Geschrieben am 16. Januar 2010 von für Bücher, Crimemag

P.D. James: Talking About Detective Fiction

Baroness James of Holland Park

Schon beeindruckend, die Baroness James of Holland Park, besser bekannt als P.D. James. Wer ihr je begegnet ist – vielleicht sogar im Doppelpack mit ihrer Freundin/Rivalin Ruth Rendell – wird wissen, was gemeint ist. Jetzt hat sie ein Bändchen über Detective Fiction vorgelegt, das natürlich einer Standortbestimmung ihrer Positionen im kriminalliterarischen Feld bedarf. Joachim Feldmann ist amused …

Literarischer Mord hält jung. Agatha Christie schrieb 1974 mit über 80 Jahren ihre letzte Detektivgeschichte. Auch ihre neuseeländische Kollegin Ngaio Marsh hatte das Pensionsalter weit überschritten, als sie 1982 ihren letzten Krimi vorlegte. Übertroffen werden die beiden Vertreterinnen des klassischen angelsächsischen Detektivromans allerdings von einer Dame, die bereits seit vielen Jahren als ihre legitime Nachfolgerin gilt. Phyllis Dorothy James, die vor beinahe einem halben Jahrhundert ihren Ermittler Adam Dalgliesh von Scotland Yard seinen ersten Fall lösen ließ (Cover her face, 1962, dt. Ein Spiel zuviel) feiert in diesem Jahr ihren 90. Geburtstag, und es besteht kein Anlass zu befürchten, dass ihre literarische Produktivität erschöpft sei, auch wenn ihre letzten Veröffentlichungen auf manche Leser wie Parodien des Genres wirkten.

Und schaut man sich die anderen Aktivitäten der alten Dame an, so kann man nur staunen. Seit sie 1991 in den Adelsstand erhoben wurde, sitzt sie für die Konservativen im House of Lords und nimmt ihre Aufgaben offenbar sehr ernst. Erst neulich konnte die britische Öffentlichkeit erleben, dass Baroness James of Holland Park um ein offenes Wort nicht verlegen ist, wenn ihr etwas gegen den Strich geht. Der Chef der BBC jedenfalls geriet ins Stammeln, als ihm die streitbare Dame in einer Radiodiskussion sein exorbitantes Jahresgehalt vorwarf und ganz nebenbei die mangelhafte Qualität so mancher Sendung der traditionsreichen Rundfunkanstalt kritisierte. Doch das ist nur ein Aspekt des modernen Britanniens, der ihren Unmut erregt.

Konservativ

Doch auch wer die konservative Grundeinstellung der Autorin nicht teilen mag, wird den präzisen sozialen Realismus, der die besten ihrer Romane auszeichnet, zu schätzen wissen. P.D. James stellt an einen guten Kriminalroman die gleichen Ansprüche wie an erzählende Literatur generell. Ihr Maßstab allerdings, das muss einschränkend gesagt werden, ist die realistische Romanliteratur des 19. Jahrhunderts. Jane Austen, Charles Dickens oder Charlotte Brontë sind Namen, die sie in ihrer just erschienenen kleinen Geschichte des Detektivromans englischer Prägung nennt. Talking About Detective Fiction ist ein ausgesprochen unterhaltsames und instruktives Büchlein.

Meinungsfreudig

Man könnte meinen, dass jemand wie P.D. James ein Loblied auf die Krimis des sogenannten Goldenen Zeitalters des Kriminalromans zwischen 1920 und 1940 anstimmen würde, doch genau das ist nicht der Fall. Viele der berüchtigten Landhauskrimis seien von der großen Leserschaft inzwischen zu Recht vergessen und nur noch für die Historiker des Genres interessant. Sie versäumt es aber nicht, präzise zu analysieren, warum Autorinnen wie Christie, Marsh und Sayers heute noch immer populär sind, trotz der offenkundigen Schwächen in manchen ihrer Romane. So sei die Attraktivität der Lord-Peter-Romane von Dorothy Sayers weniger auf die nicht selten überkomplexen Plots zurückzuführen, sondern vielmehr auf die Atmosphäre des Luxus, die von der Autorin übrigens bewusst kreiert wurde, um sich von den eigenen materiellen Nöten abzulenken.

Von den amerikanischen Klassikern schätzt P.D. James erwartungsgemäß die Romane Ross MacDonalds am meisten. Ein Ermittler wie Lew Archer zeichne sich durch ein großes Verständnis für die Abgründe menschlichen Leidens aus und sei in dieser Hinsicht einem säkularisierten Father Brown nicht unähnlich. Und, das darf man hinzufügen, ihrem eigenen Helden Dalgliesh ebenfalls nicht. So verblüfft es kaum, dass die Romane Dashiell Hammetts, in denen der unterkühlte Continental Op ermittelt, bei aller Bewunderung für die literarische Leistung ihres Autors, eher leidenschaftslos abgehandelt werden. Und wenn sie Hammetts Verfolgung durch McCarthys Kommunistenjäger erwähnt, so scheint es fast, als ob dieser die sechs Monate Gefängnis wegen Aussageverweigerung verdient hätte. Warum war er auch so unkooperativ, als man ihn aufforderte, Beweise gegen seine früheren Genossen zu liefern? Stellen wie diese lassen den Konservativismus von P.D. James nicht mehr besonders mitfühlend erscheinen.

Doch solche Einwände bleiben marginal angesichts des großen Lesevergnügens, das diese ebenso elegant wie meinungsfreudig formulierte kleine Literaturgeschichte eines oft unterschätzten Genres bietet.

Joachim Feldmann

P.D. James: Talking About Detective Fiction.
Oxford: The Bodleian Library 2009. 160 Seiten. 16,00 Euro.

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