Klar gesehen
Als junger Autor hat man es im Steidl-Verlag nicht wirklich leicht, neben dem Verlagsflagg- und Schlachtschiff Günther Grass Beachtung zu finden, selbst wenn man ein politisch brisantes literarisches Puzzle entwirft. Von Frank Schorneck
Zu Tod eines Trüffelschweins, dem neuesten Buch des 1964 in Stuttgart geborenen Thomas Weiss finden sich dann auch, trotz Reizthemen wie Globalisierung, Heuschrecken, oder RAF, kaum Rezensionen. Dabei bietet der Text reichlich Reibungs- und Angriffsfläche.
Im Stil einer Reportage-Collage berichtet Weiss vom Mord am amerikanischen Finanzinvestor Marc Schworz. Der Täter ist sein Fahrer, ehemaliger GSG 9-Beamter, einer der Helden von Mogadischu. Weiss schildert den Tathergang anhand von Dokumenten: Anklageschrift, Polizeibericht, Obduktionsbericht, Bekennerschreiben, Zeitungsberichte, öffentliche und vertrauliche Gesprächsnotizen und sogar die Bibel werden zitiert, um ein möglichst komplexes Bild von Opfer, Täter und möglichen Motiven zu geben. Recht unverhohlen rückt Weiss den Verkauf des Armaturenherstellers Grohe an eine US-amerikanische Investorengruppe in den Vordergrund seines Buches, nur pro forma nennt er die Firma Grothe. Nicht nur hier verwischen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Auch die zum Teil hitzige Diskussion um eine mögliche Haftentlassung Christian Klars und seine Grußbotschaft an die Junge Welt im Januar 2007 gehen in die Geschichte ein. Gewagt erscheint die Verknüpfung von RAF-Terror und aktueller Neoliberalismus-Kritik, doch in seiner Schilderung erscheint es beinahe wie eine zwangsläufige Konsequenz von Massenentlassungen bei gleichzeitiger Gewinnsteigerung, dass sich die Betroffenen in nicht allzu ferner Zeit zur Wehr setzen. Im Gegensatz zum RAF-Terror erfährt Heuser zumindest insgeheim breite gesellschaftliche Zustimmung. Bis in die Politik reichen dabei die Sympathien für den Mörder – vom Bürgermeister, der um den Standort und die Gewerbesteuer fürchtet (ebenfalls eine Parallele zu den realen Grohe-Vorgängen) bis hin zum Minister, der den Heuschreckenvergleich ins Leben ruft.
Tod eines Trüffelschweins hätte man mehr Diskussionen in den Feuilletons gewünscht, es ist ein denkwürdiges Stimmungsbild Deutschlands im dreißigsten Jahr nach dem Deutschen Herbst. Das einzige, was man Thomas Weiss vorwerfen könnte, ist die Akribie, mit der er den dokumentarischen Stil verfolgt. In der Anhäufung von Amtssprache bleibt leider kaum Platz für einen ausgefeilten, ästhetischen Stil – und das kann zuweilen bei aller Brisanz durchaus ermüdend sein.
Frank Schorneck
Thomas Weiss: Tod eines Trüffelschweins. Steidl 2007. 130 Seiten. 14,00 Euro.