Mörderisches Montmartre
Wer möchte nicht seinem Vorbild nacheifern, es womöglich noch übertreffen. Patrick Pécherot möchte es jedenfalls nicht. Der französische Journalist und Autor will Léo Malet, dem Klassiker des französischen Roman noir, ein fiktives, biografisches Denkmal setzen und dabei launig unterhalten. Nichts anderes bezweckt der preisgekrönte Autor mit seiner Malet-Trilogie, deren erster Teil „Nebel am Montmartre“ nun bei der Hamburger Edition Nautilus auf Deutsch vorliegt und dem die anderen beiden alsbald folgen sollen. Jörg von Bilavsky begrüßt das …
Unverkennbar sind die Parallelen zu Malets Werdegang, wenn der naive junger Dichter Pipette (Pfeifchen) Mitte der 20er-Jahre aus der Provinz nach Paris pilgert, um mit seiner Kunst sein karges Brot zu verdienen. Der mittellose Poet schlägt sich mit seinen halbgaren Gedichten mehr schlecht als recht durch, macht aber die Bekanntschaft mit André Breton, dem Doyen des literarischen Surrealismus, und André Colomer, dem berüchtigten Redakteur und Anarchisten. Da die Kunst den Künstler oft nicht ernährt, geht er mit einer düsteren Diebesbande auf nächtliche Raubzüge. Statt der ersehnten Wertsachen, erbeuten sie jedoch die Leiche eines Boulevardjournalisten. Und zwar im Tresor eines spielsüchtigen und erpresserischen Grafen. Hat ihn der Blaublütige selbst getötet? Wenn ja, warum?
All diese Fragen treiben den um seine Unschuld besorgten Dichter und seinen ebenso gutmütigen wie kräftigen Kumpel Lebœuf um. Pécherot führt uns dabei durch allerlei Spelunken, Kabaretts und Hinterzimmer. Überdies blicken wir en passant noch in das surrealistische und anarchistische Antlitz von Paris. Im Vordergrund dieser ironisch, aber aufrichtigen Hommage an Malet steht jedoch ein handfester Skandal, der nicht in den Absteigen der Armen, sondern in der Beletage der französischen Gesellschaft zu Hause ist.
Einen klassischen Roman noir mit professionellem Privatermittler, der permanent Schläge einsteckt und austeilt, das kriminelle Umfeld kennt wie seine ausgebeulte Manteltasche und so düster wirkt wie das Pariser Künstlerviertel bei Nacht darf man nicht erwarten. Geboten bekommt man eine amüsante Milieustudie vom Paris der 1920er-Jahre, aber eine eher vage Vorstellung von der Lebenswirklichkeit des jungen Léo Malet.
Jörg von Bilavsky
Patrick Pécherot: Nebel am Montmartre (Les brouillards de la Butte, 2001). Hamburg: Nautilus 2010. 192 Seiten. 14,90 Euro.
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