Ein Nudelholz und die Banalität des Bösen von Christiane Nitsche Die ersten drei Sätze setzen den Ton. Sie entscheiden darüber, ob ich lese oder nicht. Der vierte Satz in „Der Widersacher“ lautet: „Nie wird er den Anblick der grauen, versiegelten Plastiksäcke vergessen, in die man die Kinder gesteckt hatte.“ Der Impuls, der instinktiv sagt: Schluss. Stopp. Tote Kinder. Ich will das nicht; der Impuls, er kommt zu spät. Ich bin da bereits gefangen in einer der monströsesten Kriminalgeschichten des ausgehenden 20. Jahrhunderts – einer wahren Geschichte, wohlgemerkt. Ihr Protagonist: Jean-Claude
Read More Die Hand meiner Mutter Von Christiane Nitsche Es gibt Sprachbilder, die mich zur Verzweiflung bringen. Der Schicksalsschlag als „schwere Prüfung“, zum Beispiel – den Tod eines geliebten Menschen mit einer Stunde Schwitzen unter den strengen Blicken des Fahrlehrers zu vergleichen, das will mir bis heute nicht gelingen. Fakt ist: Der Tag, an dem ich meiner Mutter die Hand hielt, während sie schmerzhaft langsam in den Tod hinüberging, war einer der härtesten meines Lebens. Einer, unter dessen Last man in die Knie gehen kann. Und das nicht nur bildlich. Es gibt
Read More Posted On Juni 1, 2016By Christiane NitscheIn Musikmag
Die Generalprobe Im Himmel wartet eine Superband auf ihn: Lemmy Kilmister, David Bowie und Prince sind schon da. „So ungefähr in 30 Jahren“ will Udo Lindenberg einsteigen und mitrocken. Vorher aber geht der just 70 Jahre jung gewordene Altrocker auf Tour. So lud er rund 5000 auserwählte Gäste zur Generalprobe seiner „Keine Panik!“-Tour 2016 in die Veltins Arena ein. Von Christiane Nitsche Es wird eine Art Geburtstagsparty 2.0: Mehrere Hundertschaften aus Lindenbergs Geburtsstadt Gronau sind in Bussen angereist. Hier treffen sich ehemalige Klassenkameraden mit Jugendfreunden, Rockliner-Veteranen, „Gronauten“ und Förderer, aber auch
Read More Posted On Juni 1, 2016By Christiane NitscheIn Musikmag
Gronau-Nachlese Manchmal tut es weh. Nicht nur die Ohren bekommen bei Sophie Hunger ihr Fett weg – auch fürs Auge ist das durchaus anstrengend, was die Schweizerin und ihre Band dem Publikum abverlangen. Stroboskopartiges Lichtgewitter, gleißendes Scheinwerferlicht und tiefe Schatten strafen im Verlauf des Abends die feenhaft anmutende Erscheinung Lügen, die da mit der Akustikgitarre das Programm eröffnet. Von Christiane Nitsche Sophie Hunger ist eine Erscheinung wie ein Einhorn, eine Ausnahme in der Musikszene – eine, die in Wort und Ton Genregrenzen nicht kennt, die sich dem Mainstream so leise
Read More Die wirklich wahren Stimmen – Das 27. Internationale Jazzfest Gronau. Ein Bericht von Christiane Nitsche. Wenn das mal kein Line-up war: Gregory Porter, Randy Crawford, Maceo Parker, Cécile Verny, Brenda Boykin, Stefanie Heinzmann, Flo Mega und Anja Lücking (um jetzt nur ein paar herauszugreifen). In einem zehntägigen Konzertmarathon. In einem Atemzug. Geht das? Geht das gut? Jazzgrößen von Weltformat, Legenden der Musikgeschichte, die Weisheit der alten Mutter Jazz in einer Reihe mit Hip Hop, Pop, Soul, Alternative und so weiter – noch dazu deutschsprachiger Genese? Und wer ist eigentlich Anja
Read More Posted On August 27, 2014By Christiane NitscheIn Musikmag
Finding Patti Smith: Die „Hippie-Oma“ beim Haldern Pop 2014 Ein Konzertbericht von Christiane Nitsche (Fotos & Text). In der regionalen Presse stand später zu lesen, sie habe einen „entspannten Auftritt“ absolviert. Nun weiß man nicht, ob der entsprechende Kollege nur die ersten Minuten von Patti Smith’ Auftritt beim Haldern Pop 2014 erlebt hat, als sie mit der Kaffeetasse in der Hand die Bühne betritt, auf dem Kopf eine Strickmütze, wie sie etwa 35 Prozent der Leute im Publikum auch tragen, über der „Boyfriend“-Jeans ein schwarzes Sakko, die Haare lang und
Read More Posted On Mai 14, 2014By Christiane NitscheIn Musikmag
Ein Gespräch mit Michael League beim Jazzfest Gronau Von Christiane Nitsche Beinahe läuft man vorbei an ihm im Gewusel des Catering Rooms backstage: Michael League ist auffallend klein und schmal, und wenn er seine Lockenmähne gerade mal wieder gestutzt hat, übersieht man ihn fast. Dabei schickt er sich an, ein ganz Großer zu werden: Der Gründer und Bassist der texanischen Fusion-Formation Snarky Puppy hat mit eben diesem vielköpfigen Kollektiv zu Jahresbeginn den begehrten Grammy Award für die beste R&B-Nummer eingeheimst: „Something“ mit der Multi-Vokalistin Lalah Hathaway. Das ist kein Zufall
Read More Posted On Mai 29, 2013By Christiane NitscheIn Musikmag
Musik oder Worte – Billy Cobham, Bill Ramsey und andere beim Festival „Jazz am Schloß“ in Rheine. Ein Bericht von Christiane Nitsche. „Lasst uns nicht viel reden, lasst uns spielen!“ Billy Cobham weiß natürlich, dass seine Hände beredter sind als sein Mund. Und so verlässt er den Platz am Mikro, kaum dass er ihn eingenommen hat, um dort Platz zu nehmen, wo er sich offensichtlich am wohlsten fühlt: Hinter einem enormen Drum Set mit Double Bass und allein sieben Toms. Auch wenn man weiß, dass sein Spiel einzigartig, seine Technik
Read More Posted On Mai 15, 2013By Christiane NitscheIn Musikmag
Mit der journalistischen Distanz und Objektivität ist das so eine Sache: Wer in einer Stadt lebt, die mit ihrem Selbstverständnis hadert, kann ja nur froh sein, wenn eben diese Stadt mit Veranstaltungen aufwartet, die ohne weiteres das Etikett „Weltklasse“ beanspruchen können. Wer wollte da mit feuilletonistisch-kritischer Naseweisheit am Bühnenrand stehen, wenn sich Größen wie Al Jarreau, Ian Anderson, Al McKay, Richard Galliano und Mezzoforte die Klinke in die Hand geben wie jüngst beim 25. Internationalen Jazzfest in Gronau? Von Christiane Nitsche
Read More Wider die Jazzpolizei – Wie man die Mutter aller Musik am Leben hält. Christiane Nitsche hat sich mit den Organisatoren des Gronauer Jazzfestivals unterhalten. Das Wort fällt mehrmals: „Jazzpolizei“. Otto Lohle, der letzte der vier Gründungsväter des Gronauer Jazzfestes, der heute noch als Macher dabei ist, fühlt sich mitunter in die Defensive gedrängt von Puristen, für die der Jazz etwas ist, das es zu verteidigen gelte gegen populäre Aufweichungen. Doch Lohle hält es mit Klaus Doldinger, den er schon zweimal in Gronau begrüßen konnte: „Es kommt alles aus’m Jazz.“ Und
Read More Gollum spricht – eine Vorgeschichte – Kaminabend im Kloster: Der Gollum-Synchronsprecher Andreas Fröhlich hat im Kloster Frenswegen aus „Der Hobbit“ gelesen und sich mit dem TV-Literaturkritiker Denis Scheck über Tolkiens Fantasy-Romane und deren Verfilmung unterhalten. Christiane Nitsche saß dabei. Mitunter ist es so, dass die eigentliche, die interessantere, weil spannendere Geschichte die vor der Geschichte ist. Und so könnte der Abend durchaus zur Zufriedenheit enden, bevor er überhaupt begonnen hat; im Kaminzimmer von Kloster Frenswegen, wo Andreas Fröhlich auf seinen Mitstreiter wartet, weil Denis Scheck im Zug sitzt und die
Read More Kleine Lügen – Die spannende neuseeländische Kriminalliteratur hat sich „untypische“ Verlage gesucht – Carl Nixon bei Weidle und ein zweiter diskutabler Roman bei ars vivendi: Greg McGee alias Alix Bosco „Cut & run“. Eine Besprechung von Christiane Nitsche. „Ich beginne mit dem, was ich sicher weiß.“ Einen programmatischen ersten Satz nennt man das: Eine Autorin, die ein Mann ist, Wahrheiten, die nur in der Lüge überleben, ein filmreifer Showdown zwischen Helikopter und Hochsee-Kajak. Das alles in einer neuen, für Europäer immer noch jungen Welt; dabei voller Probleme, die so alt
Read More Posted On November 24, 2012By Christiane NitscheIn Mitarbeiter
Christiane Nitsche wurde 1964 in Köln geboren, hat nun ach Geschichte, Philosophie und Germanistik studiert, bevor sie auswanderte. Heute liest, schreibt, spricht und träumt sie in Deutsch und in Englisch alles, was sich zwischen Buchdeckel packen ließe. Sie hat für die Süddeutsche Zeitung, die Westfälischen Nachrichten, den Kölner Express und diverse Magazine gearbeitet und lebt heute nach Lehr- und Wanderjahren in England, Griechenland und Bayern im Westmünsterland, wo sie als freie Journalistin, Autorin, Bildjournalistin, Übersetzerin und Dozentin tätig ist. Zu den CULTurMAG-Beiträgen von Christiane Nitsche.
Read More Nieder mit der Schöpfung – Christiane Nitsche war im Theater, äh, im Kino, äh, im Theater oder doch im Kino und trifft ein liebes, altes Monster: Danny Boyles und Nick Dears Frankenstein in Dosen … Am Ende ist es die Kreatur, die sagt, wo’s lang geht. „Destroy your creation – come!“ Nach Norden, zum Pol, durch wabernden Nebel hinein in eine eisige Hölle führt das Monster seinen Meister, der nur noch ein Ziel kennt: seine Schöpfung zu zerstören und endgültig aus der Welt zu schaffen, das Prometheus’sche Werk rückgängig zu machen.
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