Brutale Wirklichkeit in einem angeblichen Paradies
Roger Smith, 1960 in Johannesburg geboren, arbeitet heute als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent in Kapstadt. Während der Apartheidjahre gründete er ein Künstlerkollektiv, das wegen seiner vielfältigen ethnischen Besetzung Widerstand in Südafrika, aber auch große internationale Beachtung erfuhr. Momentan schreibt Roger Smith an seinem zweiten, eigenständigen Roman. Der erste ist monströs. Monströs gut.
Ein Kauftipp vom Krimibuchhändler unseres Vertrauens, Christian Koch.
Der Amerikaner Jack Burn bewohnt in Kapstadt zusammen mit seiner schwangeren Frau und ihrem Sohn ein Haus in einer Wohnanlage für vermögende Weiße. Während Burn in Amerika wegen einem Banküberfall mit mehreren Toten von der Polizei gesucht wird, lebt er hier unauffällig unter anderen Reichen. Ausgerechnet er und seine Familie werden in ihrem Haus von zwei durchgeknallten, schwarzen Gangmitgliedern überfallen. Burn tötet beide, beseitigt die Leichen und weiß sofort, dass sein Alptraum damit gerade erst begonnen hat.
Zwei Menschen wissen ziemlich schnell, was in dem Haus passiert ist. Benny Mongrel, in der Wohnanlage als Wachmann arbeitend, der selbst Mitglied einer anderen Gang ist und fast sein ganzes bisheriges Leben im Gefängnis saß, sowie der korrupte Inspector Rudi Barnard, genannt Gatsby. Dieser spürt instinktiv, dass mit Burn einiges nicht stimmt und beschließt, daraus Kapital zu schlagen.
Es ist ein extrem gewalttätiges Südafrika, das Roger Smith uns hier aufzeigt. Morde, Vergewaltigungen, Erpressung und Korruption durchziehen Kap der Finsternis genauso wie die wechselnden Erzählperspektiven. Jede einzelne Szene im Buch wird abwechselnd von einer der Figuren erlebt und geschildert. Das gibt dem Roman Tiefe und ein ganz eigenes Tempo. Durch diese Erzähltechnik gehen die einzelnen Kapitel viel dichter ineinander über und verbinden sich.
Desillusionierende Dominanz des Bösen
Absolut desillusionierend ist die Dominanz des Bösen dargestellt, schmerzvoll das Fehlen des beruhigenden Guten, das wir doch ansonsten so sehr gewohnt sind. Kein Mensch kommt bei Roger Smith ohne Gewalt aus. Sei es gewollt, als Reaktion oder in Notwehr. Das ist düster und Meilen entfernt vom so beliebten Postkartenkitsch der Urlaubskataloge. Es ist aber auch ein Abbild von einem der gewalttätigsten Länder der Erde. 42 Jahre Apartheid und vorherige Unterdrückung durch diverse Kolonialmächte haben wahrlich Spuren hinterlassen. Ein roher, aber eben dadurch wachrüttelnder Roman, der den Leser auffordert sich mehr mit den Verhältnissen in Südafrika zu beschäftigen.
Besondere Erwähnung verdienen die beiden Übersetzer Jürgen Bürger und Peter Torberg für die unterschiedlichen Stimmen, die sie den Menschen in Roger Smiths Werk gegeben haben.
Dass sich die anrührendsten Momente des ganzen Romans zwischen dem mehrmaligen Mörder Mongrel und seinem Hund Bessie abspielen, ist kein Zufall sondern Absicht. Zwischen der Kreatur Mensch und der Kreatur Tier ist hier möglich, was Roger Smith den Menschen untereinander nicht zugesteht.
Christian Koch
Roger Smith: Kap der Finsternis (Mixed Blood, 2009). Roman. Deutsch von Jürgen Bürger und Peter Torberg. Stuttgart: Tropen Verlag bei Klett-Cotta 2009. 356 Seiten. 21,90 Euro.
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