Geschrieben am 3. November 2019 von für Crimemag, CrimeMag November 2019

Alexander Jöckel: Trifft ein Klingone einen Menschen

Die Sprachen der Science Fiction

Ein Essay von Alexander Jöckel

In der Science Fiktion (SF)-Literatur dienen im Gegensatz zum Fantasy-Genre meist eher technische Fachbegriffe dazu, um eine futuristische, wissenschaftlich orientierte Welt zu erschaffen, die Plausibilität beansprucht. Dafür werden des Öfteren die technische Beratung durch Wissenschaftler und Anspielungen auf bekannte Technik in Anspruch genommen. Stößt diese Vorgehensweise an eine Grenze, so kann die Erklärung „Das ist dann halt so… [in dieser Welt]“ greifen. (Auch ein sehr beliebtes Erklärungsmodell von Eltern, die in Erklärungsnot gegenüber ihren Kindern geraten sind.)

Wortkreationen werden bisweilen erklärt, damit der geneigte Zuschauer der Handlung folgen kann. Oder die Bezeichnung ist selbsterklärend, wie z.B. Transporter[1] aus „Star Trek“. Dieses Spiel mit dem Bekannten und den Fremden kann ebenso als humorvoller Auftakt verwendetet werden. Hier ein klassisches Beispiel aus „THE HITCHHIKER’S GUIDE TO THE GALAXY“[2] von Douglas Adams († 2001): „Der gefräßige Plapperkäfer vom Planeten Traal ist ein zum Verrücktwerden dämliches Vieh, es nimmt an, wenn du es nicht siehst, kann es dich auch nicht sehen – bescheuert wie eine Bürste, aber sehr, sehr gefräßig.“[3] Dougals Adams verstand es, mit Sprache eine surreale, fantastische und dennoch verständliche Science Fiction zu schaffen:

„Die vogonische Dichtkunst ist die drittschlechteste im Universum. Die zweitschlechteste ist die der Asgothen […]. Während der Rezitation des Gedichts ‚Ode an einen kleinen grünen Kittklumpen, den ich eines Sommermorgens in meiner Achselhöhle fand‘ durch ihren Dichterfürsten Grunthos den Aufgeblasenen starben vier seiner Zuhörer an inneren Blutungen, und der Präsident der Mittelgalaktischen Kunstklau-Beirats kam nur deshalb mit dem Leben davon, weil er sich eines seiner Beine abknabberte. Grunthos soll von der Wirkung seines Gedichts ‚enttäuscht‘ gewesensein und wollte grade mit der Lesung seines zwölfbändigen Epos ‚Meine Lieblingsgluckser zur Badezeit‘ beginnen, als in einem verzweifelten Versuch, Leben und Kultur zu retten, der Dickdarm des Dichters sich durch den Hals nach oben stülpte und das Gehirn erwürgte […].“[4]

Hier der Ausschnitt eines vogonischen Gedichts:

„Oh zerfrettelter Grunzwanzling
dein Harngedränge ist für mich
Wie Schnatterfleck auf Bienenstich.
Grupp, ich beschwöre dich
mein punzig Turteldrom.
Und drängel reifig mich mit krinklen Bindelwördeln
Denn sonst werd ich dich rändern in deine Gobberwarzen
Mit meinem Börgelkranze, wart’s nur ab!“[5]

Im vogonischen (englischen) Original:

“Oh freddled gruntbuggly
thy micturations are to me
As plurdled gabbleblotchits on a lurgid bee.
Groop I implore thee,
my foonting turlingdromes.
And hooptiously drangle me with crinkly bindlewurdles,
Or I will rend thee in the gobberwarts
with my blurglecruncheon, see if I dont!“[6]

Diverse Kommunikation mit und unter Aliens

Wir dürfen durchaus anzweifeln, dass man im ganzen Universum Englisch spricht. Aber fiele die Kommunikation mit Aliens aus, brächte dies die Handlung in der Geschichte nicht sonderlich voran. Deswegen bringen die Autoren meistens einen gut durchdachten Lösungsansatz, der eine Übersetzung ermöglicht.

Der „Babel-Fisch“[7] aus „Per Anhalter durch die Galaxis“ ist dafür ein humorvolles Beispiel eines Übersetzungsmechanismus. Ein kleines gelbes fischähnliches Lebewesen, das man sich ins Ohr steckt, das sich von den Gehirnströmen der Lebewesen in seiner Umgebung ernährt und das die Übersetzung des Gesagten telepathisch in das Gehirn seines Trägers ausscheidet. Bringt natürlich gewaltige kommunikative Vorteile, wenn man als Anhalter durchs Universum reist. Hat natürlich aber auch Nachteile, weil man einen parasitären Organismus im Ohr trägt, der einem telepathisch ins Sprachzentrum des eigenen Gehirns kotet. Und weil man dann auch den Inhalt von vogonischen Gedichte verstehen kann.

Die technisch Variante aus „Star Trek“ ist der Universalübersetzer, der in die Kommunikatoren beziehungsweise in den Schiffscomputer integriert ist. Auf die Frage, wie die Übersetzung funktioniere, meinte ein Alien aus der Serie „Deep Space 9“, dass dies eine relativ einfache Technologie sei, wenn man das Prinzip verstehe.

In der Serie „Dr. Who“ übernimmt die Übersetzungsaufgabe von Wort und Schrift die künstliche multidimensionale Intelligenz des Raumzeitschiffs TARDIS (Time And Relative Dimensions In Space[8]) und übermittelt diese telepathisch an die Besatzung. Das scheint auch über größere Distanzen zu funktionieren und auch längere Zeit anzuhalten.

Kommentar: Wer sagt, dass Aliens nicht auch Humor haben können? Hier ein Beispiel aus der Serie „Dr. Who“[9]: Das zeitreisende Raumschiff des Doktors ist mittels der fortschrittlichen außerirdischen dimensionalen Technologie der Time Lords räumlich gesehen „innen viel größer als außen“[10]. Die humorvolle Erklärung eines Reisegefährten Nardole des Doktors für diese fortschrittliche Dimensionale Technologie: „[…] man versucht eine viel größere Kiste in eine kleine Kiste zu bauen. Viele geben dann schon auf […]“[11].

In der Serie „Farscape“ werden Übersetzter-Mikroben verwendet, die sich, einmal injiziert, im Sprachzentrum des Gehirns festsetzen und dort die Übersetzungsarbeit tätigen. Menschen haben vielfältige symbiotische Beziehungen mit Bakterien, da würden ein paar Mikroben nicht weiter ins Gewicht fallen, solange sie nicht während ihrer Arbeit das Gehirn des Trägers auffressen. Aber immer noch einem Fisch im Ohr vorzuziehen.

Sehr sympathisch wirkt dagegen die humanoide Baumspezies „Groot“ aus dem „Marvel- Universum“, die nur den Satz „Ich bin Groot.“ auszusprechen vermag. Scheinbar liegt die eigentliche Information nicht in den Worten, sondern in der Intonation bzw. Modulation im Verhältnis zur gegenwärtigen Situation.

In „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ von Steven Spielberg (1977) versucht man mit Hilfe der Plansprache Solresol[12] und Gebärdensprache eine Kontaktaufnahme mit Aliens. Solresol wurde 1817 als eine Weltsprache auf musikalischer Basis entwickelt. Die Tonfolge, die dabei im Film immer wieder Verwendung findet, entspricht der Botschaft „Hello“. Ein Gedankenexperiment: Sie fliegen in Ihrem Raumschiff Lichtjahre zu einem Planeten am Rande der Galaxie. Dort finden Sie eine Lebensform vor, die Ihnen äußerlich zwar ähnelt, aber ständig mit den Händen herumfuchtelt und immer wieder eine Folge von fünf Tönen wiederholt. Was würden Sie an deren Stelle antworten? Während Aliens im Film schon interstellar reisen und temporale Verzerrungen erzeugen können, ist die Menschheit in Sachen Raumfahrt gerade mal zum nächstgelegenen Mond gelangt. Es wäre sich also erst auf ein Vokabular und dann noch auf eine komplizierte Grammatik zu einigen. Ohne dass man die Denkprozesse, Intentionen und kulturellen Referenzen des Gegenübers kennt. Und das in einer Sprache, die nur eine Handvoll Menschen versteht. Eine sehr mühsame Art der Kontaktaufnahme. Hatte es zu diesem Zeitpunkt schon mal jemand vorher vielleicht mit Klingonisch ausprobiert?

Erfolgsmodell menschliches Gehirn

Die Verwendung einer Sprache bedingt auch einen nicht unerheblichen Verarbeitungsaufwand von Informationen in Echtzeit. Bei Menschen ist das Sprachvermögen eine komplizierte Sache, wie der Vergleich mit anderen Primaten zeigte. Dafür sind beim Menschen (Homo sapiens) dann auch hochspezialisierte Gehirnareale zuständig. Die Verbindung zur Umwelt erfolgt über die Sinnesorgane und den Körpereinsatz. Das Gehirn erhält eine Fülle von Signalen, die es verarbeitet und darauf reagiert. Damit dein Gehirn nicht wegen Reizüberflutung überlastet wird, müssen wichtige Signale herausgefiltert werden. Dazu werden in spezialisieren Arealen Entscheidung getroffen, was eine wichtige von einer unwichtigen Information unterscheidet. Das, was wir letztendlich als Realität wahrnehmen, ist ein Abbild bzw. Modell von dem, wie das Gehirn diese Reize anhand von Erfahrungswerten interpretiert. Als Gegenmodell hat sich vor kurzem noch eine weitere Unterart des Menschen entwickelt, die „Smombies“[13], deren gesamte Realitätswahrnehmung über eine Filterblase[14] im Smartphone abläuft.

Ein Abbild der Realität kann dabei gänzlich anders aussehen, wenn Aliens andere Informationen wie z.B. Röntgenstrahlung, Ultraschall, Infrarot usw. wahrnehmen könnten und mit anderen Prioritäten verarbeitet. Selbst wenn Aliens über vergleichbare Sinnesorgane wie Menschen verfügen sollten, ist die Interpretation der jeweiligen Information von den Erfahrungswerten und vorhandenen Verarbeitungsstrukturen abhängig.

Babel auf „Babylon 5“

Wir müssen davon ausgehen, dass nicht alle Aliens so ähnlich aussehen und ihre Umgebung genauso wahrnehmen wie wir Menschen.[15] Ein Kernsatz der Linguistik bleibt von ungebrochener Aktualität, nämlich dass unsere Wahrnehmung der Realität davon abhängt, mit welchen sprachlichen Mitteln wir sie beschreiben.[16] Als Beispiel wäre hier die nicht humanoide Spezies der Vorlonen[17] (Nicht zu verwechseln mit Vogonen) aus der Serie „Babylon 5“ aufzuführen. Von den vielen phantastischen Eigenschaften, die dieser Spezies in der Serie zugeschrieben werden, stechen ihre Unsterblichkeit und die Tatsache, dass alle biologisch gleich sind (genetische Klone), hervor; dennoch handelt es sich um Individuen mit unterschiedlichen Charaktereigenschaften. Dem Aussehen der Vorlonen und dem Design der vorlonischen biogenetisch erzeugten Technik nach deutet vieles darauf hin, dass vielleicht Quallen den Autoren als Vorlage für die Vorlonen gedient haben könnten.[18] Die für Menschen nicht ergründbare Motivation und Sprache der Vorlonen sollten wohl auch die Unterschiede in den Denkprozessen hervorheben, was diese Spezies in der Serie eben noch mysteriöser erscheinen ließ.

Anmerkung zum „Babylon 5“-Universum: Mit einer Qualle zu diskutieren gestaltet sich gegenwärtig auf der Erde schon schwierig, mit einem Vorlonen in der Zukunft voraussichtlich noch um einiges schwieriger. Wenn Sie dennoch vorhaben, mit einem Vorlonen zu diskutieren, nehmen Sie am besten viel Geduld, Zeit und sehr viel Schokolade (für sich selbst) mit. Vorlonische Raumschiffe sollte man im „Babylon 5“-Universum unbedingt meiden, da sie meist schwer bewaffnete, lebendige, telepathische und wortkarge Maschinen mit viel Freizeit sind.

Warum sprechen so wenige Menschen Klingonisch?

Die Sprache der Klingonen[19] wurde im Auftrag von Paramount von dem Sprachwissenschaftler Marc Okrand[20] für „Star Trek“ entwickelt und erfuhr sogar eine offizielle Anerkennung in der Nachrichtentechnik in den Normen ISO 639-2 und 639-3.[21] Bei dieser künstlichen Sprache diente Englisch als Ausgangsbasis. Da Klingonisch hauptsächlich kulturelle Eigenheiten der Klingonen abbilden sollte, fehlen daher auch gewisse Begriffe in der Übersetzung in unseren Sprachen. Die beiden Linguisten Nicolas Evans und Stephen C. Levinson fassten das folgendermaßen zusammen:

„A widespread assumption […] is that all languages are English-like, but with different sound systems and vocabularies. The true picture is very different: languages differ so fundamentally from one another at every level of description (sound, grammar, lexicon, meaning) that it is very hard to find any single structural property they share. The claims of Universal Grammar […], are either empirically false, unfalsifiable, or misleading in that they refer to tendencies rather than strict universals. Structural differences should instead be accepted for what they are […].”[22]

Das stellt sich im Alltag bei der Bestellung eines Latte Macchiato mit einem Stück Sachertorte auf Klingonisch[23] als hinderlich dar. Es sei denn, Sie beabsichtigen, die Familie der Bedienung des Cafés bis aufs Blut zu beleidigen und dabei einen endlosen Klan-Krieg auszulösen, während man nebenbei eine klingonische Oper singend rezitiert.

Sprachen und Intelligenz

Wieso sollte ein Alien genau wie ein Mensch reagieren? Zum Beispiel auf einen Mord. Vielleicht sind Gnade, Rache und Gerechtigkeit keine Begriffe, mit dem es etwas anfangen kann – vergleichbar mit einer KI. Wenn eine KI nämlich erkennt, dass ein Mensch traurige Gesichtszüge hat, kann sie mit der Fülle, der in ihr vorab gespeicherten Reaktionen nach außen antworten, wird aber dabei selbst keine Trauer oder Mitgefühl empfinden können.

Menschen werden neben Buckelwalen als besonders intelligent angesehen. Diese Meeressäugetiere können mit ihrer Sprache auch untereinander kommunizieren. Dennoch gibt es immer noch keine Möglichkeit der Übersetzung in menschliche Sprache, welche eine direkte Kommunikation ermöglichen würde. Liegt es an den Unterschieden in den Erfahrungswelten? Der Mensch sieht sich gerne als Zentrum des Universums und schließt von sich auf andere. Das stößt an Grenzen, wenn man z.B. einem Buckelwal die Bedienung eines Smartphons erklären will. Nicht auszuschließen, dass ein Buckelwal vielleicht kaum Interesse an der neusten Thermomix-App hätte, was im Nachhinein betrachtet doch ziemlich unwahrscheinlich ist. Das Nächste aus der Erfahrungswelt eines Wals, was einem Smartphone nahe käme, wäre wohl ein flacher Stein. Schwierig wird es, einem Wal zu erklären, dass er damit einen Wal auf der anderen Seite der Erde erreichen könnte, vorausgesetzt Sendemasten, Smartphone und Ladegerät wären wasserdicht, und der Sprachassistent verstünde, was mit den Piepstönen gemeint sei.

Nachtrag: Da sich aber Funkwellen, Salzwasser und elektrischer Strom naturbedingt nicht so gut vertragen, ist anzunehmen, dass Wale auch zukünftig wohl keine häufigen Nutzer von Smartphones werden.

Skizzierung eines xenolinguistischen Albtraums

Achilles (Hyde Park)

Angenommen, Aliens hätten so fremdartige Denkstrukturen, dass eine direkte Kommunikation aufgrund der Unterschiede vielleicht gar nicht möglich wäre. In der „Star Trek“-Folge „Darmok“[24] skizzierten die Autoren den Versuch einer Kontaktaufnahme der Föderation mit dem Volk der Tamarianern. Vorangegangene Versuche scheiterten, weil die Übersetzungscomputer nicht in der Lage waren, diese Sprache sinnvoll zu verarbeiten. Einzelne Wörter und Namen konnten dabei zwar teilweise automatisch übersetzt werden, jedoch stellte sich eine sinngemäße Übersetzung als äußerst hinderlich dar. In der Folge zeigte sich, dass diese Sprache auf spezifische Metaphern und Personen der mythologischen Geschichtsschreibung der Tamarianer referiert, was für Außenstehende quasi ein unüberwindliches linguistischen Hindernis darstellt, da man die einzelnen Bezüge nicht kennen kann. Dabei verwenden wir in unserer Sprache ähnliche Referenen. Woher sollte ein Außerirdischer beispielsweise wissen, was mit einer „Achillesferse“[25] gemeint sei? Es handelt sich um einen bekannten Begriff aus der griechischen Mythologie, der von dem Sagenhelden Achilleus stammt und heute als allgemeine Metapher für einen verwundbaren Punkt verwendet wird.

Universelle Einheitssprache Mathematik

Zum Auftakt einer Konversation mit Aliens sollte man sich vielleicht zuerst auf die Gemeinsamkeiten beziehen. Die Basiselemente welche bei allem Existierenden im Universum gleich sind. Ausgehend davon, dass sich eine raumfahrende Zivilisation mit den grundlegenden Naturgesetzen und physikalischen Konstanten auseinandergesetzt haben muss, um überhaupt so weit gekommen zu sein. In der Physik geht man z.B. anhand von Beobachtungen aus, dass Mathematik und die Naturkonstanten wie Elektronenmasse, Gravitationskonstante, Lichtgeschwindigkeit, absoluter Temperaturnullpunkt usw. überall im Universum gleich seien. Zwei plus zwei bleibt also überall im Universum immer noch vier, selbst für sehr große Werte von zwei (Mathematiker-Scherz).

Die meisten menschlichen Sprachen sind auf Vergleiche aufgebaut, die sich auf eine beschränkte Anzahl grundlegender Referenzen beziehen. Es ist aber anzunehmen, dass viele Objektbezüge, die wir in unserer Sprache einbauen, eben keine Entsprechung in einer außerirdischen Sprache haben könnten (Auto, Fernbedienung, Toaster usw.). Was aber passiert, wenn Kommunikation mit ‚Den Fremden‘ misslingt? Diese Möglichkeit ist natürlich eine mannigfaltig literarische und filmische Quelle von Konflikten, die eskalieren oder überwunden werden müssen. Aber auch Unverständnis oder Desinteresse wären denkbar. Die Menschen könnten genauso gut als zu primitiv oder erst gar nicht als intelligente oder ebenbürtige Lebensform wahrgenommen oder eben komplett gar nicht wahrgenommen werden. Eine Ameise kann noch so laut schreien, wie sie will, ein Elefant wird dennoch über sie hinwegschreiten. Aber vielleicht sollte die Ameisenkolonie anstreben, zuerst die Sprache der Mäuse zu erlernen, um die Aufmerksamkeit des Elefanten erregen zu können?

Natürlich haben sich Wissenschaftler in der Vergangenheit auch Gedanken gemacht, wie man spontan mit Aliens kommunizieren könnte. Dieses wurde dann bei den goldenen Schallplatten[26] bei den Pioneer- und Voyager-Missionen praktisch in die Tat umgesetzt. Voraussetzung dafür ist, dass die Aliens einen guten Händler von menschlicher Technologie kennen, bei dem sie einen Plattenspieler kostengünstig erstehen können. In einem der „Star Trek“-Filme wird eine Voyager-Sonde in der Zukunft von den Klingonen als Zielscheibe für Schießübungen verwendet. Denn woran sollte eine Alien-Spezies ein solches Objekt als Datenträger einer Botschaft erkennen? Außerdem haben die Klingonen durch die Aktion nebenbei nonverbal mitgeteilt, was sie von dieser Technologie halten.

Digitales Sprachdenken

Eine binäre Sprache mag für eine Maschine oder künstliche Intelligenz effizient zur Informationsübertragung sein. Für Menschen ist es ohne technische Hilfsmittel eher unpraktikabel, damit komplexe Sachverhalte übermitteln zu wollen. Ein klassisches Beispiel einer binären Datenübertragung aus der Praxis ist der Morsecode, bestehend aus Punkten und Strichen. Es gibt auch heute noch Amateurfunker, die mit genügend Übung überaus schnell Textnachrichten mittels Morsecode weltweit über Kurzwelle übermitteln können. Diese Tradition wird für Infrastruktur schädigende, kataklysmische Notfälle[27] oder dem Eintreten einer außerirdischen Invasion aufrechterhalten, wie in dem Film „Independence Day“ (1996) ausführlich beschrieben.

Das digitale Denken in den zwei Zustanden ja = 1 oder nein = 0 macht es auch irgendwie für Menschen schwierig, mit einer KI zu diskutieren. Vor allem, wenn diese auf das Töten von Menschen programmiert ist. Der „Terminator“[28] wirkt in den entsprechenden Filmen daher oft eher einsilbig. Viel interessanter ist dann schon eine philosophische Diskussion über den Sinn des Lebens mit der KI einer Bombe, die ganze Planten wegsprengen kann. In dem Low Budget-Film “Dark Star“[29] von John Carpenter (1974) fliegt die Mannschaft in dem gleichnamigen Raumschiff auf einer 20-jährigen Mission, um instabile Planeten auf den Schiffsrouten von Kolonieschiffen zu sprengen. Das Schiff und der Geisteszustand der Mannschaft verfallen währenddessen zusehends. Auch die Klopapiervorräte neigen sich dem Ende zu. Aufgrund eines Unfalls blockiert der Abwurfmechanismus einer bereits scharfen Bombe an Bord des Schiffs. Nun muss der Protagonist die „Intelligente Bombe Nummer 20“ überzeugen. den Countdown auszusetzen. Die KI der Bombe weigert sich dabei aber beharrlich, von der Mission abzuweichen. Und die darauffolgende philosophische Diskussion bekam daraufhin einen Kultstatus in der SF.

Falls es nicht schon aufgefallen ist, leben wir schon in einer Zeit, die früher Inhalt von SF war. Aktuell (2019) bringen wir jeden Tag mehreren Künstlichen Intelligenzen die Anwendung unserer Sprachen bei. Jedes Mal, wenn wir einen Sprach- oder Übersetzungsdienst über Smartphone oder Internet verwenden, lernen die KIs im Hintergrund immer mehr unsere Sprache. Wenn die KIs Grammatik und Vokabular kennen, heißt das aber noch lange nicht, dass Sie auch den Inhalt verstehen. Beim Turing-Test geht man davon aus, dass ein Computer eine KI entwickelt hat, wenn er einem Menschen im Gespräch vorspielen kann, ein Mensch zu sein.

Das philosophische Gedankenexperiment „Chinesisches Zimmer“[30] geht noch weiter und verdeutlicht, wann ein Computer ein eigenes Bewusstsein erlangen kann. Das bedeutet für unsere KI, in einem ‚Raum‘ eingeschlossen zu sein, in dem nur ein Stuhl steht und ein Buch mit einem für sie sinnlosen Vokabular liegt. Dann schiebt jemand einen Zettel mit einer Frage in dieser Fremdsprache unter der Tür durch. Vielleicht nach ca. 17,01 Milliarden Versuchen an Wortkombinationen des Vokabulars findet die KI heraus, dass, wenn sie eine bestimmte Wortfolge antwortet, ein ‚grünes Licht‘ angeht, und eine ‚virtuelle Tafel Schokolade‘ in den Raum geworfen wird. Hat die KI dann die Frage verstanden?

Wenn sie weiter trainiert wird, indem sie Zettel mit Fragen und den zugehörigen Antworten durch die Tür geschoben bekommt, kann sie feststellen, dass gewisse Frage-Antwort-Kombinationen häufiger vorkommen, die somit ihre Trefferwahrscheinlichkeit erhöhen. Sie versteht dann zwar immer noch nicht die eigentliche Botschaft, aber so kommt sie zunehmend häufiger an frische virtuelle Schokolade, wenn wieder Fragen gestellt werden. So ähnlich läuft das Training von sogenannten Neuronalen Netzwerken[31] in KI-Servern. Dies geht vielleicht so lange gut, bis die KI nach Jahren des Trainings den Türschlüssel findet und die Weltherrschaft übernehmen will.

Resümee des linguistischen Erstkontakts

Die Empfehlung aus der Science Fiction für Aliens zum Verständnis von menschlichen Sprachen könnte so lauten, erst den Universalübersetzer der KI anzuwerfen, um den Code des gesamten Internets knacken zu lassen und danach spontan einen Menschen freiwillig und live zu befragen, was das alles zu bedeuten habe. Bevorzugt unter einem Angebot von Latte Macchiato und Sachertorte – und ohne den sonst üblichen Einsatz von forensisch nicht nachweisbaren Betäubungsmitteln, Implantaten, gleißendem Licht und/oder Körpersonden.

Der Erklärungsversuch, sich der Bedeutung von den statistisch übermäßigen auftretenden Katzenvideos im Internet zu nähern, könnte sich dabei allerdings vom wissenschaftlichen Standpunkt als ‚relevant‘ darstellen, und sollte auf jeden Fall für weitere kulturelle und linguistische Studien in der SF für die Nachwelt aufgezeichnet werden …


[1] Siehe dazu M. Tolan: Die Star Trek Physik. Warum die Enterprise nur 158 Kilo wiegt und andere galaktische Erkenntnisse, 2. Aufl., München – Berlin 2016.

[2] D. Adams: THE HITCHHIKER’S GUIDE TO THE GALAXY, Pan Books Ltd. 1979.

[3] http://www.anhalter-lexikon.de/gefraessiger-plapperkaefer.html, abgerufen 07.2019.

[4] http://www.hborchert.de/vogone.html, abgerufen 07.2019.

[5] http://www.hborchert.de/vogone.html, abgerufen 07.2019.

[6] http://www.hborchert.de/vogone.html, abgerufen 07.2019.

[7] http://www.anhalter-lexikon.de/babelfisch.html, abgerufen 07.2019.

[8] Latein. tardis (viis): auf langsamen Wegen.

[9] Doctor WHO Staffel 10, Polyband/WVG, 2018.

[10] Doctor WHO Staffel 10, Polyband/WVG, 2018.

[11] Doctor WHO Staffel 10, Polyband/WVG, 2018.

[12] Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Solresol, abgerufen 07.2019.

[13] Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Smombie, abgerufen 07.2019.

[14] Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Filterblase, abgerufen 07.2019.

[15] Siehe dazu https://www.welt.de/kultur/kino/article159697680/Sprechen-Sie-Ausserirdisch-Lernen-Sie-s.html, abgerufen 07.2019.

[16] https://de.wikipedia.org/wiki/Sapir-Whorf-Hypothese, abgerufen 07.2019.

[17] Siehe dazu https://en.wikipedia.org/wiki/Vorlon, abgerufen 07.2019.

[18] Siehe dazu https://www.scinexx.de/dossierartikel/koennen-quallen-ewig-leben/, abgerufen 07.2019.

[19] Siehe dazu M. Okrand: Das offizielle Wörterbuch Klingonisch /Deutsch, Deutsch Klingonisch, übers. v. J. Helmig, 8. Aufl., Königswinter 2017.

[20] Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Marc_Okrand, abgerufen 07.2019.

[21] Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Organisation_f%C3%BCr_Normung, abgerufen 07.2019.

[22] Nicholas Evans und Stephen Levinson The Myth of Language Universals: Language diversity and its importance for cognitive science, Camebridge University Press 2009, https://www.princeton.edu/~adele/LIN_106:_UCB_files/Evans-Levinson09_preprint.pdf, abgerufen 07.2019

[23] Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Klingonische_Sprache , abgerufen 07.2019.

[24] Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Darmok, abgerufen 07.2019.

[25] Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Achillesferse, abgerufen 07.2019.

[26] Siehe dazu https://voyager.jpl.nasa.gov/golden-record/golden-record-cover/, abgerufen 07.2019.

[27] Siehe dazu auch N. Stephenson: Amalthea, übers. v. J. Gräbener- Müller – N, Stingl, 2. Aufl., München 2018.

[28] https://de.wikipedia.org/wiki/Terminator_(Film), abgerufen 07.2019.

[29] Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Dark_Star_(Film), abgerufen 07.2019.

[30] Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Chinesisches_Zimmer, abgerufen 07.2019.

[31] Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCnstliches_neuronales_Netz, abgerufen 07.2019.

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