Als 1787 sein Essay „James Cook, der Entdecker“ publiziert wurde, war der Naturforscher und Ethnologe Georg Forster (1754-1794) kein Unbekannter mehr, sondern Professor an der Universität von Wilna. Kein Deutscher hatte bisher mehr von der Welt gesehen: Zusammen mit seinem Vater Johann Reinhold Forster (1729-1789) begleitete er als junger Mann die zweite Cook’sche Weltumseglung (1772-1775). Die Reise führte zunächst in den Südatlantik, dann durch den Indischen Ozean und über antarktische Gewässer in den Südpazifik und zu den Inseln Polynesiens. Cook und seine Mannschaft erkundeten Neuseeland, die Tonga-Inseln, Tahiti und drangen weiter in den Süden vor als jemals Menschen zuvor.
1777 erschien Georg Forsters Bericht „Reise um die Welt“, eine brillante Chronik der zweiten Cook’schen Entdeckungsfahrt. In ihr erzählt der 22-Jährige nicht nur von Abenteuern, fremden Welten und unbekannten Wesen, sondern reflektiert das Erlebte anhand der aufklärerischen Ideen seiner Zeit. 13 Jahre nach seiner „Reise um die Welt“ und acht Jahre nach dem gewaltsamen Tod Cooks in der Kealakekua Bay auf Hawaii (1779) errichtete Georg Forster seinem damaligen Kapitän ein Denkmal. In seinem Essay „James Cook, der Entdecker“ würdigt Forster die Taten und Ideen des großen Weltumseglers, Forschers und Ingenieurs. Er lobt Cook als logistischen Planer, charismatische Führerpersönlichkeit, als Naturwissenschaftler, Erfinder — und als vorbildhaften Menschen.
Der Forster’sche Essay ist jetzt zusammen mit den 1781 erstmals im „Göttingischen Magazin“ veröffentlichten „Fragmente[n] über Capitain Cooks letzte Reise und sein Ende“ im Eichborn Verlag neu erschienen. Beigefügt sind acht der bislang unbekannten Farbtafeln von Forsters eigener Hand, auf die der Herausgeber Frank Vorpahl erst kürzlich bei Recherchen im australischen Sydney stieß. Der vorliegende Band ergänzt die 2007 bei Eichborn neu aufgelegte „Reise um die Welt“. Sie liefert nicht nur eine Charakterisierung des britischen Seefahrers und Entdeckers, sondern zieht, wie Klaus-Georg Popp, der Mitherausgeber von Forsters Werken im Berliner Akademie-Verlag, einmal schrieb, eine insgesamt gültige Bilanz seiner Leistungen.
„Als vierzigjähriger Leutnant brach er [James Cook] 1768 zum ersten Mal auf, die Welt zu umrunden – ins Blaue hinein, denn ein Drittel des Globus war damals noch nicht kartiert“, schreibt Frank Vorpahl in seinem Nachwort. „Keine zwölf Jahre später war der Pazifische Ozean dank der drei Cookschen Expeditionen von der Beringstraße bis zum Südpol, von Alaska bis Tasmanien in seinen wesentlichen Konturen erfasst.“ James Cook zeichnete weite Teile der Weltkarte neu und so exakt wie niemand vor ihm. Er drang vor bis an den Rand des antarktischen Eises, machte das Navigieren zum Allgemeingut und widerlegte die Existenz der Terra australis incognita, des seit der Antike postulierten großen Südkontinents.
James Cook, der Mann aus Marton, Yorkshire, war ein Genie der praktischen Vernunft und Lernfähigkeit: Er entwickelte Naturheilmittel gegen den auf Seefahrten gefürchteten Scharbock (Skorbut). Er entdeckte, dass sich Fleisch auch in den Tropen durch Salz konservieren ließ, fand heraus, dass sich aus im Meer schwimmendem Eis Süßwasser gewinnen ließ und führte an Bord eine achtstündige Schiffswache im Dreischicht-System ein. Cooks Ende in der Kealakekua Bay ist insofern tragisch, als der britische Kapitän als besonnen und diplomatisch galt. Laut Forster war Cooks vielleicht größter Verdienst die Vermeidung von ungerechtfertigter Härte gegenüber Einheimischen, ja die Herstellung oft friedlicher und freundschaftlicher Kontakte.
Georg Forster und James Cook, was sie eint, ist nicht nur der Aufstieg aus den ärmlichen Bedingungen ihrer Kindheit, sondern der Glaube an den Fortschritt, an die Ideale der Vernunft und Aufklärung. „Was mir die Arbeit einzig angenehm machte, war die Gelegenheit, meine Philosophie auszukramen“, zitiert Franz Vorpahl eine Äußerung Forsters seinen Cook-Essay betreffend. Die Erweiterung menschlicher Kenntnisse, die Neugier als Motivation für Erfahrung und deren Umsetzung in Wissen – für Forster sind sie nicht Selbstzweck, sondern Voraussetzung praktischen Nutzens für das gesamte Menschengeschlecht. Forsters Überzeugung führte ihn bekanntlich in Jakobinerkreise und in die Politik, an die Spitze der Mainzer Republik und als Abgeordneter des Nationalkonvents ins revolutionäre Paris, wo er 1794, noch nicht einmal vierzigjährig, starb.
Die seit eigenen Jahren anhaltende Wiederentdeckung Georg Forsters als Reiseschriftsteller und Essayist verdankt sich weniger seiner „Philosophie“, sondern vorrangig der Unmittelbarkeit und Klarheit seiner Sprache. Forsters Biograf Klaus Harpprecht vermerkte einmal, „dass Georg Forster das modernste Deutsch vor Heinrich Heine zu schreiben vermochte.“ Nachzulesen ist dies mit Genuss und Gewinn in der vorliegenden Eichborn-Ausgabe der Forster’schen Aufsätze zu James Cook: „Wer einen Blick auf die Charte wirft, und die Veränderungen in der Erdkunde bemerkt, die Eines Mannes Forschbegier bewirkte, wird der noch einen Augenblick zweifeln, dass unser Jahrhundert sich in seiner Größe mit jedem Zeitalter messen darf?“
Literaturangaben:
FORSTER, GEORG: James Cook, der Entdecker. Und Fragmente über Capitain Cooks letzte Reise und sein Ende. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Frank Vorpahl sowie mit acht Farbtafeln von Forsters eigener Hand. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2008. 173 S., 24,95 €.
Verlag
Mehr von „BLK“-Autorin Monika Thees