Sprachwandler
Thomas Podhostnik, Leipziger Regisseur und Autor, beschreibt in seinem Debütroman seine Kindheitserfahrungen in einer Migrantenfamilie. Eine wunderbar gelungene Geschichte, findet Frank Schorneck
Sivo, Sohn slowenischer Immigranten in Deutschland, bewegt sich zwischen den Sprachen. Im Elternhaus wird kein Deutsch gesprochen, was beim Einschulungstest bemängelt wird. Hinzu kommt die Feststellung, dass er auf einem Auge beinahe blind ist. Die Prophezeiung, dass Sivo im Unterricht zurückbleiben werde, erzürnt die Mutter, empört will sie mit ihm das Untersuchungszimmer verlassen, die Ärztin jedoch hält ihn an der Schulter fest.
Podhorstnik braucht in seinem Debütroman nur wenige Zeilen, um die Zerrissenheit zu charakterisieren, die seinen Protagonisten sein ganzes Leben verfolgen wird. In der Schule wird er der Außenseiter bleiben, sich aber zugleich mit dem Aneignen der deutschen Sprache immer weiter von seinen Eltern entfremden. Eine besonders traurige Figur gibt sein Vater ab, der seiner Wurzeln beraubt in Deutschland keinen Halt findet, gegenüber deutschen Autoritäten kuscht und auch von seiner Frau nicht ernst genommen wird. Ihm fehlt eine Prüfung, um eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, die Mutter ist die Versorgerin der Familie.
Momentaufnahmen einer Entwicklung
Über einen sehr langen Zeitraum beschreibt Podhostnik anhand von Momentaufnahmen die Entwicklung des Jungen, wie er sich nicht nur von den Eltern, sondern auch aus der Migranten-Community löst, wie er die Kunst für sich entdeckt und mit wachsendem Selbstbewusstsein erste Rückschläge verkraftet und studiert. Schließlich geht er ins Ausland, lässt sowohl alte als auch neue Heimat hinter sich, die Welt steht ihm offen.
Das mag sich auf den ersten Blick wie eine klassische Migrantengeschichte anhören, doch Podhostnik gelingt ein gänzlich eigener Zugang zu diesem Sujet. Es gibt keine Schwarzweiß-Malerei, keine Täter und Opfer in der alltäglichen Diskriminierung. Der Ich-Erzähler wertet nicht, er beschreibt lediglich. Selbst die eigenen Gefühle benennt er nicht direkt mit Worten, für den Leser werden sie durch Gesten und Handlungen erahnbar, sind sie zwischen den Zeilen und aus dem Tonfall herauszuhören.
Podhostnik bedient sich einer extrem reduzierten, verdichteten Sprache, auch die Schilderungen aus kindlicher Perspektive werden nie rührselig verklärt. Von diesen 100 Seiten ist keine Zeile Füllwerk, alles ist auf den Punkt formuliert. Hinter diesem schmalen Bändchen verblasst so manches aktuelles Mammutwerk.
Frank Schorneck
Thomas Podhostnik: Der gezeichnete Hund.Roman. Wien: Luftschacht 2008. 100 Seiten. 15,50 Euro. ISBN 978-3-902373-29-8