Geschrieben am 20. März 2010 von für Bücher, Crimemag

Sunil Mann: Fangschuss

Menschenjagd in den Schweizer Bergen

Ein indischstämmiger Detektiv in Zürich gerät ins Visier von albanischen Drogendealern und vom eigenen Reichtum gelangweilten Bankern. Ein solide schräges Krimidebüt, wie Frank Rumpel findet …

Es ist schon immer wieder erstaunlich, wie nachhaltig doch die modernen Prototyp-Detektive von Raymond Chandler und Dashiell Hammett, selbst zum Klischee geronnen, noch wirken. Bis heute scheint mancher immer noch nicht am langen Schatten dieser Figuren vorbei zu kommen, wenn es darum geht, einen Privatdetektiv zu erfinden. Das Bild ist zur Marke geworden, mit der es sich offensichtlich nach wie vor auseinanderzusetzen gilt. Das macht auch Sunil Mann ausgiebig, der mit Vijay Kumar einen indischstämmigen Schweizer in Zürich ermitteln lässt. Der hat sich entschieden, eben nicht im gut gehenden Lebensmittelgeschäft und Imbiss seiner Mutter zu arbeiten, die ihn vor allem gern verheiraten würde, sondern zukünftig sein Geld als Detektiv zu verdienen. Als whiskytrinkender (freilich indischer Amrut) Kettenraucher ohne Freundin und nicht wissend, wie er die nächste Miete zahlen soll, fühlt er sich zunächst noch ganz wohl in seiner Rolle als arbeitsloser Schweizer Ur-Enkel von Phil Marlowe.

Die entlaufene Katze

Als ersten Auftrag soll er (der klassische Einstiegsjob für Detektive) eine entlaufene Katze, dann einen verschwundenen Koksdealer finden und einen Ehemann beschatten. Was zunächst nach weiteren Jobs ohne viel Anspruch aussieht, entwickelt nach und nach immer mehr Dynamik. Die beiden letzten Fälle haben miteinander zu tun. Kumar stolpert über die Leiche eines albanischen Dealers, und bis er den großen Zusammenhang entdeckt und die Fäden, die da bis in die oberen Etagen der Finanzwelt reichen, entwirrt hat, wird es auch für ihn brenzlig.

Sunil Mann, wie sein Protagonist Schweizer mit indischen Wurzeln, schafft nach einem etwas langwierigen, unentschlossenen Einstieg die Kurve zu einer schnellen, schrägen und unterhaltsamen Geschichte, in der auch sein blauäugig durch den Fall stolpernder Detektiv zu etwas mehr eigener Form findet und in der sich noch reichlich Gelegenheit bietet, etliche Stereotype und Schweizer Eigenheiten aufs Korn zu nehmen.

Inder in Zürich

„Inder waren damals wie heute eine beinahe unsichtbare Ethnie, angepasst und vor allem unauffällig. Wenn der Einheimische auf einen richtigen Inder stieß, dann freute er sich, denn das erinnerte ihn an Bollywood und die bunt-fröhlichen Filme mit der ewig gleichen Geschichte und den überdrehten Tanzszenen, an Curry und das Mango-Lassi aus der Migros. Jedenfalls mochte man Inder grundsätzlich im Gegensatz zu anderen fremdländischen Bevölkerungsgruppen, die von politischen Kreisen der Dealerei und Zuhälterei bezichtigt wurden und ohnehin dauernd im Konflikt mit dem Gesetz standen. Anderen Zuwanderern wiederum nahm man übel, dass sie das Lohnniveau senkten, Topjobs an sich rissen, immer alles besser wussten und zu laut und zu perfekt Deutsch sprachen. Inder blieben von rassistischen Attacken dieser Art glücklicherweise verschont.“

Sunil Mann, der bisher vor allem Erzählungen in verschiedenen Anthologien veröffentlichte und dafür auch schon einige Preise bekam, schickt mit seinem Ermittler Vijay Kumar ja durchaus einen interessanten Charakter mit Potenzial ins Rennen, spielt die Exotenkarte aber dann doch angenehm verhalten aus. Etwas mehr eigenes Profil könnte sein Detektiv schon noch vertragen. Sprachlich gewitzt hat Sunil Mann einen über weite Strecken soliden und kompakten Kriminalroman mit einer guten Portion schwarzen Humors geschrieben.

Frank Rumpel

Sunil Mann: Fangschuss. Roman.
Dortmund: Grafit-Verlag 2010. 221 Seiten. 8,95 Euro.

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