Geschrieben am 29. Oktober 2006 von für Bücher, Crimemag

Taavi Soininvaara: Finnisches Quartett

Morden für eine gute Sache

Je mächtiger der Feind, desto skrupelloser und perfider die angewandten Mittel zu dessen Vernichtung. So denken und handeln die idealistischen Ökoterroristen, religiösen Fanatiker und ultrakonservativen Amerikaner in Taavi Soininvaaras aktuellem Thriller. Aber sie merken zu spät, dass es Frieden, Gerechtigkeit und eine intakte Natur nicht um jeden Preis gibt.

„Sein Name ist Ratamo, Arto Ratamo.“ Auf was der Verlag mit diesem Spruch auf der Cover-Rückseite hinaus will, ist klar. Doch an James Bond erinnert weder der von Schlafstörungen geplagte Oberkommissar der finnischen Antiterroreinheit noch das kleinbürgerliche Ambiente, in dem er sich außerhalb seiner Dienstzeit bewegt. In Sachen Weltverschwörung und -zerstörung steht Taavi Soininvaaras Thriller aber den Romanen von Ian Flemming in nichts nach.

Ein Aktivistentrio und vier tote Physiker

Drei Ökoterroristen wollen die „Datensysteme des größten europäischen Ölmultis“ vernichten. Aber sie werden erwischt und einer von ihnen wird auf der Flucht ins nahe gelegene Naturschutzgebiet! getötet. Die zwei anderen, ein ungleiches Ökopärchen wie ehemals Gert Bastian und Petra Kelly von den Grünen, er ehemaliger Militär, sie hochmotivierte Idealistin können entkommen. Den durch ihre Aktion ausgelösten todbringenden Verwicklungen allerdings nicht. Während ihres Einbruchs in die Kommunikationszentrale von „Dutch Oil“ wurden sie nämlich beiläufig Zeugen einer Geheimkonferenz der Ölbarone, in der die Tötung eines renommierten finnischen Kernphysikers beschlossen wurde. Drei andere europäische Experten fielen der Ölmafia bereits zum Opfer, weil sie an einer effektiveren Kernfusion arbeiteten.

Natürlich machen sich die Ölmultis nicht selbst die Hände schmutzig. Dafür haben sie den „Engel des Zorns“, einen religiösen Fanatiker engagiert. Als „Auserwählter“ beseitigt er all jene, die laut des wiederentdeckten „Thomas-Evangeliums“ dem Himmel auf Erden im Wege stehen. Dass er den Ölmagnaten lästige Konkurrenten vom Hals schafft, weiß der hochgradige Psychopath nicht. Denn nicht er, sondern seine Schwester Mary ist die eigentliche Auftragnehmerin des Konsortiums. Sie macht sich den gottgefälligen Wahn ihres Bruders zunutze, um mit dem Geld ihrer Auftraggeber den Befreiungskampf der IRA zu finanzieren.

Knallhart kalkulierte Aktion

Wer nun glaubt mit diesen komplizierten Vernetzungen und Verwicklungen hätte sich Soininvaara begnügt, sieht sich schnell getäuscht. Denn hinter all diesen Machenschaften steht eine noch viel größere Macht, die auf den letzten hundert Seiten immer deutlicher Gestalt annimmt und weitaus radikalere Pläne verfolgt als die Herren der fossilen Brennstoffe. Der zwischen Trauma, Trance und Tatsachen schwankende Auftragsmörder nimmt natürlich auch die Ökoterroristen ins Visier, die von Ratamo und seine holländischen Kollegen längst ausfindig gemacht worden sind. Als Köder führen sie den finnischen Polizisten nicht nur zum Todesengel, sondern auch zum skrupellosen Drahtzieher in Washington.

So abenteuerlich-überzogen dieser Thriller und die fanatischen Protagonisten auch angelegt sind, spannend ist der Roman allemal. Dafür sorgt allein schon die filmreife Sprache und die einer Hollywoodproduktion würdige Dramaturgie. Von europäischen Autoren, schon gar nicht von denen aus dem hohen Norden, ist man diese knallhart kalkulierenden Plots nicht gewohnt. Und schon gar nicht die politischen wie religiösen Allmachtsphantasien, die Soininvaaras Figuren beseelen und eher an das Personal von Dan Brown und Konsorten erinnern.

Zum Glück setzt der mit dem finnischen Krimipreis ausgezeichnete Autor nicht nur auf das dramaturgische Erfolgsrezept amerikanischer Autoren. Trotz des reißerischen Polit-Plots steckt noch genug vom schwarzen Humor und der Bodenständigkeit der Finnen in diesem Roman. Nicht zuletzt sein von Selbstzweifeln geplagter Antiheld Ratamo rückt diesen Roman wieder in die Tradition der europäischen Kriminalliteratur. Dass der allein erziehende Vater einer pubertierenden Tochter nicht den Aktionismus und die Arroganz eines James Bond besitzt, steht Ratamo gut zu Gesicht und sorgt für die nötigen Verschnaufpausen in dem ansonsten temporeichen und actiongeladenen Thriller.

Jörg von Bilavsky

Taavi Soininvaara: Finnisches Quartett. Aus dem Finnischen von Peter Uhlmann. Gustav Kiepenheuer Verlag 2006. 379 Seiten. 19,90 Euro.