Aus dem Reisetagebuch: Nachdem wir zwei schier unendlich lange Wochen quer durch die Serra da Estrela in Portugal gekrochen sind und in einer im wahrsten Sinne des Wortes zwoelfstuendigen Nacht-und-Nebelaktion die Strecke von Coimbra nach Gig-da nach Foz bewaeltigt hatten, lag er morgens um sieben Uhr vor uns – der Atlantik. weiterlesen »
Muenchen 1979: meine ersten Gedichte entstehen im Umkreis von Freunden. Man traegt gegenseitig vor, streitet naechtelang und geht gemeinsam auf Reisen. Am Bodensee uebersetze ich einige Gedichte aus >Mohn und Gedaechtnis< ins Tuerkische, jene Sprache, die niemand in meinem Umfeld versteht. Paul Celan auf Tuerkisch wird ein staendiger Begleiter in den naechsten Jahren. Celans Sprache oeffnet der deutschen Sprache ein neues Tor, das in der Naehe meiner phantasierten Heimat liegt. Dort ist niemand mehr Zuhause. Ich moechte meine Freunde dorthin einladen, damit sie mich besser verstehen. Ich gebe diese Idee schnell wieder auf. Jeder soll seine Heimat fuer sich behalten. Sie ist wie eine Geliebte. weiterlesen »
Das Radio brach durch einen Unfall in mein Leben. Es war kein eigener Unfall, aber ein nahegehender, denn ein nahestehender Verwandter brach sich beim freien Fall von der Leiter fernab seiner gefuehlten Berliner Heimat beide Fuesse. So lag er Wochen ans Bett gefesselt und tat zwangsweise vor allem eines: Zuhoeren. Er hoerte Radio. Tagein, tagaus. Nachrichten, Dokumentationen, Features, Berichte, Diskussionen, Interviews. Sprachprogramm
koennte man es zusammenfassen. Hunderte Stunden Worte, die durch eine klaeglich kleine Box schallten und durchs Ohr ihren Weg sich bahnten. Nachhaltig. weiterlesen »
Die Pause ist zu Ende, das Publikum begibt sich in den Saal, um den zweiten Akt zu sehen. Ploetzlich aber kommt der Intendant auf die Buehne. Ich komme mir gerade ziemlich bloed vor
, sagt er nach einigen Minuten Ansprache. Das ist ueberhaupt nicht witzig
, ruft eine sichtlich erregte Besucherin. Wollen Sie sicher nach Hause kommen, sollten Sie vielleicht jetzt gehen. Was spaeter ist, kann ich nicht garantieren. Ich telefoniere alle 15 Minuten mit dem Polizeipraesidium und halte Sie auf dem Laufenden.
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Mein Interesse an der Globalisierung hat viel mit Internationalismus und Anti-Imperialismus zu tun, sprich: mit der Moeglichkeit die globale Arbeiterklasse gegen die kapitalistische Ausbeutung zu vereinigen, besonders jetzt in der neo-liberalen Aera. Das globale Projekt ist per se ein internationalistisches Projekt, eines, das auf jene Bemuehungen vergangener Zeiten zurueckblickt, Einheit zwischen den Unterdrueckten auf der ganzen Welt herzustellen. Eine wahre globale Einheit kann am effektivsten dadurch erzielt werden, dass auf internationaler Ebene eine Einheit der Arbeiterklasse gestiftet wird. Derzeit befinden wir uns in einer neuen Phase dieses historischen Projekts. weiterlesen »
Ehrlich gesagt weiss ich gar nicht mehr, wie alles angefangen hat. Ich kann mich nicht genau erinnern, was das erste Theaterstueck war, das ich jemals gesehen habe. Es muss in meiner Heimatstadt Little Rock gewesen sein. Wahrscheinlich hat ein Freund mitgespielt und ich war deswegen dort. Meine erste richtige Erinnerung ans Theater ist eine Inszenierung von Yasmina Rezas Art
. Ich fand das Stueck so ungeheuer clever, und ich war richtig eifersuechtig, dass sie so eine grossartige Kuenstlerin ist. Von da an sah ich mir jedes Stueck an, das ich mir leisten konnte. Und innerhalb eines Jahres war ich auf einmal selbst dabei Regie zu fuehren, bei einem Stueck von Samuel Beckett. weiterlesen »
Ich versuche die meisten Strecken in Berlin mit dem Fahrrad zurueckzulegen. Bei Freunden die im B-Bereich wohnen, gestaltet sich das ziemlich schwierig und ich greife auf den oeffentlichen Nahverkehr zurueck. Lange Warte- und fahrzeiten zwingen mich dann oft dazu ein Buch zu lesen und wenn mal keines zur Hand ist, muss eben die Reklame von gegenueber herhalten. Als ich neulich beim Zahnarzt war, musste ich auch mal wieder in alten Zeitschriften lesen. Echt aergerlich wenn man endlich einen interessaten Artikel gefunden hat, und dann unterbrochen wird, weil die Sitzung beginnt. weiterlesen »
Ein Abend in Berlin. Alte Freunde aus Kinder- und Jugendtagen sehen sich wieder. Der Erzaehler nimmt uns mit auf eine semifiktive Reise. Es geht quer durch die Republik: zu alten Verwandten im Harz, zu der Familie in Berlin, zu dem Oststammtisch der Jugendfreunde in Frankfurt am Main oder zu dem ehemaligen Insolvenzverwalter der Interflug. Ueber die Wahrnehmung der Einwohner von Wolkenstein im Harz erfaehrt man, dass Berlin immer noch 57 und fuenf Achtel Wegstunden von Wolkenstein entfernt zu sein scheint.
– die Globalisierung ist an vielen Buergern der ehemaligen DDR einfach vorbeigegangen. weiterlesen »
Wuerden Sie mir die Liebe tun und ein Auge darauf werfen?
fragt eine Figur im schwarzen Anzug, mit blassem Schnurrbart und strengem Scheitel, irgendwo zwischen Chaplin und Beerdigung. Sie ist gerade durch die Tuer des eisernen Vorhangs geschluepft und haelt vor sich ein sorgsam zusammengelegtes Kleiderbuendel. Ein sonderbarer Straefling eroeffnet einen Theaterabend zwischen Clownsnummer und Seiltanz, gleich schmatzt, singt, klopft er den beruehmtesten Romanbeginn der deutschsprachigen Literatur ins Mikro: weiterlesen »
Einsamkeit hat meine Phantasie schon immer mehr erregt als jede Art von Gemeinsamkeit. Vielleicht, weil man das Gemeinsame so wenig spuert wie den Koerper, in dem man gefangen ist. Gemeinsamkeit ist langweilig, sie schmeckt nach Unifizierung. In der medialen OEffentlichkeit gibt es so viel Gemeinsamkeit, dass einem uebel wird. Wenn man nach zwei Wochen Rueckzug aufs polnische Land nach Berlin zurueckkommt, fuehlt man sich von den Statements in TV und Radio niedergebruellt. Zu jeder Stunde auf allen Radiosendern die gleichen gestanzten Meldungen. Auch wenn das gar nicht versuchter Manipulation, sondern oekonomischer Ratio geschuldet ist (welcher Sender kann sich noch eine vollwertige Nachrichtenredaktion leisten?), fuehlt man sich dennoch ein bisschen wie in Orwells Staat. weiterlesen »
Was passiert, wenn der Hunger auf Geschriebenes sich von gedruckten Erzeugnissen wie Büchern, Zeitungen, Magazinen und Comics löst? Und im Zuge dessen unstillbar wird? Susanne Lederle weiß davon zu berichten. weiterlesen »
Vor exakt 15 Jahren brachte das Magazin TIME eine Sonder- ausgabe mit diesem Cover: The New Face of America: How Immigrants Are Shaping the World’s First Multicultural Society
. Neben dem Gesicht steht folgendes – ich uebersetzte das gleich: weiterlesen »