Wird
sich der eigenwillige Ton der Prosa-Texte auf einen Theater-Text übertragen
lassen? Wird der Humor-Funke ebenfalls zünden? Dinevs "Haut und Himmel" ist
die erste Bühnenproduktion der "wiener wortstaetten". So nennt sich das 2005
von Hans Escher und Bernhard Studlar ins Leben gerufene interkulturelle
Autorentheaterprojekt, das die Auseinandersetzung und Vernetzung zwischen
Autoren fördern möchte. Ausgehend von in Wien lebenden, aus Osteuropa
stammenden Autoren soll sich, so ist die Idee, im Lauf der Jahre ein
internationales Netzwerk bilden, um einen Austausch zwischen den Kulturen
herzustellen und ein Zentrum für zeitgenössische europäische Dramatik in
Wien zu etablieren.
Dinev lässt sein Stück in
jenem Milieu der Kleinkriminellen und Kriegsversehrten spielen, in dem auch
seine Erzählungen angesiedelt sind. Der Schauplatz ist allerdings diesmal
nicht Wien, sondern ein Schlachtfeld oder Friedhof im ehemaligen
Jugoslawien, wo Krieg herrscht und eine Leichenfledderin
mit West-Träumen (Sonja Romei) und ein verletzter, desillusionierter Soldat
(Heinz Weichselbraun) aufeinander prallen. Die Begegnung verläuft ruppig,
zunächst spricht die Pumpgun. Erst allmählich entspinnt sich ein Gespräch
zwischen dem Soldaten und dem Mädchen. Es kommt zur beiderseitigen
Annäherung.
Der
gebürtige Bulgare Dinev hat selbst als junger Mann in der Armee dienen
müssen. Er hat nach seiner Flucht nach Österreich 1990 die verschiedensten
Berufe und Milieus kennen gelernt, Traiskirchen ebenso wie später die Welt
der Kulturschickeria. Vom Balkan und einem oral geprägten Erzählstil leben
seine Texte, deren Protagonisten vom milden Licht eines aus harter Erfahrung
entsprungenen Humors beschienen werden.
In "Haut und Himmel"
funktioniert dieser sympathetische Zugang zu den Figuren nicht, weil für die
Bühne der Erzähler der Story eliminiert wurde und Dinev keine Strategie
findet, dieses Manko auszugleichen. Eben dieser Erzähler mit seiner
lakonisch-liebevollen Distanz zu den Dingen und seinen mitunter herrlichen
platten Wortwitzen ist charakteristisch für Dinevs Prosa, er taucht das
Erzählte in ein magisches Licht, das den fragwürdigen, durch ihr Schicksal
geprüften Gestalten Wert und Wertschätzung verleiht.
In "Haut und Himmel" ist
das Magische verschwunden, die bekannten Themen und Motive wirken auf die
Bühne gebracht – und nicht durch einen Erzähler vermittelt – unangenehm
platt. Die Exotik ist eine aufgesetzte, durch Verkleidung erkämpfte, und
keine, die direkt aus den Worten spricht.
Kostümbildner
Renato Uz lässt den verletzten, mit Hunderten Tattoos übersäten Soldaten in
einem zerschlissenen Brautkleid und Pumpgun in der Hand auftreten. Ein
starkes Bild, das aber nicht näher motiviert ist. Am ehesten vermittelt sich
die Exotik in Koloman Polaks Musik, wo flirrende Pianoklänge mondene
Mystik über den Leichenplatz ausschütten. Die zurückhaltende Regie (Hans
Escher; Bühne: Erich Sprenger) arbeitet filmisch mit schwarzen Abblenden, um
das Vergehen der Zeit zu signalisieren.
Wie der Stücktitel nahe
legt, ist die Haut darin ein entscheidendes Requisit: Der Soldat ist eine
wandelnde Litfasssäule. Seine Haut ist der Spiegel seiner Seele, Topografie
seiner Wünsche und Begierden: Auf seinem Rücken finden sich die
Freiheitsstatue und ein Paradies ohne Menschen, auf seinem Allerwertesten
Engel mit Flügeln, die in besonderen Momenten zu schlagen beginnen, auf
seiner Brust die Namen der Verflossenen. "Was dich glücklich macht, kommt
von Außen", meint er; die Haut ist die Grenze zum faulenden Unrat im
Körperinnern.
Warum
das Publikum so begeistert klatschte, blieb ein Rätsel. Abgesehen vom Ende,
wo ein herrenloser Soldat (Sebastian Wendelin) hinzutritt, der sich durch
die nackten Brüste der Frau – auch im wörtlichen Sinne – entwaffnen lässt,
plätschert das Stück fade dahin. Das Geschlechterbild, das vermittelt wird,
ist im Wesentlichen aus Dinevs Prosa bekannt: die Frau hart und gewieft,
aber für Gefühle zugänglich. Soll es das gewesen sein? Die Männer gelingen
Dinev deutlich besser; auch in seinen Erzählungen sind sie ja die
Hauptfiguren.
Ein schwacher
Theaterabend. Die Farce "Austria goes to Ausland" des 1965 in Ex-Jugoslawien
geborenen Laslo Vince, die ebenfalls im Rahmen der "wiener
wortstaetten" entstanden ist und Themen wie Migration, Terrorismus und
Überwachung verhandelt, hätte eine solch große Bühnenproduktion viel eher
verdient.