Geschrieben am 15. Januar 2018 von für Crimemag, CrimeMag Januar 2018, Kolumnen und Themen

Essay: Bodo V. Hechelhammer: BND & Dynamit

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»Der Fuchs ist im Bau und der Hase auf dem Feld«[1]

Warum 1966 der BND plötzlich Interesse an deutschem Dynamit entwickelte

Von Bodo V. Hechelhammer

Der deutsche Auslandsnachrichtendienst, der Bundesnachrichtendienst (BND), interessierte sich für die Filmproduktion von 1966 »Mister Dynamit – morgen küsst euch der Tod«, die erstmals nicht der britischen »Military Intelligence, Section 6« (MI6),  der amerikanischen Central Intelligence Agency (CIA) oder anderen weltweit operierenden Geheimdiensten eine Hauptrolle zusprach, sondern einen Mitarbeiter der bundesdeutschen Behörde mit Sitz in Pullach als Helden im Mittelpunkt hatte. Eine regelrechte Weltsensation. Ein deutscher James Bond sollte etabliert werden.[2]

Um den Film so realitätsnah wie möglich zu gestalten, informierte die Münchner Parnass-Film GmbH deutsche Behörden über das Filmvorhaben und bat um verschiedenartige Unterstützung. Ein knappes halbes Jahr vor Beginn der Dreharbeiten und noch bevor überhaupt ein fertiges Drehbuch zum Film vorlag, bemühte sich der Produzent Theo Maria Werner (1925 – 1989) um eine entsprechende Unterstützung des Filmprojektes durch die seiner Meinung nach zuständigen und relevanten Behörden. Obwohl der BND in dem Film die Hauptrolle spielte, wurde er aber zunächst nicht kontaktiert.

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Offenkundig war man der Ansicht, dass für den BND zunächst das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) der erste Ansprechpartner sei. Im Mai 1966 nahm die Parnass-Film GmbH Kontakt zum Ressort auf und bat um Unterstützung des Projektes, speziell um eine Dreherlaubnis auf einem Truppenübungsplatz. Die Parnass-Film-Gesellschaft hob geradezu patriotisch die Einzigartigkeit des Films als Argument hervor. Er sei die einmalige Chance zu einem internationalen Prestigegewinn, da zum ersten Mal die Geschichte eines deutschen Agenten vom BND erzählt werde, und das geeignet sei, unter anderem auch den deutschen Beitrag in der NATO (North Atlantic Treaty Organization) wirkungsvoll in das Licht einer breiteren Öffentlichkeit zu rücken. Zudem werde der BND-Agent durch

Lex Baker

Lex Baker

den populären amerikanischen Schauspieler Lex Barker verkörpert, der – aufgrund seiner Karl-May-Verfilmungen – gewissermaßen schon »eingedeutscht« sei. Nach der Anfrage beim BMVg wandte sich der Produzent auch an das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung bzw. an das Auswärtige Amt, um diplomatische Unterstützung für den Hauptdrehort Spanien zu erhalten. Dazu versuchte Werner das Vorhaben quasi in eine außen- und sicherheitspolitische Dimension zu heben.

Noch während die Verhandlungen mit den Behörden um Produktionsunterstützung liefen, begannen am 19. September 1966 die Dreharbeiten in Spanien. Der enge Produktionszeitplan sah vor, dass die Filmaufnahmen bis Dezember des Jahres abgeschlossen sein sollten. C. H. Guenter (1924 – 2005), der Erfinder dieser ganz neuen Romanfigur – die erste Romanausgabe der Reihe wurde erst ein Jahr zuvor veröffentlicht -, versuchte trotz der sehr idealtypischen Ausgestaltung der Charaktereigenschaften seines heldenhaften Agenten, den BND so authentisch wie möglich darzustellen, soweit ihm dieses aus Veröffentlichungen bekannt war. So wird mehrfach Pullach als Ort der BND-Zentrale erwähnt und als »bestgesichertes Gelände der Bundesrepublik Deutschland« bezeichnet.

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BND-Präsident Reinhard Gehlen (1902 – 1979) wird mit Herr General, in Anspielung an seinen ehemaligen militärischen Dienstgrad Generalmajor angeredet. Zudem spricht der CIA-Direktor bei der ersten Kontaktaufnahme seinen präsidialen Counterpart mit »Doktor« an, eine weitere Anspielung auf Gehlen, der im Dienst tatsächlich den Decknamen (DN) »Dr. Schneider« trug. Auch der CIA-Chef trägt nach dem Vorbild des langjährigen CIA-Direktors Allen W. Dulles (1893 – 1969) den Vornamen Allen. Technische Beschreibungen von Autos, Waffen und Flugzeugen werden mit Fakten scheinbar realistisch beschrieben. Mehrfach wird auf Urbans Dienstnummer (»Code«) 18 hingewiesen. Eine Anspielung auf andere Codebezeichnungen von Agenten, analog zur »007« von James Bond. Jedoch verfügten auch die BND-Mitarbeiter über eine eigene, ihnen allein zugeteilte Nummernfolge. Diese Verwaltungsnummer (V-Nr.) war aber keineswegs ein Hinweis auf eine Lizenz zum Töten, sondern eine eindeutige Nummernfolge zum Zwecke der Administration.

Nachdem die Parnass-Film die zuständigen Ministerien wegen einer Unterstützung bei Dreharbeiten von militärischen Szenen und gegenüber spanischen Behörden angefragt hatte, entschied man sich nun auch – nach dem Beginn der Dreharbeiten – beim BND selbst anzufragen, ob dieser ebenfalls die Filmproduktion bei den Drehaufnahmen  unterstützen würde. Bis zu diesem Zeitpunkt war der BND weder von der Filmgesellschaft noch von anderen Behörden offiziell über das Filmprojekt, immerhin dem ersten Kinofilm über den BND selbst, unterrichtet worden. Dies bedeutete aber nicht, dass er keinerlei Kenntnis von dem Filmvorhaben hatte. Wie es sich für einen geheimen Nachrichtendienst gehört, hatte dieser bereits seit Monaten Kenntnis vom Filmprojekt.

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Für Pressekontakte und die Informationsbeschaffung aus dem Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit war im BND die »Strategische Aufklärung« verantwortlich. Der Leiter dieser Organisationseinheit war Kurt Weiß (Dienstname Winterstein, 1916 – 1994). Ein Film über den BND lag im Fokus seines Interesses. Zu seinen Aufgaben gehörte es, frühzeitig in Erfahrung zu bringen, wann und wo etwas über den BND berichtet wurde, und, wenn möglich, positiv darauf Einfluss zu nehmen. Von Anfang an schien die Idee eines Kinofilms über den BND für ihn reizvoll gewesen zu sein, wenngleich er der Verfilmung zunächst skeptisch gegenüberstand. Welches Potential er dennoch im Sinne einer positiven Öffentlichkeitsarbeit dabei erkannte, lässt sich aus einer erhaltenen Notiz ablesen. Hinter dem Filmtitel notierte er die entscheidende Botschaft: »BND = CIA«. Denn in dem Film sollte erstmals der BND gleichberechtigt mit der CIA als Geheimdienst in Szene gesetzt werden. Eine Wunschvorstellung.

Am 3. Oktober 1966 nahm Theo Maria Werner in Bonn erstmals persönlich Kontakt mit einem Vertreter des BND auf, wobei er dem BND ein Exemplar des Drehbuchs aushändigte und über das Filmvorhaben informierte. Auch das BMVg informierte nun den BND über das begonnene Filmprojekt und entschied, die eigene Filmunterstützung ganz vom Votum des BND abhängig zu machen. Der BND wurde allerdings erst zu einem sehr späten Zeitpunkt um Unterstützung gebeten. Das Drehbuch war bereits bnd7fertig geschrieben, die Dreharbeiten waren in vollem Gange und die Möglichkeit, den Inhalt des Films im Sinne des BND zu beeinflussen, waren nur noch sehr gering. Laut Drehbuch waren u.a. Originalaufnahmen auf dem Gelände der BND-Zentrale und im Büro des BND-Präsidenten vorgesehen: ein absolutes Novum für diese Zeit. Die Filmgesellschaft fragte nun beim BND direkt an, ob dieser die entsprechenden Filmaufnahmen vor Ort, zur Herstellung einer »echten Atmosphäre« gewähren würde. Es war nun die Aufgabe von Weiß, für den BND-Präsidenten ein entscheidendes Votum abzugeben, ob der BND dieses Projekt unterstützen solle. Dabei kam er zu einem fast schon euphorischen Ergebnis. Denn er hob heraus, dass die Hauptperson des ganzen Stückes, Bob Urban, ein Agent des BND sei, der die tollsten Sachen machen würde und der BND dadurch ganz groß heraus kommen würde. Der Film würde ein »Reißer« werden und CIA und BND sehr gut wegkommen. Reinhard Gehlen schloss sich der Meinung an und gewährte Filmaufnahmen, wenn auch nicht zunächst direkt auf dem Gelände, zumindest aber die der Zufahrt und von Außenaufnahmen. Der BND unterstützte nun das Filmprojekt und dachte sogar an die Zukunft.

Neben der erhofften Unterstützung der Bundeswehr hatte die Parnass-Film GmbH stets auch aufgeführt, dass selbst die USA, etwa durch Drehgenehmigungen des Pentagons, das Projekt unterstützen würde. Der BND war davon nicht so einfach beeindruckt, er wollte den Wahrheitsgehalt dieser Information über seine nachrichtendienstlichen Kontakte überprüfen. Dazu wurde nun auch bei der CIA direkt nachgefragt. »Mr. Dynamit« wurde zum offiziellen Gesprächsgegenstand zwischen CIA und BND. Auch ließ man die Information nicht etwa alleine auf den Arbeitsebenen überprüfen, sondern es wurde sogar der Direktor der CIA, Richard McGarrah Helms (1913 –2002), persönlich über das Filmprojekt unterrichtet. Doch die CIA hatte bis zur Unterrichtung durch den BND keinerlei Kenntnis von dem geplanten Film, ebensowenig hatten das Pentagon und andere Militärbehörden der Parnass-Produktions­gesellschaft irgendeine Unterstützung in Aus­sicht gestellt hatten: Klappern gehört eben zum Handwerk.

Um so viel wie möglich auf »Mister Dynamit« Einfluss nehmen zu können, zeigte sich der BND zunächst taktisch nicht hundertprozentig vom Nutzen des Films für die eigene Behörde überzeugt und übermittelte Werner daher zuerst einmal die Ansicht, dass eine derartige cineastische Reklame unerwünscht sei. Schließlich befanden wir uns in den 60er Jahren, als das Erinnern an die eigenen Vergangenheit und das öffentliche Bekennen zur eigenen Existenz im Dienst noch in den md6»Kinderschuhen« steckte. Und das ist freundlich ausgedrückt. Werner bemühte sich daher sogleich, die Bedenken des BND zu entkräften. Um diesen für seinen Film, und aus marktstrategischer Sicht noch wichtiger, für die geplanten weiteren Produktionen, zu gewinnen, war er sogar zu Veränderungen im Drehbuch bereit. So bestätigte er beispielsweise, dass inzwischen die militärischen Ränge der beteiligten BND-Mitarbeiter weggelassen und bestimmte Formulierungen abgeändert wurden. Da der Film bereits am 4. Dezember 1966 abgedreht wurde, aufgrund des schnellen Drehweise des Regisseurs Franz Josef Gottlieb (1930 – 2006), blieb keine Woche mehr nach den letzten Verhandlungen zwischen Werner und dem BND. Die durch den BND-Präsidenten genehmigten Filmaufnahmen in, genauer gesagt, vor der Geheimdienstzentrale haben aber tatsächlich stattgefunden. C. H. Guenter soll damals persönlich vor Ort gewesen sein.

Der BND nahm die zugesagte Unterstützung durchaus ernst. Die Aufnahmen waren aber wohl zu spät für »Morgen küsst euch der Tod« gedreht worden und offensichtlich dem Schneidetisch zum Opfer gefallen. Vermutlich sollten sie bereits für den Folgefilm genutzt werden. Auch kam es zu keiner Unterstützung mehr seitens der Bundeswehr, da sie ihr Mitwirken wiederum vom BND ja abhängig gemacht hatte. Eine stärkere inhaltliche Berücksichtigung der Interessen des BND bei diesem Filmprojekt konnte also nicht mehr umgesetzt werden. Eine Einflussnahme im Sinne von Weiß war nicht mehr gegeben. Nicht mehr bei dieser Mister-Dynamit-Episode.

Allerdings erkannten beide Seiten das zukunftsträchtige Potential und stellten schon hoffnungsvoll Überlegungen an, wie der BND-Agent Urban in weiteren Filmen positiv in Szene gesetzt werden könnte. Werner gab dabei vor, dass das md8Interesse an der Verfilmung des BND-Agenten durch Lex Barker international bereits jetzt schon so groß sei, dass der nächste Film zum Thema mit dem Titel »3.000 Särge« vorbereitet werden würde. Es handelt sich dabei um den damals brandneuen Roman, der gerade erst erschienen war. Es war eine Fortsetzung der BND-Jagd von Bob Urban auf den Oberverbrecher Bardo Baretti. Um sich auch für dieses Folgeprojekt die Unterstützung des BND zu sichern, hob Werner gegenüber dem Pullacher Dienst noch einmal die herausgehobene Bedeutung der Filmhandlung, sowie die Chance zum nationalen wie internationalen Imagegewinn hervor, nämlich dass endlich einmal ein deutscher Agent die Hauptrolle spiele  und nicht immer nur die amerikanischen »Supermänner«. »Germany first«, könnte man heutzutage fast dazu sagen.

Tatsächlich sind, entsprechend den Ankündigungen Werners gegenüber dem BND von November 1966, in der Kinofassung die militärischen Bezeichnungen der BND-Mitarbeiter, anders als in der Romanvorlage, gestrichen worden. Eine freiwillige Zensur des Drehbuches hat demnach seitens der Produktionsgesellschaft tatsächlich stattgefunden. Der prognostizierte »Reißer«, wie der Untertitel des Romans es gleichsam schon verspricht, wurde »Mr. Dynamit – morgen küsst euch der Tod« dann aber leider an der Kinokasse nicht. Die Erwartungen aller beteiligten Seiten erfüllten sich nicht. Die einmalige Chance, zu Beginn der Euro-Spy-Bewegung auch einen deutschen Geheimagenten im Kino zu platzieren, ging gründlich daneben. Der Filme wurde der wunderbaren Romanvorlage nicht gerecht. Auch für den BND zerschlugen sich damit die großen Hoffnungen, durch einen erfolgreichen Kinofilm einem breiten Publikum als leistungsstarker Geheimdienst und gleichwertiger Partner etwa der CIA bewusst zu werden. Der Kontext zum BND wurde von den Kinobesuchern und Filmkritikern schlichtweg meist übersehen oder, wenn verstanden, äußerst skeptisch, weil zu dieser Zeit als nicht glaubwürdig bewertet. Ein bundesdeutscher Auslandsnachrichtendienst, der gleichwertig mit der amerikanischen CIA international agiert, war wohl vielen zu suspekt. Wenngleich es im Prinzip vollkommen richtig war.

Unabhängig von diesen Überlegungen dokumentiert das Interesse des BND an dem Film und seine Herangehensweise aber eine frühzeitig durchaus professionelle Facette des BND-md9Interessensprofils: der Kinofilm als Medium zur Imageverbesserung. Heute gehört die Unterstützung von Film- und Fernsehproduktionen selbstverständlich zur normalen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. So »amüsant« auch aus heutiger Perspektive diese Episode rückblickend anmutet, gerade wenn man die filmischen Umsetzung vor Augen hat, wurde das Projekt 1966/67 auf höchster geheimdienstlicher Ebene natürlich als ernsthaft wahrgenommen, besprochen und befürwortet. Es zeigt sich, dass der BND nicht nur um positive Einflussnahme etwa bei der Presse bemüht war, sondern auch so weit dachte, einen Spielfilm, wenn möglich, im eigenen Sinn zu nutzen. So ist »Mister Dynamit« ein Solitär geblieben und stellt damit leider bis heute den bislang einzigen Versuch dar, die Tätigkeit des deutschen Auslandsnachrichtendienstes in einem Kinofilm einem breiten Publikum, wenn auch in seiner eigenen Art und Weise umgesetzt, näher zu bringen und öffentlichkeits­wirksam zur Imagesteigerung zu nutzen.

Bodo V. Hechelhammer

Siehe auch: Mitteilung der Forschungs- und Arbeitsgruppe „Geschichte des BND“ (MFGBND), im Auftrag des Bundesnachrichtendienstes herausgegeben von Bodo V. Hechelhammer, Nr. 7, 2014.

[1] Im Film genutzte Code-Sätze zum gegenseitigen Erkennen zwischen dem BND-Mitarbeiter und seinem CIA-Kollegen.
[2] Vgl. zum Thema des Interesses des BND an dem Filmprojekt »Mister Dynamit«, Bodo Hechelhammer: Jedenfalls kommt der BND groß raus…“. Der Bundesnachrichtendienst und das Filmprojekt Mr. Dynamit, Berlin 2014; Bodo Hechelhammer, ”Die Slowly, You ´ll Enjoy it More”. The German James Bond or why the BND was interested in the movie Mr. Dynamite, in: Journal for Intelligence, Propaganda and Security Studies (JIPSS) 1/2014, S. 87-98.

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