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Anekdote 80

WO ZUM KUCKUCK SIND DIE PALMEN?

Thomas Fitzner
Kurzgeschichtenband / Aknedoten

Fabylon

Taschenbuch, 232 Seiten
ISBN: 978-3-943570-85

Apr. 2017, 14.90 EUR
Bestellen: Jetzt bestellen / auch als eBook erhältlich

Mallorcas erste Brustoperation
... oder: Die Sphinxe auf dem Borne waren ursprünglich noch sexyer

Palmas Prachtmeile Paseo del Borne hat eine schmutzige Vergangenheit: Staubwüste im Sommer, Schlammpfuhl im Winter. Die Häuser zeigten diesem Schandfleck der Stadt ihr Hinterteil, selbst das prächtige Casal Solleric, das zum Borne hin so dekorativ wirkt – der wahre Haupteingang lag, wie die Ausrichtung der imperialen Treppe beweist, in der Nebengasse Sant Gaietá (siehe auch Anekdote 76).
Doch Anfang des 19. Jahrhunderts schritt das Rathaus energisch zur Tat. Eine Pappelallee wurde gepflanzt, und mit Steinklötzen des alten Inquisitionskerkers wurde die Kloake zum »Salón de la Princesa« umgestaltet. Diesen lyrischen Namen verdankte der Borne einem Ereignis, das auch Mallorca in Aufregung versetzte: die Anerkennung der Prinzessin Isabel als Thronerbin im Jahr 1833.
Um die Pracht komplett zu machen, musste neoklassizistisches Dekor her. Ein Bildhauer namens Jacint Mateu wurde beauftragt, den »Salón« mit vier Sphinxen zu verschönern, ägyptisch inspirierte Mischwesen mit Löwenkörper und Damenkopf. Plus Busen. Die Aktion war ein Erfolg und der Borne wurde dermaßen populär, dass er sogar das Arsenal volkstümlicher Sprichwörter bereicherte. Einer dieser Sprüche bezieht sich auf Mateus Sphinxe. »Vés a palpar les lleones« (»Geh die Löwinnen betatschen«) sagt man auf Mallorca zu jemandem, der ein Mädchen belästigt, oder auch zu einem Zeitgenossen, der auf die Nerven geht. Sinngemäß übersetzt bedeutet es: »Geh hin, wo der Pfeffer wächst«.
Der Spruch weist auf eine Eigenschaft der Mateu-Sphinxe hin, die seit ihrer Aufstellung im Jahr 1833 die Fantasie der Inselbewohner erregt: ihre enormen Brüste. Neuerlich sei in Erinnerung gerufen, dass noch bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts Männer und Frauen am Strand von Palma in getrennten Badeanstalten plantschten, dass Inselgesellschaften, und katholische dazu, generell einer restriktiven Sexualmoral frönten. Was unter dem Deckmantel klassizistischer Kunst den vornehmen Borne flankierte, war nach damaligem Maßstab nachgerade pornografisch.
Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, dass das reizvollere Vorderteil der vier Sphinxe zur Mitte des Prachtboulevards ausgerichtet ist. Als der Borne geplant wurde, stellte sich die Stadtverwaltung allen Ernstes vor, dass dort, auf der zentralen Flaniermeile, nur hochgestelltes Volk promenieren dürfe, während auf dem einen Seitenweg die Alten und auf dem anderen die Armen dahinschlurfen und sich quasi mit den Hinterteilen der Mythengestalten begnügen sollten. Nur Angehörige der Oberschicht hätten demnach Blick auf die Brüste gehabt.
Ob die hierarchische Organisation des Fußgängerstroms an dieser schreienden Benachteiligung gescheitert ist, bleibt dahingestellt. Aber ein dermaßen diszipliniertes und sortiertes Herumschlendern kann man sich auf einer mediterranen Insel ohnehin nur schwer vorstellen, Sphinxe hin, Brüste her.
Nur dreißig Jahre lang konnte sich die Fantasie der Borne-Schlenderer an den drallen Sphinxen weiden. Als die Prachtallee 1863 verlängert wurde, verschwanden die Skulpturen im städtischen Lager, wo sie dem Äquivalent einer Brustchirurgie unterzogen wurden, nur dass der Zweck der genau entgegengesetzte war: Die erregenden Körperteile wurden auf Befehl von oben verkleinert.
Drei Jahrzehnte vergingen, bevor die Skulpturen auf ihre Podeste zurückkehrten. Das ist deshalb verdächtig, weil die zweite Reform des Borne wegen ihrer Schnelligkeit ein neues Sprichwort inspirierte: »S’Alcalde Billón, que ab un vespre ha allargat es Born« (Bürgermeister Billón hat an einem Nachmittag den Borne verlängert). Mittlerweile hatte die Neuzeit Einzug gehalten: 1859 wurden rund um die noch leeren Podeste Palmas erste Gaslaternen entzündet. Die Borne-Löwinnen hingegen entzünden weiterhin die Fantasie und wecken Begehrlichkeiten. Von den vier Skulpturen aus dem 19. Jahrhundert stehen heute nur noch zwei an ihrem Platz. Die anderen beiden Mateu-Originale wurden an eine Privatperson verkauft und durch Kopien ersetzt.

©Fitzner
©Fitzner

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