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Anekdote 99

WO ZUM KUCKUCK SIND DIE PALMEN?

Thomas Fitzner
Kurzgeschichtenband / Aknedoten

Fabylon

Taschenbuch, 232 Seiten
ISBN: 978-3-943570-85

Apr. 2017, 14.90 EUR
Bestellen: Jetzt bestellen / auch als eBook erhältlich

Hurra, die Post!
... oder: Eine spanische Institution pflegt ihre Corporate Identity mit eiserner Konsequenz

Nein, nicht schon wieder eine Zote über die spanische Post! Wie lange die Briefe brauchen, wenn sie überhaupt ankommen, und derlei üble Verleumdungen. Aber manchmal passiert es halt wirklich. Darum folgt der hier erzählten Anekdote der Bericht über ein Experiment und die wunderliche Reaktion von »Correos de España«, sowie ein Ausflug in die hohe Mallorca-Literatur – auch dort ist von der Post die Rede.
Aber zunächst das Gegenwartsgeschehen: In Costa d’en Blanes wunderten sich mehrere deutsche Familien darüber, dass vor allem Post, die Verwandte und Freunde zu besonderen Anlässen aus Deutschland nach Mallorca geschickt hatten, bei ihnen nicht ankam. Eines Morgens im September 2013 beobachtete eine Frau aus dem Bekanntenkreis einen Postboten dabei, wie der eine Menge Briefe in Mülltonnen entsorgte. Sie alarmierte ihre Nachbarin und mit Hilfe von deren elfjährigem Sohn bargen sie einen gewaltigen Haufen zerrissener Briefe. Auffälligerweise waren alle Sendungen an Deutsche, Briten und andere Ausländer adressiert. Daraufhin organisierten die empörten Familien eine Überwachungsoperation. Und tatsächlich konnten sie in den folgenden beiden Wochen wiederholt sehen, wie der Postbote zerrissene Briefe wegschmiss. Jedesmal holten die Deutschen die Post wieder aus dem Müll. Gemeinsam mit einem heimlich geschossenen Beweisfoto – zu sehen ist der Postbote auf seinem gelben Moped, wie er gerade hinter einem Müllcontainer davonbraust – gaben sie die gesammelte, mühsam mit Tesafilm rekonstruierte Post bei der Polizei ab und erstatteten Anzeige.
Es geschah – nichts.
Zwei Wochen lang machte der Postbote weiter, als wäre nichts geschehen, weil offenbar wirklich nichts geschehen war. Erst eine erzürnte Vorsprache bei der Ausländerbeauftragten der Gemeinde Calvià brachte den Stein ins Rollen. Angeblich, wurden die Klageführer informiert, sei der ertappte Postbote umgehend vom Dienst suspendiert worden.
Die betroffenen Familien vermuten, dass der Mann in den Auslandsbriefen zu besonderen Anlässen Geld oder wertvolle Objekte vermutet hatte. Einmal geöffnet, musste er sie verschwinden lassen.
Kurioserweise hatte die Mallorca Zeitung etwas mehr als ein Jahr zuvor einen Post-Test durchgeführt, um zu prüfen, ob das in Residentenkreisen oft kolportierte Vorurteil vom unzuverlässigen Service von »Correos de España« denn wirklich stimmte. Am selben Tag wurden im Hauptpostamt von Palma 20 Briefe aufgegeben; zehn waren an verschiedene Orte in Deutschland adressiert, die anderen zehn an verschiedene Dörfer der Insel.
Das Ergebnis (die Entfernungen sind jeweils in Luftlinie angegeben): Die Briefe nach Manacor (47,27 km), Calvià (12,5 km), Pollença (46,49 km) und eine Adresse in Palma kamen nach vier Tagen an. Am längsten dauerten die Briefe an die Dörfer Lloret de Vistalegre (28,33 km) und Bunyola (14,75 km): acht Tage.
Die nach Deutschland verschickten Briefe kamen nach fünf bis sechs Tagen an, ein Brief erreichte Leipzig erst nach zwölf Tagen.
Nun begann der lustige Teil: Reaktionen. Die Mallorca Zeitung bat die spanische Post, das Ergebnis zu kommentieren, und dort brauchte man genauso lange wie ein Brief nach Bunyola, nämlich acht Tage, bis ein Sprecher des staatlichen Unternehmens zu Protokoll gab, eine dermaßen müde Zustellung müssten wohl alles Ausnahmefälle sein, denn normalerweise kämen Postsendungen am folgenden Tag an. Im Fall der Schneckenpost nach Deutschland schoben sich die beiden Postdienste gegenseitig die Verantwortung zu. Ob die Wahrheit in der Mitte liegt – diese Frage lassen Sie sich am besten von einem Mallorca-Residenten Ihres Vertrauens beantworten.
Zu diesem Thema zwei Anekdoten, die Albert Vigoleis Thelen in seinem Mallorca-Roman »Die Insel des zweiten Gesichts« erzählt, der in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts angesiedelt ist. Die erste handelt von einem Postamtsbesuch des Romanhelden, der seit langem auf eine Geldanweisung eines Verlags wartete und nicht nur finanziell, sondern auch moralisch so weit am Ende war, dass er gemeinsam mit seiner Gefährtin sogar einen – wenn auch halbherzigen – Selbstmordversuch unternahm. Er suchte also dasselbe Postamt auf, in dem die Mallorca Zeitung 70 Jahre später den geschilderten Test durchführen sollte, und bedrängte den Postbeamten so lange, bis dieser sein Kreuzworträtsel unterbrach und dem Drängenden einen Stapel Post hinschob, er möge doch bitte selber schauen, ob etwas dabei sei. Tatsächlich fand Vigoleis nach kurzem Stöbern den ersehnten Brief mit der Geldanweisung, aber darüber hinaus auch noch ältere Briefe, die nie zugestellt worden waren. Die Freudebekundungen machten den Postbeamten aufmerksam und dieser unterbrach neuerlich sein Kreuzworträtsel, holte einen weiteren Stoß alter Post und schlug Vigoleis allen Ernstes vor, den ebenfalls durchzustöbern und eventuell Leuten, die er kannte, die Briefe mitzubringen. Ein frühes Beispiel von modernem Management, heute nennt man das »Outsourcing«.
Zwar handelt es sich um einen Roman, noch dazu einen Schelmenroman (einen der besten der deutschen Literatur), doch die Forschung rund um dieses Meisterwerk hat die Authentizität etlicher Figuren und Anekdoten nachweisen können. In diesem Fall können wir davon ausgehen, dass Thelen sich die Anekdote nicht zur Gänze aus den Fingern gesogen hat, ebensowenig wie die von dem Postboten in Valldemossa, der Analphabet war und sich vom Postamtsleiter jeden Morgen die Adressen vorlesen lassen musste und sich beim Austragen kein einziges Mal irrte.
Viel genauer, weil filmisch dokumentiert, ist die tägliche Runde des Postboten desselben Tramuntana-Dorfes im 2010 uraufgeführten Dokumentarfilm »Valldemossa – die schönste Idylle der Welt«, ein trotz des kitschigen Titels ausnehmend kunstvolles Ortsporträt des deutschen Regisseurs Alix François Meier: Er begleitete den urigen Sebastià Morey, wie der den Valldemossins ohne Anklopfen die Briefe bis in die Küche bringt und bei der Gelegenheit auch gleich in die Töpfe schaut.
Sie scheinen etwas Besonderes zu sein, die Postboten von Valldemossa. Auf die anderen sollte das Effizienzmanagement gelegentlich ein Auge werfen.
Apropos besonders: Wenn einerseits Briefe und Pakete nie ankommen, erhält der staunende Bürger zuweilen Dinge, die nie abgesendet worden sind. So ging es dem deutschen Künstler Norbert Graubner – Künstlername »Bombolo« –, dem eines Tages der Postbote einen Schweinsschädel mitbrachte, einfach so, als persönliches Mitbringsel, weil der Mallorquiner meinte, ein seltsamer Ausländer könne damit etwas anfangen. Bombolo stellte in der Folge fest, dass es sich um den Schädelknochen eines chinesischen Schweins handelte, und machte das mysteriöse Mitbringsel zum Herzstück einer Skulptur.

©Fitzner
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