Geschrieben am 6. Mai 2017 von für Bücher, Litmag, News

Tom Kummer: Nina & Tom

kummer_tom_ninaEin Buch mit Wucht und Pathos

– Der Journalist Tom Kummer ist eine Skandalfigur, seitdem sich im Jahr 2000 seine unter anderem in der Süddeutschen Zeitung erschienenen Interviews mit Hollywood-Stars als Fiktionen entpuppten. Nun legt der Schweizer Meister des Fakes, der sich selbst als „Borderline“-Journalist bezeichnet, einen beeindruckenden Roman über die Liebe seines Lebens vor. Von Karsten Herrmann

Kummers Protagonist Tom begegnet Nina zum ersten Mal im Herbst 1984 in einem Club in Barcelona: ein androgynes Fantasiewesen, eine „Symbolfigur der katalanischen Aufbruchstimmung“. Es entwickelt sich eine amor fou, eine obsessiv-exzessive Liebe, in der Nina, die sich beim Sex gerne würgen lässt und Leuten gerne vor den Kopf stößt, sich nur langsam öffnet. Tom lockt Nina kurze Zeit später in das von „Dandys und „genialen Dilettanten“ bevölkerte Berlin und seine Subkultur. Hier tauchen sie in eine Szene aus Musikern, anarchistischen Super-8-Filmern, „Underground-Queens und Koksdealer[n]“ ein und begegnen unter anderen auch Nick Cave und Nan Goldin.

Es ist eine hochkreative Zeit des Experimentierens, des Vermischens der Gattungen, des Kopierens und Sampelns, aus dem später auch die Fake-Interviews resultieren sollten. Es ist ein Leben auf der durch Speed und Koks befeuerten Überholspur, in dem Grenzen ausgelotet und Skandale provoziert werden.

Tom und Nina üben sich hier in der Kunst der Selbststilisierung und perfektionieren ihre „Blasiertheit als Paar“, als „Künstler ohne Werk“. Später, nach dem Fall der Mauer, geht Tom mit Nina dann als Reporter für „Tempo“ und andere deutsche Medien nach Los Angeles und sie bekommen dort ihre Söhne Henry und Jack. Und hier erkrankt Nina dann auch an Krebs. Tom pflegt sie zu Hause, erlebt den Schmerz und den Verfall seiner Frau, für die Fürsorglichkeit immer das letzte war, was sie haben wollte. Noch in den letzten Tagen beteuert Tom: „Ich bekomme nie genug davon, Nina anzusehen und zu bewundern“.

Tom Kummer erzählt seine Lebens- und Liebesgeschichte im Wechsel aus Gegenwart und Rückblenden. Mit seiner zupackenden Kurzsatz-Prosa gelingt ihm eine Mischung aus coolem „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“ und der erschütternden Beschreibung des Leidens und Sterbens seiner Frau. Ein Buch mit Wucht und Pathos, das den Leser unabhängig von Wahrheit oder Fiktion gebannt bis an das Ende trägt.

Karsten Herrmann

Tom Kummer: Nina & Tom. Blumenbar, 254 Seiten. 20,00 Euro

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