Fix Zone

Fallisch

Redaktion: 

Ruben Pfizenmaier  bespricht aktuell auf kult online den ersten Band einer neuen Reihe namens „Zwiegespräche“ beim Kulturverlag Kadmos:

 „Ein ganzes Buch, das sich aus kulturwissenschaftlicher Sicht dem Fallen widmet, setzt sich einem gewissen Erklärungsdruck aus. Entsprechend beginnen Gerling und Goppelsröder im Vorwort auf großer Bühne und mit Verweis auf den exemplarischen Fall des Abendlandes: den Sündenfall, Sturz des Menschen aus der Unschuld. Der Mensch ist Mensch, weil er stürzen kann. Eröffnet wird das Gespräch dann von Winfried Gerling, Professor für Konzeption und Ästhetik der Neuen Medien in Potsdam, mit jener Fotografie, die auch das Cover des Buches zeigt: Der Air Force-Pilot Joseph Kittinger sprang am 16. August 1960 mit einem Fallschirm aus 31.300 Metern Höhe auf die Erde. Der Fall dauerte 4 Minuten und 36 Sekunden, die Maximalgeschwindigkeit lag bei 988 km/h. Wahrzunehmen war diese Geschwindigkeit jedoch kaum: mangelnder Luftwiderstand, fehlende perspektivische Referenz und keine Bezugsgrößen. …“

Schließlich „… übernimmt Fabian Goppelsröder, Philosoph und Literaturwissenschaftler, und lotet die Ambivalenz von Fall und Aufstieg, das Fallen als ständige Antithese zum Aufsteigen, aus. Jede Möglichkeit ist nur Möglichkeit, wenn sie auch die Gefahr des Scheiterns mit sich führt. „Nur mit der Schwerkraft lässt sich tanzen.“ (S. 17). Kleist folgt auf Wittgenstein, Blanchot auf Kleist und parallel zu den Gedanken Gerlings, deren Wegmarken Gemälde und Fotografien sind, spannt Goppelsröder ein Netz an Textverweisen. Bei Wittgenstein wird der Fall als „Stellung der Dinge zueinander“ (S. 18) in den Blick genommen und wird zur Grundlage eines ganzen Modus des Philosophierens; bei Kleist ist der Lesende Zeuge des Strauchelns und Stürzens der Protagonist_innen – Kunst, Erkenntnis und Religion werden einer unhintergehbaren Gravitation ausgesetzt. Kleist selbst zog Trost aus einem ganz eigentümlichen Bild, niedergeschrieben in einem Liebesbrief: Die Steine eines Gewölbes, die gerade an ihrem Platz bleiben, weil sie alle zugleich einstürzen wollen.“

Zur Lektüre empfohlen:
Winfried Gerling, Fabian Goppelsröder: Was der Fall ist ... Prekäre Choreographien. Kulturverlag Kadmos, 2017.

 

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