Geschrieben am 8. März 2014 von für Crimemag

Gustavo Machado: Unter dem Augusthimmel

Layout 1Doppelmord im brasilianischen Winter

‒ Eine flotte, leichte Lektüre mit intellektuellem Touch bietet Gustavo Machado in seinem Debütroman „Unter dem Augusthimmel“. Auch die Standardzutaten Sex & Crime kommen nicht zu kurz und werden vage in eine politische Situation eingebettet, in der die Polizei Verdächtigte foltert und die Regierungspartei ihre Tentakel in alle gesellschaftlichen Ebenen ausbreitet. Doris Wieser ist skeptisch.

Protagonist Otto ist Maler und als solcher meist knapp bei Kasse. Sein Jugendfreund Teo, hoher Beamter und Mitglied in der linken Regierungspartei, beschafft ihm einen Job in einer Art Volkshochschule. Dort soll er Malkurse erteilen. Gleich in der ersten Stunde sticht ihm die 24-jährige Kursteilnehmerin Sophia ins Auge, mit der er ein leidenschaftliches Verhältnis beginnt. Bald stellt sich jedoch heraus, dass Sophia von ihrem 61-jährigen Ehemann, einem stinkreichen Bauunternehmer, windelweich geschlagen wird. Sie bittet Otto, ihr bei der Flucht von Porto Alegre nach Uruguay zu helfen. Natürlich geht die Unternehmung schief, ein Problem führt zum anderen, und am Ende findet sich Otto mit einem zugeschwollenen Auge und einigen anderen Verletzungen und des Doppelmordes angeklagt auf einer Polizeistation wieder, wo er dem Dienstellenleiter seine Geschichte erzählt.

Schmöker

Ein unterhaltlicher Plot entspinnt sich, zu dem die 15-jährige, sexhungrige Berta, Ottos Nachbarin, ihren Teil beiträgt. „Unter dem Augusthimmel“ ist alles in allem ein nach den Regeln der Kunst gestrickter Krimi, den man gerne liest und danach unbekümmert wieder weglegt.

Oder steckt doch mehr dahinter? Ansatzweise zumindest. Der Roman versucht atmosphärisch zu sein, indem er einen besonders kalten brasilianischen Winter darstellt. (In den Bergen schneit es sogar, was Brasilianern immer besonders erwähnenswert erscheint.) Die kalte, schwierig einzufangende Farbe des Augusthimmels beschäftigt Otto als Maler; Berta bringt ihm den Genuss an Jazz und Bebop bei; am Rande fallen unscharfe Blicke in die Abgründe eines diktatorischen Systems; Themen wie Protektionismus und Korruption werden angetippt, sind aber nicht deutlich auf eine bestimmte historische Situation bezogen (etwa die brasilianische Militärdiktatur von 1964‒1985). Der Roman spielt in einem Kontext, in dem sich die linken Studentenrebellen von damals in verbürgerlichte Staatsdiener verwandelt haben, die keinen Widerspruch zwischen ihren teuren Schlitten und ihrer angeblich sozial(istisch)en Ideologie sehen.

Der Traum von der Revolution

Gustavo Machado (*1970, Porto Alegre/Brasilien) gliedert sich mit dieser Haltung in die Reihen derjenigen Lateinamerikaner ein, die aus dem nicht zu Ende geträumten Traum der kubanischen Revolution und ihren Folgen in Ländern wie Venezuela, Bolivien, Nicaragua oder Brasilien erwacht sind. Für ein echtes Wachrütteln bleiben die Erzählerkommentare jedoch zu rudimentär. Möglicherweise verbirgt sich dahinter aber das Unbehagen des Autors an der brasilianischen Arbeiterpartei, dem ehemaligen Präsidenten Lula da Silva und seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff. Aufgrund seiner Vagheit diesbezüglich wirkt der Roman gewissermaßen universell aber auch unverbindlich, um nicht zu sagen oberflächlich. Ein unterhaltlicher, sauber und stringent geplotteter Urlaubsschmöker ist er jedoch allemal.

Doris Wieser

Gustavo Machado: Unter dem Augusthimmel (Sob o Céu de Agosto, 2010). Deutsch von Lisa Graf-Riemann. Cadolzburg: ars vivendi 2013. 175 Seiten. 16,90 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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