Geschrieben am 1. November 2008 von für Bücher, Crimemag

Peter Carey: Liebe. Eine Diebesgeschichte

Eine Liebesgeschichte, angereichert mit Dieben und Fälschern

Peter Carey, 1943 in Bacchus Marsh (Australien) geboren, arbeitete nach abgebrochenem Studium 13 Jahre als Werbetexter. Neben J.M. Coetzee wurde er als bisher einziger Schriftsteller zweimal mit dem Booker Prize ausgezeichnet. Seit einigen Jahren lebt Peter Carey in New York. Neben dem Schreiben lehrt er dort am Hunter College „Creative Writing“. Ein Kauftipp von Christian Koch.

Der einstmals angesagte Avantgarde-Maler Michael „Butcher“ Boone ist nach seiner Scheidung finanziell ruiniert und zum Säufer geworden. Sein ehemaliger Förderer, der Kunstsammler Jean-Paul Milan, versucht ihn mit einer Beschäftigung als Housesitter wieder ins Leben zurückzuholen. Butchers als geistig zurückgeblieben geltender Bruder Hugh ist ebenfalls mit von der Partie. In dem abgeschiedenen Haus beginnt Butcher dann auch tatsächlich wieder zu malen. Eines Nachts stöckelt die schöne Kunstexpertin Marlene in das sich langsam wieder ordnende Leben der Brüder. Sie soll sich von der Echtheit eines wertvollen Bildes ausgerechnet auf der Nachbarfarm überzeugen. Von nun an sind beide Brüder in Marlene verknallt und damit beginnt eine Tour de Force durch den Kunstbetrieb, das Leben und die Liebe unter den Verrückten dieser Welt.

Wie unterschiedlich man diesen Roman lesen und auch verstehen kann, macht die verdrehte deutsche Namensgebung sicherlich am besten deutlich. Heißt es im Original „Theft. A Lovestory“, so hat der Fischer Verlag diese Titelgebung exakt um 180 Grad gedreht. Und das ist ausnahmsweise vollkommen legitim, denn eine Lovestory gibt Careys Roman seinen roten Faden.

Aber da ist ja auch noch das andere Thema „Moderne Kunst“. Und natürlich der verrückte Kosmos der Kunst-Sammler. Denn so wie der Kunstbetrieb die beiden Parameter normal und wahnsinnig vereint, so tut dies im Buch eben das unterschiedliche Wirken und Denken von Butcher und Hugh.

Erste Liga

Und genau damit rückt Peter Carey sein Werk in die oberste Liga exzellenter Bücher. Welcher Bruder ist hier verrückt, welcher normal? So schraubt Butcher etwa fette Holzplatten auf den Tropenholzfußboden seines Gönners, damit er den kostbaren Belag bloß nicht mit Farbflecken beschmutzt. Hughs Erkenntnisse über Vernissagen, Expertisen und das Leben im Allgemeinen sind dagegen einfach nur scharfsinnig und von brutaler Offenheit. Dass er durch das ganze Leben einen Stuhl mit sich schleppt, auf den er sich jederzeit setzen kann, so what? Diese Einzelheit aus seinem Leben ist auch nicht verrückter als der ominöse Kunstpolizist, der überall im Buch auftaucht.

Die beiden Erzählperspektiven der Brüder machen die Lektüre zum Genuss. Dadurch wird die Kunstszene von innen wie von außen erklärt, aber eben auch frech bloßgestellt. Erst Tokio und dann vor allem New York sind konsequenterweise die Finalschauplätze von Liebe. Da beenden dann falsche Expertisen über falsche Bilder diesen turbulent tollen Roman.
Art – as it’s best…

Christian Koch

Peter Carey: Liebe. Eine Diebesgeschichte (Theft: A Love Story, 2006). Roman. Deutsch von Bernhard Robben. Frankfurt am Main: S. Fischer 2008. 335 Seiten. 19,90 Euro.