Geschrieben am 29. Mai 2010 von für Bücher, Crimemag

Max Allan Collins: Der erste Quarry

Morden schwer gemacht

Jörg von Bilavsky amüsiert sich über Max Allan Collins, der sich über creative writing amüsiert.

Selten so gelacht. Schon gar nicht bei einem Hardcore-Krimi dieses Kalibers. Was das schriftstellerische Multitalent Max Allan Colins mit seinem ersten Quarry-Roman produziert hat, liest sich bestens. Mag der Plot auch noch so brutal und anstößig sein: Collins ist einfach cool. Mit einer Lässigkeit spricht er über die abgebrühte Philosophie eines Auftragsmörders. „Denn jeder, der auf Beschluss eines anderen getötet werden sollte, war bereits tot, zumindest wenn dieser andere so mächtig und entschlossen war, dass er es durchzog und einen Auftragskiller anheuerte“, schwirrt es in Quarrys Kopf herum, als er den bestsellernden Professor K. J. Byron observiert, um ihn bei günstiger Gelegenheit abzuservieren. Aber damit wird es so schnell nichts. Denn bei dem Creative-Writer-Guru gehen die Studentinnen ein und aus. Und das nicht nur um sich einen guten Rat zu holen, sondern ihm auch ihre Dankbarkeit zu beweisen. Körperlich versteht sich und meist ganz freiwillig.

Eigentlich muss sich Vietnamveteran Jack für seinen Job nicht rechtfertigen. Wie Byron seine ahnungslosen Schäfchen schamlos ausnutzt, ist zumindest moralisch strafwürdig. Dass er es auf die bezaubernd-betörende Annette Giradelli und ihre „ungewöhnlichen“ Kindheitserinnerungen abgesehen hat, soll ihm schließlich zum Verhängnis werden. Schließlich hat Quarry nicht nur den Auftrag, dem Schriftsteller das Licht auszupusten, sondern auch ein Manuskript zu verbrennen. Aufzeichnungen aus dem Leben von Annette, die ihrem Vater, Mafiaboss Joe Girardelli, durchaus gefährlich werden können. Sinn und Zweck des Auftrags sind also klar, weniger übersichtlich stellt sich jedoch die Ausführung dar. Und darin liegt sowohl die Ironie und Raffinesse dieses Krimis.

Komischer Pulp

Keine Frage, Quarry ist ein eiskalter Killer. Aber doch einer, dem schon mal die Nerven flattern, der nicht immer einen Plan hat und dem das Morden verdammt schwer gemacht wird. Bei aller Brutalität lassen ihn diese „Schwächen“ sogar sympathisch erscheinen. Obwohl alles schief läuft, was schief laufen kann, macht er in seinem allerersten Job instinktiv alles richtig und trifft bei seinen insgesamt sechs Morden eigentlich nie den Falschen. Eine Kugel haben sie meistens verdient. Nur dass er anscheinend seine eigentliche Zielperson dabei aus den Augen, sprich aus dem Visier verliert.

Mit haarscharfer Beobachtungsgabe und trockenem Humor erzählt Collins respektive Quarry von den Absurditäten eines abenteuerlichen, aber dennoch glaubwürdigen Auftragsmordes. Ein dramaturgischer Drahtseilakt, den der versierte Autor bravourös absolviert. Stilsichere und originelle Pulp-Fiction, die kein bisschen trivial ist, sondern die Seele eines Auftragskillers ironisch bricht. Ob die schönen Studentinnen aus Iowa in den siebziger Jahren wirklich so naiv und lüstern, die Privatdetektive wirklich so schmierig und die gehörnten Ehefrauen wirklich so rachsüchtig waren, sei einmal dahingestellt. In der Welt des klassischen Pulp-Fiction erfüllen sie jedoch brav ihre Aufgaben. Allerdings stattet Collins auch sie mit der nötigen Portion Extravaganz aus. Das hebt diesen Roman aus dem Einerlei dieses allzu oft schlecht kopierten Genres heraus. Wie sagt der altkluge Byron zu Recht: „Fiktion ist letztendlich doch die Lüge, die die Wahrheit erzählt.“ Diesen Dreh hat Collins bestens raus.

Jörg von Bilavsky

Max Allan Collins: Der erste Quarry (The first Quarry, 2008). Roman. Aus dem Englischen von Maike Stein. Berlin: Rotbuch Verlag 2010. 190 Seiten. 9,95 Euro.
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