Geschrieben am 28. Januar 2007 von für Bücher, Litmag

Thorsten Palzhoff: Tasmon

Vom Suchen und Verschwinden

Thorsten Palzhoff beweist in seinen Geschichten großes Talent für episches Erzählen in vielfältigen Stimmlagen.

Als Debütant im Steidl-Verlag hatte man es im vergangenen Herbst nicht leicht. Neben der Grassschen Zwiebelhäutung hat kein Titel des renommierten Verlags so recht die Aufmerksamkeit der Feuilletons wecken können – erst recht kein Neuling. Neben der Herausforderung, aus diesem großen Schatten heraustreten zu müssen, geht der 1974 geborene Thorsten Palzhoff auch noch das Wagnis ein, mit drei auf den ersten Blick eher sperrig wirkenden Erzählungen zu debütieren.

„Lewkin“, die erste der drei Erzählungen, führt uns in den kalten Leningrader Winter des Jahres 1942 während der Blockade durch die Deutschen. Die konspirativen Treffen in einer von Brennstoffmangel und Hunger geprägten Welt, denen sich Palzhoff hier widmet, dienen jedoch nicht dem Widerstand gegen die Deutschen, sondern einzig und allein der Literatur. Im Mittelpunkt steht eine Erzählung des Autors Adam Adamowitsch Lewkin, die – ebenso wie ihr Verfasser – spurlos verschwunden ist. „Lewkin“ wirkt ein wenig, als habe sich das Personal der Brüder Karamasov in eine Geschichte von Borges verirrt, so sehr wird die Kraft der Literatur beschworen, wird mit rätselhaften Identitäten gespielt. Neben aller literarischen Anspielung verliert Palzhoff allerdings auch die trostlose Lage in einer von der Außenwelt abgeschnittenen Stadt nicht aus den Augen. Der Tod ist allgegenwärtig, der Kampf um Essensmarken lässt alle Pietät verstummen, und selbst vor Kannibalismus scheut mancher nicht mehr zurück.

Die Titelgeschichte „Tasmon“ hingegen ist ein Brief, ein Bekenntnis, dessen Verfasser sich als Engel bezeichnet. Auch hier verschwindet jemand, und zwar der Vater des Adressaten aus der DDR der 80er-Jahre – in ein verheißungsvolles Land mit dem klangvollen Namen Tasmon.

„Laura“, die abschließende Erzählung, scheint zunächst eine eher konventionell erzählte Liebesgeschichte zu sein. Doch das Dreiecksverhältnis, das zu Beginn so durchschaubar erscheint, entwickelt sich immer rätselhafter.

Thorsten Palzhoff beweist in seinen Geschichten großes Talent für episches Erzählen in vielfältigen Stimmlagen. Jede der drei Erzählungen entfacht eine ganz eigene Atmosphäre, lädt in eine komplett neue Welt ein. Seine Sprache passt der Autor gekonnt dem Sujet an. Man darf gespannt sein auf Palzhoffs ersten Roman.

Frank Schorneck

Thorsten Palzhoff: Tasmon. Steidl-Verlag 2006. 182 Seiten. 16,00 Euro