die Einbrüche und Diebstähle auf seine Kappe. Er plant, die Bank, die sie gemeinsam überfallen wollten, allein auszurauben und sich nach Süd-Amerika abzusetzen.

Daraus wurde nichts. Sein Abi machte er im Knast, studierte anschließend Jura und kam in einer Kanzlei in Berlin unter. Als Anwalt soll er nun, 39 Jahre später, seinen Chef bei einem Prozess in Tübingen vertreten. Es geht um millionenschwere Erbstreitigkeiten an einer Firma. Raffay vermutet ein abgekartetes Spiel und lässt den Prozess platzen – was ihn den Job kostet. Mit überzogenem Bankkonto und ohne Bargeld steckt er in Tübingen fest, das er zeitlebens meiden wollte, und bekommt die Macht seiner Kumpane von damals zu spüren. Die wollen unbedingt verhindern, dass einer die alten Geschichten aufrührt. Raffay recherchiert dennoch weiter und merkt dabei erst allmählich, wie tief er selbst in die aktuellen Ereignisse verstrickt ist.

Lothar Müller-Güldemeister

Lothar Müller-Güldemeister

Feingliedriger Kriminalroman

Müller-Güldemeister hat den historischen Fall weitergedacht und aus dem Stoff einen präzise inszenierten, feingliedrigen Kriminalroman gemacht, der in zwei aufeinander zulaufenden Erzählsträngen immer wieder die Frage aufwirft, wie weit die eigene Moral wohl reicht. Elegant verzahnt er die beiden Zeitebenen, wobei sein Plot zwar stimmig, allerdings, ebenso wie manches humorige Detail der Geschichte selbst, zu konstruiert wirkt. Zumal Müller-Güldemeister unter anderem vom Erwachsenwerden in den 60ern erzählt, von dem sich abzeichnenden, gesellschaftlichen Umbruch und von einer gymnasialen Pädagogik, die sich schwer tat mit neuen Ideen. Etwas überfrachtet wirkt der Roman deshalb, gut geschrieben ist er dennoch.

Frank Rumpel

Lothar Müller-Güldemeister: Uhlandgymnasium. Roman. Tübingen: Klöpfer und Meyer 2013. 324 Seiten. 22,00 Euro. Verlagsseite zum Buch. Internetseite des Autors. Foto: mueller-gueldemeister.de

Tags :