
Der texanische Weg
Von Sonja Hartl
„Three tours in Irak but no battle for people like us“ steht als Graffiti an einer Häuserwand in einer wie ausgestorbenen wirkenden Kleinstadt gleich zu Beginn von Hell or High Water. Ein Auto fährt durchs Bild. Eine Kirche ist zu sehen. Eine müde Frau schließt die Tür zu einer Bank auf, zwei maskierte Männer drängen sie in den Bankraum und wollen die Bank überfallen. Aber sie haben einen Fehler gemacht, nicht die Frau hat den Schlüssel zum Tresor, sondern ihr Chef, der später kommt. Also warten sie auf den Chef, dabei zeigt sich ein erster Unterschied zwischen den Räubern: Während einer aufbrausend darauf beharrt, dass die Frau gefälligst Angst haben solle, versucht der andere, die Situation zu beruhigen.
Die Bankräuber sind die Howard-Brüder Tanner (Ben Foster) und Toby (Chris Pine), es ist ihr erster Überfall und er glückt ihnen. Mit der Beute fliehen sie im Wagen durch karge Landschaften, vorbei an verlassenen Farmen, verfallenen Häusern und Schildern mit Angeboten zu „Debt Relief“ oder „Fast Cash“. Die Menschen in dieser Gegend in Texas sind hoch verschuldet, sie sind dubiosen Kreditgeschäften und Immobilienangeboten auf den Leim gegangen, sie gehören zu den vielen Leidtragenden der Finanz- und Wirtschaftskrise.
Tanner und Toby sind in dieser Ecke des Landes verwurzelt: Aufgewachsen auf einer Farm mit einem gewalttätigen Vater, den Tanner „versehentlich“ erschoss, ist Tanner im Gefängnis gelandet, während sich Toby um die kranke Mutter gekümmert hat. Die Familienfarm ist hoch verschuldet, bald wird sie der Bank gehören, wenn es den Brüdern nicht gelingt, das nötige Geld zu besorgen. Aber Toby und Tanner haben einen Plan, sie sind Texaner, sie überleben auch krumme Geschäfte.Also beschließen sie, das Wechselgeld von Banken zu stehlen, das nicht markiert ist, so dass es nicht zurückverfolgt werden kann.
Im Casino waschen sie das Geld, anschließend zahlen sie es bei einer Bank ein. Dummerweise nimmt bereits nach ihrem ersten Überfall Texas Ranger Marcus Hamilton (Jeff Bridges) von ihnen Notiz. Hamilton ahnt, dass dieser Überfall nur der Auftakt einer Reihe ist – und da er außerdem kurz vor dem verhassten Ruhestand steht, will er diesen Fall unbedingt lösen.
Zwei Räuber mit edlen Motiven, verfolgt von einem knorrig-aufrechten Gesetzeshüter in Texas – schon diese Ausgangssituation verweist auf den Western. Aber Hell or High Water ist mehr als ein Neo-Western: Schon die Schilder am Straßenrand verweisen auf die Finanzierungs- und Schuldentilgungspraktiken, die diesen Film deutlich im Hier und Jetzt verankern, sie unterstreichen mühelos die Stimmung in diesem Landstrich, den Kameramann Giles Nuttgens in helle, staubig-sonnige Bilder fasst. Hinzu kommt der Soundtrack von Nick Cave und Warren Ellis und vor allem das Drehbuch von Taylor Sheridan, das die Ikonographie des Westerns mit heist-Elementen versetzt, mit Seitenhieben auf die Waffengesetze in Texas versieht und den entscheidende Hauch Noir (der im Western ja häufig zu finden ist) hinzufügt: Tanner weiß, dass sie beide damit nicht durchgekommen werden, da niemals jemand damit durchgekommen ist.
Abgerundet wird David Mackenzies großartiger Film von einer perfekten Besetzung: Jeff Bridges gibt mal wieder den Südstaaten-Grantler, Gil Birmingham seinen Kollegen – Halb-Mexikaner, Halb-Native-American und Ziel zahlloser Beleidigungen – mit trockenem Humor und Ben Foster ist herrlich unberechenbar und schmierig. Chris Pine, der bislang hauptsächlich als charmanter Herzensbrecher, eben Prince Charming aus Into the woods, besetzt war, ist überragend und zeigt in dieser vollentwickelten Rolle, dass er tatsächlich mehr als gutes Aussehen und Charme zu bieten hat. Sein Toby umwebt leise Traurigkeit und Resignation, als laste das Leben schwer auf seinen Schultern.
Dass die Motivation der Akteure klar nachzuvollziehen und keine der Figuren so eindeutig gut oder böse ist, wie es anfangs scheint, dass die Sympathien gleichmäßig verteilt sind, lässt diesen kleinen schmutzigen Film noch stärker werden. Taylor Sheridan hat bereits mit dem Drehbuch für „Sicario“ bewiesen, wie viel innerhalb eines allzu oft auserzählt wirkenden Subgenres noch möglich ist. In Hell or High Water wiederholt er dies, so dass dieses Neo-Western-Bankräuber-Drama nicht nur den Vergleich mit No Country for Old Men oder Bonnie Clyde mühelos besteht, sondern sich als erstes Genre-Highlight des Kinojahres erweist.
Sonja Hartl
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