Zu hart gekocht
Einen Protagonisten mit Glaubwürdigkeitsproblemen schickt Martin Mucha in seinem Debüt auf die Wiener Gassen und schafft dennoch einen recht unterhaltsamen Kriminalroman. Frank Rumpel ist milde überrascht …
Arno Linder ist Alt-Philologe, arbeitet schlecht bezahlt an der Wiener Uni und hofft auf lukrativere Zeiten. In dieser Situation scheint ihm das Schicksal zumindest eine kleine Auszeit gönnen zu wollen, als ihm an der Haustür seines Wohnblocks eine sturzbesoffene Schöne in die Arme fällt und er beschließt, sie in ihrem Mercedes nach Hause zu fahren. Sie ist die Tochter einer Wiener Anwaltsgröße. In ihrer Handtasche findet er einen Revolver und später mit einem toten Nachbarn prompt auch die zugehörige Leiche. Er beseitigt ein paar Spuren und setzt den Vater der jungen Frau mit den unterschlagenen Beweisen sanft unter Druck.
Allerdings verkompliziert sich die Geschichte schnell. Der Tote war in einen Deal mit gestohlenen Kunstwerken verwickelt, bei dem auch ein antiker Papyrus eine Rolle spielte. Für den interessiert sich unter anderen ein serbischer Kunsthändler, die russische Mafia, eine Größe aus dem Wiener Rotlichtmilieu und schließlich auch die Polizei. Linder gerät zwischen die Fronten und versucht nebenbei, seinen Schnitt zu machen, zumal er als Altphilologe und damit Mann vom Fach von der Echtheit des Stückes überzeugt ist und einen potenziellen Käufer für den Papyrus an der Hand hat.
Eine sachte Unwucht …
Die Geschichte ist solide konstruiert und der Drehbuchautor Mucha schickt in seinem Debütroman eine ganze Reihe origineller Figuren ins Rennen. Er pflegt einen trockenen Humor und ist sprachlich versiert. Allerdings erzählt er gelegentlich etwas zu kleinteilig und bläst manches Detail zu sehr auf. Dadurch entstehen Längen. Zudem hat die Geschichte eine sachte Unwucht.
Man mag dem Ich-Erzähler, Teejunkie und Kiffer, der da aus dem universitären Mittelbau kommt und bisher vor allem seine Habilitation im Blick hatte, seinen Ausflug ins kriminelle Milieu und die Nonchalance, mit der er, sonst vor allem mit Papier vertraut, hier allenthalben über Leichen stolpert, wie selbstverständlich die Nerven behält und die Halb- und Unterweltprofis samt der Polizei an der Nase herumführt, bei allem Faible für schräge Geschichten einfach nicht so recht glauben. Da ist der zu jeder Tages- und Nachtzeit von der feingliedrigen Struktur seines Sencha-Tees schwärmende Philologe, der neben der Leiche einer schwangeren Frau samt zugehörigem Ehemann per Telefon erst mal den Papyrus-Deal zu retten versucht, bevor er am Tatort festgenommen wird und in der Zelle die Ilias aus dem Kopf rezitiert, um die Langeweile zu vertreiben – das trägt gelegentlich unfreiwillig schrille Züge, die Mucha nicht stimmig unter einen Hut bringt.
Erstaunlicherweise bekommt die Geschichte dadurch aber nicht unbedingt Schlagseite. Immer wieder schafft Mucha die Balance, so dass sich Papierkrieg auch dank etlicher gelungener Szenen als ein über weite Strecken unterhaltsamer Kriminalroman lesen lässt.
Frank Rumpel
Martin Mucha: Papierkrieg. Roman.
Gmeiner-Verlag. 372 Seiten. 11,90 Euro.