Unwiderstehlich: Maggy Garrisson
Von Sonja Hartl
„Lach doch mal, Maggy!“ heißt der erste Teil mit dreibändigen Comic-Reihe mit Maggy Garrisson – und der Titel fasst so vieles in so wenige Worte. Man muss ihn in dem leicht genervten Ton lesen, in dem dieser Satz bei wohl jedem ankäme, der ihn gesagt bekommt. Wer hört denn schon gerne, er solle mal lachen? Denn wäre einem danach zumute, würde man es ja tun. Und zugleich spiegeln sich in ihm die Erwartungen, die man die Heldin einer Reihe stellt: Sie sollte fröhlich sein. Oder wenigstens stark. Mutig ginge auch. Sexy sowieso immer.
Maggy Garrisson ist all das im engeren Sinne nicht. Sie lebt in London, ist seit zwei Jahren arbeitslos, sieht durchschnittlich aus und hat zu Beginn der Reihe aus Verzweiflung eine Stelle angenommen, die ihr ihre Nachbarin vermittelt hat: Sie soll als Sekretärin für Mr. Wright arbeiten, einem Privatdetektiv. Und sie nimmt sich fest vor, dieses Mal ihre große Klappe zu halten. Aber als sie ankommt, liegt er betrunken auf dem Schreibtisch – und Maggy erkennt Chancen, wenn sie sich bieten. Also übernimmt sie den Auftrag, einen verschwundenen Kanarienvogel aufzuspüren, kurzerhand selbst, schon bald sucht sie zudem nach einem gestohlenen Baseball und gerät in eine mysteriöse Geschichte um scheinbar harmlose Tickets, die sie letztlich nach Brighton und in eine Verwicklung führen, die erst im dritten Band ein Ende finden wird.
Alle drei Teile mit Maggy Garrisson sind gleich aufgebaut: Es gibt Fälle, in denen sie und später auch Mr. Wright ermitteln und den einen verbindenden Handlungsstrang um die Tickets, die zu einer großen Summe Geld führen, welches Maggy und ihr späterer Freund Alex finden, ein Kleinkrimineller, der für seinen Cousin Geld eintreibt. Sie wollen nicht, dass die falschen Leute erfahren, dass sie das – illegale – Geld gefunden haben. Aber ein korrupter Cop weiß davon – und bereitet ihnen immer wieder Ärger. Dadurch ist Maggy gezwungen, immer wieder die Grenzen zu hinterfragen, die sie nicht übertreten will: Wie viel Gewalt wird sie anwenden? Welche Hilfsmittel nutzt sie dazu? Und wie viele Lügen will sie erzählen?
Dabei ist sie schlichtweg eine wundervolle Hauptfigur. Sie ist clever, unverblümt und gewitzt, ungemein bodenständig und trinkt gern Bier. Manchmal liegt sie mit ihren Einschätzungen daneben und vergrößert dadurch den jeweiligen Schlamassel, aber Grunde genommen schlägt sie sich ganz gut durch. Dabei hat sie einen ungeheuer trockenen Humor, der nicht nur in Gesprächen durchklingt, sondern immer wieder auch den Ton der Geschichte beeinflusst – und damit auch eine andere Form einer romantischen Partnerschaft in die Reihe bringt. Hier werden keine Rosenblätter gestreut, sondern Kommentare ausgetauscht, dennoch ist die Zuneigung offensichtlich.
Mit Maggy Garrisson haben Lewis Trondheim und Stéphane Oiry einen Charakter etabliert, den es in Comics viel zu selten gibt – und gerade für eine Geschichte, die klassischen Whodunit mit hardboiled verbindet, ist sie eine unwahrscheinliche Heldin: zu taff, um einfach nur Kriminalrätsel zu lösen, und zu wenig konventionell sexy, um im hardboiled zu bestehen (mal abgesehen davon, dass sie eine Frau ist.) Sie ist nicht kaputt oder traumatisiert, sondern tendenziell durchschnittlich. Aber zugleich ist zu spüren, dass Maggy auch so manches verbirgt. Keine großen Geheimnisse, vielmehr Einsamkeit, vielleicht auch Verlorenheit, Traurigkeit und die Idee, dass sie nicht so richtig in dieses Leben passt. Doch all dies wird nicht ausgestellt, nicht dramatisiert, sondern fließt in die Erzählung und Bilder mit ein.
Alle drei Bände werden eher von den Charakteren als vom Plot vorangetrieben, aber dadurch entwickeln sich fast alle Figuren auch weiter und werden zudem in den Zeichnungen mit ausreichend Eigenheiten versehen, ohne Karikaturen zu werden, aber sehr viel Wiedererkennungswert zu bekommen. Ohnehin sind die Zeichnungen hier auf den ersten Blick unaufgeregt und klar, oftmals wird die Teilung in 12 Bilder auf einer Seite beibehalten. In der Farbgebung ist die Außenwelt oft muschelig-grau, während es gerade im Pubs rot-warm ist.
Denn eines gelingt Trondheim und Oiry ebenfalls sehr gut: sie flechten immer wieder Sozialkritik ein. Im dritten Band ist es beispielsweise das Sterben der Pubs in London, von dem sogar Maggys Lieblingskneipe betroffen ist. Auch haben viele Figuren etwas Zerknittertes, Müdes und zusammen mit der Farbgebung klingt hier gelegentlich die Tradition des britischen Sozialdramas an.
Diese Mischung aus Handlung, Stil und Figuren lässt Maggy Garrisson zu einer unwiderstehlichen Reihe werden, von der ich mir unbedingt mehr Teile wünsche. Das Ende lässt zumindest so einige Möglichkeiten offen.
Sonja Hartl
Lewis Trondheim & Stéphane Oiry: Maggy Garrison.
Teil 1: Lach doch mal, Maggy! Aus dem Französischen von Resel Rebiersch, Textbearbeitung: Ömür Gül. Schreiber & Leser 2017. 48 Seiten. 14,95 Euro.
Teil 2: Der Mann in meinem Bett. Aus dem Französischen von Resel Rebiersch, Textbearbeitung: Ömür Gül Schreiber & Leser 2017. 48 Seiten. 14,95 Euro.
Teil 3: So war das nicht gedacht. Aus dem Französischen von Resel Rebiersch, Textbearbeitung: Ömür Gül. Schreiber & Leser 2018. 48 Seiten. 14,95 Euro.