
(l-r) Channing Tatum stars as Jimmy Logan, Riley Keough as Mellie Logan and Adam Driver as Clyde Logan in Steven Soderbergh’s LOGAN LUCKY, a Fingerprint Releasing and Bleecker Street release. Credit: Michael Tacket / Fingerprint Releasing | Bleecker Street
Verkommene Idole gegen durchmediatisierte Schauwelt
Von Dominique Ott
Nachdem er vor vier Jahren seinen Rücktritt aus der Filmindustrie angekündigt hatte, inszeniert Regisseur Steven Soderbergh nun mit Logan Lucky ein unerwartetes Comeback. Unerwartet einerseits, dass der Regisseur hinter der Ocean’s Eleven-Trilogie gerade mit einem sogenannten Heist-Film zurückkehrt, einem Genre, an dem er sich schon mehrmals mit größerem Budget, einer einladenderen Besetzung und scharfsinniger geschriebenen Dialogen versuchen durfte. Den unausweichlichen Vergleich zu früheren Genre-Einträgen des Regisseurs nimmt der Film selbst bereits vorweg, indem er sich zwischendurch als ‚Ocean’s 7-Eleven‘ bezeichnet. Diese Referenz auf eine texanische Bedarfsartikel-Geschäftskette sollte klar machen, dass Logan Lucky sich im Verhältnis zu seinen Vorgängern längst nicht so ernst nimmt.
Dieses Comeback mag außerdem den einen oder anderen Kinogänger verwundern, weil Soderbergh 2013 seinen frühzeitigen Ruhestand mit einer Frustration gegenüber des Hollywood-Studiosystems begründet hatte. Dabei kritisierte er lautstark vorherrschend willkürliche Entscheidungsinstanzen sowie die mangelnde kreative Freiheit von Regisseuren. Daraufhin wandte er sich mit The Knick zwei Jahre lang der Fernsehbranche zu. Angesichts des damals offensichtlich verärgerten Abgangs bildet Logan Lucky nun doch eine recht prompte Rückkehr in die Kinolandschaft. In dieser Hinsicht handelt es sich hier auch um etwas besonderes: Trotz Star-Besetzung und weltweitem Release steht hinter dem Film kein großer Studioname. Indem Soderbergh besonders bei dem Vertrieb auf Studios verzichtete, konnte er kreative Freiheit auf jeder Ebene bewahren, vom Final Cut über den Trailer bis hin zum Plakat. Um den Film zu finanzieren verkaufte er im vorhinein Vertriebsrechte im Ausland und spätere Senderechte. Somit wird der finanzielle Druck auf den Film verringert, während inländische Einnahmen direkt an das kreative Team hinter dem Projekt, nicht an ein Studio gehen.
Logan Lucky porträtiert eine Seite der Vereinigten Staaten von Amerika, die im Hollywood-Kino üblicherweise verdrängt wird. Die Handlung spielt in einem ruralen Gebiet von West-Virginia, das von einer mehrheitlich weißen Unterschicht bevölkert wird. Die Gebrüder Logan repräsentieren dabei die ehemaligen Idole eines längst vergessenen Amerikas. Inzwischen sind die beiden Protagonisten ebenso verkommen wie die Landschaft um sie herum: Jimmy (Channing Tatum) ist ein früherer Highschool Football-Star, der sich vor seinem großen Durchbruch das Knie irreparabel verletzte, sein Bruder Clyde (Adam Driver mit unerträglichem Südstaaten-Akzent) ein Kriegsveteran, der auf dem Rückweg aus dem Irak seine Hand verlor. Während Clyde über einen Familienfluch spekuliert, scheinen beide in einem prekären Lebensalltag gefangen, der sich hauptsächlich um Country-Musik, Oldtimer und Schönheitswettbewerbe dreht. Dann wird Jimmy aufgrund seines kniebedingten Humpelns auch noch gefeuert, während seine Ex-Frau von ihm finanzielle Unterstützung für ihre gemeinsame Tochter verlangt. Anstatt wie so viele in Trumps-Amerika seinen Frust politisch lautstark zu machen, heckt er einen Plan aus, um für seine Familie und sich doch noch ein Stück vom American Dream zu sichern.
Zielobjekt des Heists ist sein letzter Arbeitgeber, der extrem populäre (und zutiefst US-Amerikanische) Motorsportverband Nascar. Er steht für eine durchmediatisierte und von Werbung dominierte Welt, die mit atemberaubenden Shows Patriotismus anpreist. Zu ihr gehört ein Rennfahrer (Sebastian Stan), der Begriffe aus der Informatik auf sich selbst anwendet (sich nur von guter ‚Software‘ ernährt, damit sein ‚OP‘ besser funktioniert) und ein Instagram-besessener Teammanager (Seth MacFarlane), der ständig alles filmen muss, bis ein Logan endlich sein Smartphone ins Feuer schleudert. Denn die Geschwister haben es zurecht satt als Verlierer der Gesellschaft darzustehen und wollen sich deshalb mit der Institution Nascar, und die neue Schauwelt für die sie steht, messen. Im Grunde kreist der Film ständig um die Frage, ob der Fluch sich bewähren wird oder die Logans dieses mal doch lucky davonkommen.
Mit altmodischer Souveränität arbeitet Jimmy eine Strichliste ab, die ziemlich genau die Struktur eines Heist-Films vorgibt. Dazu gehört die Zusamenarbeit mit verschiedenen Helfern, wobei der Sprengstoffexperte ‚Joe Bang‘ inmitten übergreifend eindimensionaler Figuren dank der ungewohnt überspielten Darbietung von Daniel Craig (007) heraussticht. Mit plötzlichem wissenschaftlichen Eifer in Fragen chemischer Explosionsverfahren bietet er einen der gelungeneren Comedy-Momente dar und signalisiert den Logans, dass sie vielleicht auch langsam in der Gegenwart ankommen sollten. Denn die Welt in der sie leben, wirkt zu kitschig und überzogen, um wirklich ernstgenommen zu werden, wenn beispielsweise ein Auditorium voller Menschen bei einem Kinderschönheitswettbewerb ergriffen Take Me Home, Country Roads singt. Die neue Welt wird mindestens genauso kritisch betrachtet: Sie ist wie gelähmt durch all die bürokratischen Instanzen, die parallel zum Heist und noch lange danach langsam durchwandert werden müssen. Dabei fühlt sich nie jemand zuständig, weshalb auch nie gehandelt wird (selbst wenn sich ein Versicherungsbetrug andeutet). Da könnte sich der veraltete analoge Zugang der Logans doch als vorteilhaft erweisen.
Zum Ende hin tappt Logan Lucky leider –wie schon andere Einträge in das Genre, die zu ’smart‘ für ihr eigenes Wohl sein wollen (Ocean’s Twelve)– in die Falle, so viele Wendungen einzubauen, dass die Ausgangssituation nur noch wenig Sinn ergibt. Dabei geht der Film zu perfekt auf, sodass sich nicht mehr als ein amüsiertes Lächeln daraus mitnehmen lässt.
Dominique Ott
Logan Lucky. USA 2017, 118 min.