Geschrieben am 7. Mai 2007 von für Bücher, Crimemag

Thomas Raab: Der Metzger muss nachsitzen

Rache fürs Leben

Thomas Raab sucht in verstaubten Schulgebäuden und verschneiten Landschaften nach den Spuren längst vergangener Racheakte. Von Jörg von Bilavsky

Wer denkt schon gern an seine Schulzeit zurück? Streber und Faulenzer vielleicht. Wer als Außenseiter immer verspottet und verprügelt wurde, denkt an diesen Lebensabschnitt wohl seltener gern zurück. Aber was tun, wenn einen die Vergangenheit so plötzlich einholt wie Willibald Adrian Metzger, der im ersten Krimi des Österreichers Thomas Raab eine grandiose Hauptrolle spielt. Der Metzger, der eigentlich Restaurator ist, stolpert nämlich mitten in der Nacht über die Leiche seines einstigen Peinigers Felix Dobermann. Im Auge der Zeigestab seines ehemaligen Physiklehrers. Als er dem befreundeten Kommissar den Toten zeigen möchte, ist er verschwunden. Nicht aber die Zeichen und Zettelchen, die ein anonymer Fährtenleger für Metzger an verschiedenen Orten deponiert hat.

Eins ist damit klar: Niemand anderes als ein Opfer des Opfers soll den Fall aufklären. Zunächst nimmt sich Metzger der Sache etwa zögernd, dann aber aus unstillbarer Neugier immer intensiver an. Der rotweintrinkende und handyresistente Freizeitdetektiv wärmt zum Ärger seiner ehemaligen Mitschüler böse alte Schulgeschichten wieder auf. Wurde die Lehrerin Kitzler wirklich vergewaltigt und wer hat ihren jugendlichen Liebhaber wirklich getötet. War der Tote von heute wirklich der Täter von damals, der Dobermann? Ob das wirklich so war, hinterfragt der zufällig in die Ermittlerrolle gedrängte Metzger mit sicherem Gespür für das al-lerkleinste Detail. Dass er unter den ehemaligen Mitschülern auf schwule Paare und bei seinen Lehrern auf uneheliche Kinder stößt, macht die Sache für ihn allerdings nicht einfacher.

Originelle Selbst- und Fremdwahrnehmung

Faszinierend ist aber nicht allein, mit welch gelassener Hartnäckigkeit er diese wahrlich verwickelte Geschichte entwirrt. Faszinierend ist vor allem die originelle Selbst- und Fremdwahrnehmung des altmodischen, aber keineswegs weltfremden „Hobbydetektivs“. Denn über Jahresnetzkarten oder das einem im Krankhaus angebotene „Wir“ lässt sich trefflich räsonieren. Raabs philosophierender Protagonist steht in einer Reihe mit Marek Miert (Manfred Wieninger) und Simon Brenner (Wolf Haas). Auch sie beschränken sich nicht allein auf die Lösung des Falles, sondern leben und lehren das Allzumenschliche. Österreichische Ermittler fallen nicht durch übernatürliche Fähigkeiten, sondern durch Menschenkenntnis und bissigen Humor auf.

Natürlich gerät auch der atypische Schnüffler Metzger immer wieder in peinliche Situationen, die er wie seine Kollegen mit der nötigen Portion Selbstironie und Witz meistert. Und auch die Motive und Morde erweisen sich am Ende als mindestens ebenso kurios wie der Weg der zur Lösung des Falles geführt hat. Der Singer-Songwriter Thomas Raab hat mit seinem Debüt nicht nur bewiesen, dass er ebenso kluge wie komische Krimis schreiben kann. Er ist auch auf dem besten Weg, in die großen Fußspuren von Wolf Haas zu treten.

Jörg von Bilavsky

Thomas Raab: Der Metzger muss nachsitzen. Leykam 2007. 228 Seiten. 19,40 Euro.