Blutige Rohstoffjagd und heroische Rettungsaktion im Herz der Finsternis
– In Patrick Woodheads Thriller „Der Weg ins Dunkel“ suchen chinesische Turbo-Kapitalisten im Kongo den raren Rohstoff Coltan, während ein blutrünstiger afrikanischer Provinz-Häuptling sich mit seiner Armee ein eigenes Reich zusammenmetzeln will: spannend aufbereitete „Indiana Jones“-Action für alerte Smart Phone-User, von Peter Münder.
Als Abenteurer und Spezialist für Extremsituationen in den abgelegensten Gebieten der Welt kennt sich der englische Autor Patrick Woodhead bestens aus mit gefährlichem Nervenkitzel: Er stellte mit Skis und Kites einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf dem Weg zum Südpol auf, er überquerte im Kajak den Atlantik, behütete Nashörner in einem Reservat in Namibia und er bezwang Achttausender im Himalaya, die vor ihm noch niemand erklommen hatte.
Coltan, mal wieder
Wenn er also nach dem in Tibet spielenden Roman „Der Wolkentempel“ seinen neuesten Thriller im Kongo ansiedelt und Schauplätze in Peking und im Himalaya einblendet, dann dient dies einmal der Maximierung von Spannungseffekten. Es soll hier aber auch demonstrieren, dass global operierende turbokapitalistische Profitgeier keine Grenzen kennen und über Leichen gehen, um sich etwa das für die Herstellung neuartiger Satellitenhandys erforderliche Wundermineral Coltan zu beschaffen. Feuer-Coltan statt Blutdiamanten: Der chinesische General Jian hat 300 milliardenschwere, einflussreiche Plutokraten einer geheimen „Gilde“ als Investoren für ein eigenes chinesisches Satellitensystem mobilisieren können: Mit diesem System könnte man schneller, billiger und vor allem weltweit und störungsfrei kommunizieren, den gesamten Weltmarkt aufrollen und gigantische Renditen einfahren – wenn man nur in der Lage wäre, ausreichende Vorräte des bisher unbekannten Feuer-Coltans bereitzustellen. Dafür sorgt der Gilden-Chef Jian: Dieser brutale Renditenjäger ist die chinesische Variante des von Tom Wolfe („Bonfire of the Vanities“) so grandios beschriebenen amerikanischen Börsenzockers und „Masters of the Universe“ Sherman McCoy – jedenfalls in Hinsicht auf seinen Größenwahn: Jian sorgt mit einem skrupellosen Komplott für die Verknappung von Rohstoffen und für die Explosion der Aktienkurse chinesischer Handyhersteller. Und mit den Millionen der Chinesen hat er einen durchgeknallten blutrünstigen afrikanischen Milizionär und dessen willenlose Kindersoldaten eingespannt, womit der ungestörte Coltan-Abbau im Kongo und die Monopolstellung der Chinesen garantiert ist.

Harrison Ford als Indiana Jones in „Jäger des verlorenen Schatzes“, 1981
Extra-Kick
Den rasanten Plot eines Wirtschaftskrimis verknüpft Woodhead mit einer Such- und Rettungsaktion im Stil eines „Indiana Jones“-Abenteuers: Der traumatisierte Luca, ein Abenteurer und Bergsteiger, der sich für den Unfalltod seines Freundes Bill im Himalaya verantwortlich fühlt, macht sich auf die Suche nach dem verschollenen Arzt Joshua, der in einem kongolesischen Lager Flüchtlinge betreute und entführt wurde.
Da Woodhead ein Faible für den Extra-Kick hat, für ungewöhnliche Charaktere und beinah ausweglose Situationen, entwickelt er überraschende Wendungen, die das dramatische Fluchtepos mit der Befreiungsaktion gefangener Minenarbeiter verknüpfen und zur Love Story verdichten, als die Geologin Beatrice Makuru in ihrer Cessna auf der Bildfläche erscheint. Wenn er jedoch suggerieren will, dass der als Inkarnation des Bösen vorgeführte General Jian eigentlich ein verkappter Schöngeist ist, der sein wahres Glück erst in der Betrachtung exotischer Schmetterlinge findet, dann ist dieser Twist vielleicht doch etwas zu kinky geraten.
Trotzdem: absolut spannend und rasant geschrieben. Und wer chinesische Aktivitäten in Afrika beobachtet und gesehen hat, mit welcher Dynamik und Perfektion Eisenbahnstrecken, Straßen und Flughäfen (mit chinesischer Hilfe demnächst auch in Berlin?) pünktlich fertiggestellt werden, der wird in dieser Adventure Story sogar eine nahezu realistische Darstellung der Verhältnisse in chaotischen afrikanischen Krisenregionen entdecken.
Peter Münder
Patrick Woodhead: Der Weg ins Dunkel (The Secret Chamber, 2011). Roman. Deutsch von Edith Beleites. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 2013. 415 Seiten. 9,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.