Geschrieben am 8. März 2014 von für Bücher, Crimemag

Till Raether: Treibland

untitledQuarantäne auf dem Kreuzfahrer

‒ Einen mysteriösen Todesfall auf einem Kreuzfahrtschiff im Hamburger Hafen soll Kommissar Adam Danowski ermitteln. Er wird aber wegen Seuchengefahr isoliert und an der ernsthaften Aufklärung des Falles gehindert. Ein spannender Krimi von Till Raether, der am Schluss leider streckenweise in den Slapstick-Modus abdriftet. Rezensiert von Peter Münder.

Ausgerechnet „Große Freiheit“ heißt der Kreuzfahrer, der im Hamburger Hafen mit einer Leiche an Bord festliegt. Den Toten, den man möglichst schnell von Bord schaffen will, lassen die Behörden aber erst nach gründlichen Untersuchungen und der Verhängung strengster Quarantänevorschriften entfernen ‒ es besteht Seuchengefahr, wie die Expertin vom Tropeninstitut erklärt: „Biohazard 4, vierzehn Tage Quarantäne, uneingeschränkt, kompromisslos. Niemand geht von Bord, kein Besatzungsmitglied und kein Passagier, keine Großmutter, kein Kind … “

Offenbar ist der Passagier an einer Art Ebola-Virus gestorben. Sein Körper ist kaum noch erkennbar, das dunkelgelb-ockerfarben-rote Gesicht ist zerflossen wie eine exotische Soße, alles wirkt aufgelöst und ziemlich grauenhaft. Kompliziert wird die Situation auch dadurch, dass das Schiff in Panama registriert ist und sich dort weder die Reederei noch die Polizei für diesen Fall interessiert. Und als in der Kabine kontaminierte Glasscherben gefunden werden, ist nicht mehr auszuschließen, dass dem Hamburger Whisky-Importeur Carsten Lorsch, um den es hier geht, verseuchte Viren verabreicht wurden und es sich also um einen Mord handelt. Da Lorsch die Kreuzfahrt rund um Irland und das Whisky-Paradies Schottland ursprünglich mit seiner Ehefrau antreten wollte, die dann aber plötzlich verhindert war, gerät sie in den Kreis der Verdächtigen. Dann stellt sich heraus, dass es enge Behördenkontakte zwischen einem Hamburger Pharmaunternehmen und Behördenmitarbeitern gab und jemand seine Informationen über dubiose Machenschaften mit einem noch nicht erprobten Impfstoff erpresserisch verwerten und versilbern will.

Narrenschiff mit Ebola (oder so)

Ein undurchsichtiger, komplexer Fall, dazu dieses groteske Narrenschiff-Szenario, in dem der „Captain very busy“ und nie zu sprechen ist, während die Mannschaft alle Ermittlungen behindert oder mit karnevaleskem Frohsinn die tumben Touris bei Laune halten will.

Ausgerechnet Kommissar Danowski, hypersensibel, gerade vom Neurologen untersucht und zur Schonung ermahnt worden, soll diesen heiklen Fall übernehmen. Er ist fürsorglicher Familienmensch, möchte lieber mit seiner Frau und mit den beiden Kindern zusammen sein als sich das dumme, teilweise auch bösartig-hämische Geschwätz seiner Kollegen anzuhören. Nur mit dem ebenso flapsig-lässigen Ex-Alki Finzi kommt Danowski gut klar, aber in diesem undurchsichtigen Intrigensumpf hat Finzi auch nicht gerade den großen Durchblick.

Diese Dolchstoßmanöver, das sich anbiedernde Geschleime gegenüber den Vorgesetzten im Polizeipräsidium, das Powerplay innerhalb der Abteilung für Tötungsdelikte ‒ all das beschreibt der in Hamburg lebende Journalist Till Raether, 45, mit drastischer Deutlichkeit und bissiger Ironie. Vor allem aber ist sein Kommissar Danowski eine interessante Außenseiterfigur: kein draufgängerischer Macho, aber intelligenter, einfallsreicher und einfühlsamer als die Kollegen. Und Lob oder Tadel der Vorgesetzten sind ihm ziemlich gleichgültig ‒ er will nur einen Fall überzeugend lösen, ohne wichtige Aspekte vernachlässigt zu haben.

Too much …

Die ironischen Kontraste dieses Szenarios kostet Raether genüsslich aus: Die „Große Freiheit“ wird zur beängstigenden Quarantänefalle, aus der es vorübergehend kein Entkommen gibt, der sensible Kommissar wird mit alptraumartigen Situationen konfrontiert, die er dennoch ganz passabel meistert, und ein lebensgefährlicher Seuchenfall wird im kompletten Durcheinander, das sich aus der fehlenden Exit-Strategie für die auf dem Narrenschiff festsitzenden Passagiere ergibt, vorübergehend zur Posse. Übertrieben slapstickartig gestaltet Raethel dann leider die beinah ausweglose Situation, in die sein Kommissar schließlich gerät: Danowski wird verfolgt und gejagt, man will ihn ausschalten, doch daraus wird hier trotz der geschickt aufgebauten Spannung eine allzu komische Nummer- schade. Denn die vermeintliche Kreuzfahrer-Idylle als desillusionierende Szenerie mit spannendem Plot, faszinierenden Figuren und lässig-bissigen Dialogen hat Raether glänzend beschrieben.

Peter Münder

Till Raether: Treibland. Roman. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Polaris 2014. 495 Seiten. 14,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Mehr zum Autor.

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