Nebel am Kinn
So gehen die einfachen Gleichungen ohne großes Von-der-Kanzel-Reden, auf die sich jeder einen Reim machen kann, die Hartz-Quattros ebenso wie die Mallorca-Flüchter. Von Tina Manske
Es gibt Bands, die bringen die eigene Stimmung ebensogut zur Geltung wie die der Gesellschaft – für Leute jedenfalls, die ein Ohr haben für sowas und nicht bösartig vorbeihören. So eine Band sind Ja, Panik aus dem Burgenland, jetzt ansässig in Wien. Wer sich von der Hamburger Schule entweder angewidert oder enttäuscht abgewendet hat (davon wird im Oktober noch zu reden sein), der hat eigentlich gar keine andere Wahl als sich begeistert diesen Österreichern zuzuwenden.
Nach „The Taste And The Money“ kommt jetzt „The Angst And The Money“. Die erste Single „Alles hin, hin, hin“ hat denn auch gleich den passenden Chorus zur kriselnden Wirtschaft: „Ohne Geld keine Angst, ohne Angst kein Geld, kein Geld ohne Angst“, so gehen die einfachen Gleichungen ohne großes Von-der-Kanzel-Reden, auf die sich jeder einen Reim machen kann, die Hartz-Quattros ebenso wie die Mallorca-Flüchter. Das Schöne dabei ist, dass sich die Band um Sänger, Gitarrist und Texter Andreas Spechtl (der mindestens ebenso Schriftsteller und Philosoph ist wie Musiker, siehe Cohen und Regener) niemals dem Massengeschmack andient, sondern ganz im Gegenteil die eigene Befindlichkeit nach draußen schreit – „Als habe ich…“ ist dabei ein großer Höhepunkt, bei dem im Refrain die Luft explodiert, dass sich die Haare aufstellen. Auch groß: wie dem Ich „der Nebel bis zum Kinn“ steht („Die Luft ist dünn“). Und? „Wer reißt jetzt hier noch was rum?“
Wer, wenn nicht Ja, Panik
Das Ganze erinnert mit seinem Gesang, mäandernd zwischen Deutsch und Englisch, an die neueren Einstürzenden Neubauten oder an Dirk von Lowtzows und Thies Mynthers Phantom/Ghost, dazu Gitarrenwände wie bei Pavement, großartige gechantete Refrains à la „Das wird bald alles uns gehören“ („Nevermore“, wo sich „gehören“ dementsprechend auch auf „Chören“ reimt).
Ja, Panik sind übrigens gerade begriffen im Umzug nach Berlin, wo sie sicherlich auch auf viele Gegebenheiten stoßen dürften, die ihnen Begriffe für neue Songs geben. Es fängt also gerade erst an. Keine Frage, dass diese Österreicher eine der ernstzunehmenden deutschsprachigen Bands sind. Es bleibt das Gefühl, dass man die immense Bedeutung von „The Angst And The Money“ erst in ein paar Jahren wird ermessen können – wenn sich der Staub des Zusammenbruchs gelegt hat und wir hoffentlich wieder klarer sehen.
Ja, Panik live
25.09.2009 Graz — Orpheum (Steirischer Herbst)
26.09.2009 Klagenfurt — Volkshaus
30.09.2009 Traun — Spinnerei
02.10.2009 Wien — Flex
03.10.2009 Weyer — Bertholdsaal
19.10.2009 Köln — Gebäude 9
20.10.2009 Heidelberg — Karlstorbahnhof
21.10.2009 Stuttgart — Schocken
22.10.2009 St.Gallen — Palace
23.10.2009 Trimmelkam — Sakog
24.10.2009 München — Muffatwerk (FM4-Fest)
25.10.2009 Neusiedl am See — Bergwerk
29.10.2009 Nürnberg — K4 Zentralcafé
30.10.2009 Leipzig — Ilses Erika
05.11.2009 Frankfurt — Mousonturm
06.11.2009 Jena — Kassablanca
28.11.2009 Berlin — Festsaal Kreuzberg
10.12.2009 Hamburg — Übel & Gefährlich
Tina Manske
Ja, Panik: The Angst And The Money. staatsakt (Vertrieb: Rough Trade).