Wakanda forever!
Von Sonja Hartl
Wakanda ist eine Utopie: Ein Staat in Afrika, der nicht kolonialisiert wurde und seine Bodenschätze, seinen Reichtum, seine technologische Fortschrittlichkeit vor der Welt verbirgt. Ein idealer Handlungsort für den Afrofuturismus – und von drei Werken optimal genutzt.
Willkommen in der „World of Wakanda“
Roxane Gay hat für Marvel ein Superheldencomic geschrieben, in dessen Zentrum zwei Frauen stehen, die Schwarz sind und einander lieben. Allein dieser Satz löste bei mir Begeisterung aus, aber ein Happy End hat diese Geschichte dennoch nicht: Ihre Reihe „World of Wakanda“ wurde nach sechs Ausgaben vorerst eingestellt.
Zu wenig Exemplare wurden verkauft, laut Marvel sei der Wunsch nach Diversität in der Comic-Welt doch nicht so groß wie manche glauben. Roxane Gay meint hingegen, man hätte für die Comics Werbung auch außerhalb traditioneller Comic-Lesergruppen machen müssen – und tatsächlich weist sie hiermit auf einen wichtigen Faktor hin: Wenn sich in Comics etwas verändern sollen, müssen auch neue Lesergruppen erschlossen werden. Außerdem – wie hier nachzulesen ist – gibt es gute Gründe dafür, dass das Distributionsmodell von Comics in den USA von vorneherein Neuerungen erschwert. Dort geht es in erster Linie um den Verkauf der einzelnen Hefte und nicht um gesammelte Ausgaben. Deshalb könnte hier leider noch ein weiterer Grund hinzu kommen: Gerade in den ersten Heften zeigt „World of Wakanda“ durchaus Schwächen.
Angelegt ist „World of Wakanda“ als Spin-Off der „Black Panther“-Reihe von Ta-Nehisi Coates und Brian Steelfreeze (Illustrator) und setzt vor den Ereignissen in deren ersten Band „A Nation unter Our Feet“ ein. Hier erfährt man vor allem die Hintergrundgeschichten der weiblichen Charaktere, die dem Black Panther dann zu schaffen machen. Im Mittelpunkt stehen die Dora Milaje, die weiblichen Sicherheitskräfte des Black Panther, die gerade auch wundervoll in Ryan Cooglers Verfilmung zu sehen sind. Mit den Zeichnungen von Alitha E. Martinez entwickelt sich in warmen, eleganten, wunderschönen Bildern die Liebesgeschichte zwischen Ayo und Aneka, die bereits im „Black Panther“-Comic so viel verdiente Aufmerksamkeit und Lob bekommen hat. Dort folgen sie als „Midnight Angels“ ihrer eigenen Mission, hier aber ist Ayo noch Anfängerin bei den Dora Milaje, Aneka ist ihre Ausbilderin, von Anfang ist aber klar, dass mehr zwischen ihnen ist. Doch diese Zuneigung verstößt gegen die Regeln der harten Ausbildung, die in harten, starken Bildern gezeigt wird. Zusätzliches Konfliktpotential bietet, dass sich der Black Panther aus den Frauen der Dora Milaje seine Ehefrau erwählen kann und sie ihm sozusagen dann zur Verfügung stehen sollten. Daher wird dieser Liebesgeschichte viel Raum gegeben – und dadurch das Tempo gerade in den mittleren Bänden verschleppt.
Zudem wird in „World of Wakanda“ auch Zenzi eingeführt, die in „Black Panther“ als Feindin von T’Challa und seinem Volk dargestellt wird. Ihr Hintergrund und ihre Entwicklung ist spannend und erlaubt tiefere Einblicke in diesen Charakter, zumal ihre Stärke, ihr Glauben und ihre Motivation sie zu viel mehr als nur eine Gegnerin für T’Challa werden lässt. Ohnehin ist das eine der Stärke von „World of Wakanda“: Die Reihe macht deutlich, dass diese Schwarzen Frauen nicht nur Nebencharaktere sein müssen – und dass sie vielfältige Figuren sind.
Die Charakterisierungen sind somit herausragend, allerdings leidet darunter ein wenig das Tempo. Denn letztlich ist klar, dass aus Ayo und Aneka ein Paar werden wird – und nicht nur das, sie werden als Midnight Angels in „Black Panther“ gegen die Ungerechtigkeiten der patriarchalischen Welt aufbegehren. Hier ist es aber so, dass die Reihe ausgerechnet dann endet, wenn die Action beginnt – in Heft 5 und 6. Sicherlich passiert zwischendurch einiges, aber das ist in „The Ultimates“ und „Black Panther“ zu lesen. Daher ist „World of Wakanda“ in den ersten sechs Ausgaben vor allem der Beginn einer Liebesgeschichte, in dem zudem einige Lücken des ersten Teils von „Black Panther“ gefüllt werden. Wenn man weiß, wohin es führen wird, erfordert es schon einige Geduld.
Daher ist es umso bedauerlicher, dass die Reihe vorerst eingestellt wurde. So bleibt nur die bemerkenswerte Tatsache, dass es sechs Hefte gibt, die von zwei afroamerikanischen Frauen gemacht wurden, deren Heldinnen ein queeres Liebespaar, stark, mutig und hochspannend sind. Das ist auch Ta-Nehisi Coates zu verdanken, der Roxane Gay empfohlen hat – und in seinem „Black Panther“ bemerkenswerte Fragen verhandelt, die in „World of Wakanda“ vielleicht auch noch aufgegriffen worden wären.
Black Panther, Coates-Edition
„Black Panther“ beginnt nach den Ereignissen in „Secret War“ (zu den Hintergründen der Figur und Reihe hat Alf Mayer spannend hier geschrieben). Wakanda wurde erobert und Shuri, die Schwester des Black Panther, ist gestorben. Die Menschen haben daraufhin den Glauben in ihren König verloren – zu Beginn gibt es eine Revolte im Great Mound, eine Mine, in der Vibranium abgebaut wird. Aber hier ahnt T’Challa, der neue König von Wakanda, bereits, dass etwas nicht stimmt: Die Minenarbeiter werden gesteuert von einer unsichtbaren Macht (Spoiler: Zenzi). Dennoch schlagen T’Challa und seine Soldaten zu – und töten ihre Landleute. Das Misstrauen im Land wächst und Coates sowie Stelfreeze behandeln Fragen, die man nicht ohne weiteres in einem Comic vermuten würde: Was macht eine Nation aus? Welche Aufgaben hat ein König? Welche Macht sollte er haben? Und ist eine Monarchie eine zeitgemäße bzw. wünschenswerte Regierungsform?
Damit nutzen sie hier eine Eigenschaft, die den Black Panther von den anderen Superhelden – mit Abstrichen bei Thor – unterscheidet: Er ist ein König. Er hat Verpflichtungen und muss Entscheidungen treffen, mit denen sich Iron Man oder Batman nicht herumschlagen müssen. Beispielsweise ob die Armee die eigenen Landsleute angreifen sollte. Dabei zweifelt man beim Lesen an T’Challa. Vielleicht liegt er mit seinen Einschätzungen falsch, vielleicht aber aucn nicht – und allein damit entsteht hier eine vielschichtige Heldenfigur.
Black Panther – Der Film
Es sind dann letztlich diese Comics, die die ohnehin schon hohen Erwartungen an Ryan Cooglers Verfilmung noch höher geschraubt haben, obwohl sie nicht der Ausgangspunkt seiner Adaption sind. Man sollte sie tunlichst vor dem Film vergessen, um dessen Errungenschaften zu erkennen: Es ist ein Film, dessen Cast überwiegend aus Schwarzen Schauspieler*Innen besteht, die in diesem Film die Guten und die Bösen, die Starken und die Schwachen, die Klugen und die Naiven, die Mächtigen und die Einflussreichen sind. Das ist in diesem Ausmaß in einem Film mit einem Riesenbudget, der in einem populären Universum spielt und noch dazu an ein weltweites Publikum gerichtet ist, bemerkenswert. Es gibt eine Vielzahl verschiedener und hochspannender Frauenfiguren; der Bösewicht ist einer der besten, den Marvel je hatte. Darüber hinaus zeigt auch der Film (wie die Comics), was möglich wäre, wenn Afrika nicht kolonialisiert worden wäre und schafft mit Wakanda die Utopie eines Staates. Auch hier klingt Kritik an Wakanda und der Herrschaftsform an, jedoch wird sie im zweiten Teil des Films zugunsten eines Gut-Böse-Vater-Sohn-Konflikt zurückgedrängt – und zudem tritt hier dann doch wieder eine Heldenverehrung ein, die allzu amerikanisch ist. Aber für einen Marvel-Film ist er außerordentlich politisch – wenngleich diese Note für Comic-Leser*Innen vielleicht ein wenig kurz kommt. (Eine ausführliche Kritik zu dem Film bei Kino-Zeit)
Aber Roxane Gays Reihe, Ta-Nehisi Coates Comis und Ryan Cooglers Film verbindet, dass hier endlich dem Black Panther der Raum verschafft wird, der das Potential dieses Superhelden und auch des Afrofuturismus zeigt. Und deshalb mag es auf den ersten Blick ertragreicher und einfacher für Marvel sein, mehr Diversität in die Comics zu bringen, indem 2014 Captain America sein Schild an den Afro-Amerikaner Sam Wilson übergeben hat oder die Rolle von Thor von Jane Wilson übernommen wurde. Aber letztlich reicht das nicht aus – und müssen auch bei den Autor*innen und Zeichner*innen Veränderungen vorgenommen werden. Von daher bleibt erst einmal nur eine Hoffnung: Wakanda!