Geschrieben am 14. Dezember 2013 von für Bücher, Crimemag

Uta-Maria Heim: Wem sonst als Dir

Uta-Maria_Heim_Wem_sonst_als_DirZu karstiger Zeit

‒ Uta-Maria Heim ist schon immer eine glücklicherweise nicht ausrechenbare Autorin, komplex, spröde und konturiert. Das gilt auch für ihr neues Buch „Wem sonst als Dir“. Eine Rezension von Frank Rumpel.

„Wem sonst als Dir.“ ‒ so widmete Friedrich Hölderlin den Hyperion seiner heimlichen Geliebten Susette Gontard und so hat nun Uta-Maria Heim ihren neuen Roman betitelt. Hölderlin ist darin ein  wichtiger Bezugspunkt.

Heims Protagonist Christian Schöller war Gymnasiallehrer und schrieb nebenher, nachdem es mit einer Promotion nicht klappen wollte, an einem Roman über Hölderlin. Er lebte bei der Mutter. Seine Schwester Irene hatte sich nach dem Abitur der RAF angeschlossen und später in der DDR Selbstmord begangen. Als die Mutter eines Abends mit einem Küchenmesser erstochen wird, deuten alle Indizien auf Schöller als Täter, saß er doch mit ihr allein beim Kartoffelschälen in der Küche. Dennoch beteuerte er seine Unschuld.

Der junge Staatsanwalt Keller plädierte für 15 Jahre Haft. Die bekam Schöller auch. 1991 war das. Anschließend wurde er ins Psychiatrische Zentrum Freudenthal eingewiesen, eine einigermaßen fiktive Einrichtung nahe der ehemaligen Anstalt Grafeneck (in der Nähe des Gestüts Marbach auf der Schwäbischen Alb), in der die Nazis 1940 fast 11 000 Menschen mit Behinderungen ermordeten. Schöllers Mutter arbeitete seinerzeit in der Anstaltsküche, wollte von alldem aber nichts mitbekommen haben.

Der Staatsanwalt von damals ist mittlerweile Richter. Doch all die Jahre bedrängte ihn das Gefühl, womöglich zu einem Fehlurteil beigetragen zu haben. Nach 20 Jahren sucht er Schöller in der Anstalt auf und bittet ihn um Verzeihung. Für den ist das eine Art Zeichen zum Aufbruch. Zu Fuß macht sich Schöller auf den Weg über die Alb nach Tübingen, um ein paar Sachen zu klären. In Gedanken ist er ganz bei Hölderlin, dem er sich nahe fühlt.

„Grafeneck rutscht mir den Buckel runter, herzogliches Lustschloss und Hitlers KZ. Einen Bogen mach ich darum, breche auf in die entgegengesetzte Richtung. Am Nikolaus bin ich in Tübingen, am Turm. Ich werde verharren, von wo der Fritz zu karstiger Zeit aufgebrochen ist hinüber ins Innere und nimmer zurückkehrte als ein ganz Gebackener.“

Uta-Maria_HeimKomplex

Sämtliche Figuren in Uta-Maria Heims Roman tragen ein Geheimnis mit sich herum und sind so gar nicht mit sich im Reinen. Dadurch bleibt diese komplexe Geschichte, die da wie nebenbei (gerade auch in teils ziemlich üppigen Fußnoten) eine ganze Reihe von Themen, etwa den Umgang mit Schuld und mit unterschiedlichen Vorstellungen von Gerechtigkeit anreißt, bis zum Schluss überraschend. Und erst allmählich zeigen sich in der Geschichte einzelne Verknüpfungen, verdichten sich die Hinweise, dass Schöller seine Mutter vielleicht tatsächlich nicht umgebracht hat, dass überhaupt einiges nicht so ist, wie es zu sein scheint.

Die 1963 in Schramberg geborene Uta-Maria Heim hat eine sprachlich hoch konzentrierte und anspielungsreiche Geschichte geschrieben, ein auf ganzer Linie widerborstiges Heimatbuch, einen scharfsinnigen und mit bissigem Humor getränkten, einen klasse Roman.

Frank Rumpel

Uta-Maria Heim: Wem sonst als Dir. Roman. Klöpfer und Meyer 2013. 264 Seiten. 20 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Mehr über Uta-Maria Heim. Autorenporträt: © Foto: Robert Hak, Hak / Agentur für Kommunikation und Design, Rottweil.

Tags :