Der nette Deon Meyer
– Was ist los, in Südafrika? Eine Menge grandioser Romane, eine Menge interessanter Autorinnen und Autoren, eine Menge widersprüchlicher Einschätzungen und Aussagen über den politischen, gesellschaftlichen und auch literarischen Status Quo. Wer könnte zur Erhellung mehr beitragen als Deon Meyer? Anlässlich einer Lesung seines neuen Romans „Sieben Tage“ (hier bei crimemag) hat sich mit ihm Henrike Heiland unterhalten …
Es gibt Gespräche mit Autoren, nach denen ist man etwas enttäuscht. Da hat man die Bücher im Kopf und erwartet – na ja, man erwartet eben etwas, das den Büchern entspricht. Sollte man sich nach so vielen Jahren abgewöhnt haben. Aber manchmal ist man auch ein wenig irritiert, obwohl man gar nicht so viel erwartet hat. Nach Gespräch und Lesung mit Deon Meyer war ich etwas irritiert. Dabei traf ich einen höflichen, netten, zuvorkommenden Mann, der eine optimistische Stimmung verbreitete und eigentlich nur Positives sagte: Südafrika sei ein tolles Land, nicht nur wunderschön, sondern auch noch sicher für Touristen, die Verbrechensrate läge diesbezüglich ähnlich niedrig wie die von Wales oder Irland. Henning Mankell sei ein toller Kollege, Roger Smith ebenso, und überhaupt gäbe es nur tolle Kollegen. Jede Art Literatur sei toll und wichtig, und nein, er sähe sich gar nicht so als Krimiautor oder Thrillerautor oder überhaupt einem Genre zugehörig, er wolle ja nur gute Geschichten schreiben. Und wo denn der nächste offizielle Apple Store sei. „Was ist das für ein Handy? Ein HTC? Sie sind die erste Frau, die ich in Deutschland sehe, die kein iPhone hat.“ Und außerdem: „Samsung ist irgendwie nicht so toll, oder?“
Kein Hass!
Dieser Mann schafft es nicht mal zu sagen, dass er etwas hasst. Deon Meyer hasst nicht, er mag nur manche Sachen nicht. Lesungen zum Beispiel strengen ihn an. Aber er hasst sie nicht. Hass sei so ein starkes Wort. Er verwendet es nicht mal scherzhaft. Natürlich nicht. Dafür betont er gerne die Fortschritte, die die junge, erst achtzehn Jahre alte Demokratie im Lande macht.
Ein paar Tage später sehe ich im Kino einen Werbefilm für Südafrikatourismus. Ich muss an Deon Meyer denken. Schöne Landschaften, glückliche Menschen. Die glücklichen Menschen sind entweder schwarz und tanzen, oder sie sind weiß und machen Urlaub.
Meyers Bücher sind nicht so. Sie thematisieren, was von der Apartheid noch da ist. Sie erzählen von Kapstadt, von den vielen unterschiedlichen Sprachen des Landes (es gibt elf Amtssprachen), den unterschiedlichen kulturellen Identitäten und welche gesellschaftlichen Folgen sie haben. Es geht um die real existierende Kriminalität. Meyer sagt, dass er nur eine Momentaufnahme liefert, einen kleinen Ausschnitt dessen, was das Land ausmacht.
Sein aktueller Titel, „Sieben Tage“, ist erzählerisch konventioneller als beispielsweise der Vorgänger „Rote Spur“. Ein police procedural mit etwas Einblick ins Privatleben des Hauptermittlers. Immer mal wieder die Perspektive des Heckenschützen eingestreut, sonst fast minutiös genaue Polizeiarbeit. Warum schreibt er über Verbrechen, frage ich ihn, also: Warum Krimis? Und er antwortet, als wäre es selbstverständlich: „Weil das jeder kennt – die Angst, dass man selbst zum Opfer wird.“ Hat er nicht im Hinterkopf, was er an (gesellschafts-)politischen Themen in seinen Romanen transportiert? Da wird er wieder ganz zurückhaltend, nein nein, es geht um eine gute Geschichte, nicht mehr und nicht weniger. Um Unterhaltung.
Was ich erwartet habe? Einen Vortrag darüber, welche Missstände in dem Land herrschen? Einen verzweifelten Aufschrei über das Elend? Zumindest eine offenere Diskussion, vielleicht sogar Visionen, wie es mit dem Land weitergeht. Wie er die Situation beurteilt. Aber wer weiß, möglicherweise hab ich die falschen Fragen gestellt.
Machen, nicht reden
Später am Abend wird Deon Meyer auf der Bühne interviewt – die Lesung findet bei Dussmann statt –, und er sagt ungefähr dasselbe, auch wenn die Fragen andere sind. Er wird auch darauf angesprochen, dass er mit seiner Frau zusammen ein Projekt leitet: Arme Kinder bekommen einmal am Tag eine warme Mahlzeit, und für die Wintermonate werden warme Schuhe verteilt. Meyer ist jemand, der offenbar nicht gerne redet, sondern einfach macht. (Und schreibt.) Und es ist letztlich nicht verwunderlich, dass er versucht, grenzenlosen Optimismus zu verbreiten. Dass er der beste Botschafter ist, den sich die Tourismusindustrie Südafrikas wünschen kann.
Er gehört zur weißen, afrikaanssprachigen Schicht. Noch bis vor achtzehn Jahren waren weiße, afrikaanssprachige Männer an der Macht und trieben die Apartheid voran. Meyer will nicht mit ihnen verwechselt werden. Er lobt die Demokratie, die kulturelle Vielfalt des Landes, die Fortschritte. Es ist klar, warum er das Wort „Hass“ nicht leichthin gebrauchen will. Die Frage, wie politisch ein Autor sein muss, der in einem Land wie Südafrika lebt und schreibt, stellt sich. Gerade, wenn er weiß und afrikaanssprachig ist. Oder sollten die Bücher für sich sprechen, und der Autor bleibt im Hintergrund? Setzt sich auf sein Motorrad und dreht einsame Runden?
Kompliziert
Etwas klingt im Text immer wieder an. „Dieses Land ist kompliziert“, heißt es da, wenn Bennie Griessel mit den Ermittlungen nicht weiterkommt. Später sagt sein Kollege Boshigo: „Warum können wir nicht dieses Wir-Gefühl erreichen? In unserem Land. Auf der ganzen Welt. Schließlich leben wir alle auf diesem kleinen Planeten.“ Boshigo wünscht sich den Weltfrieden, die große Völkerverständigung. So weit die Botschaft, vermutlich die des Autors. Politisch korrekt, gut und rein.
Gelesen werden keine Stellen, die mit dem Land zu tun haben. Am Ende wird das Publikum nicht aufgefordert, Fragen an den Autor zu stellen. Ist das so geplant? War es Meyers Wunsch, um nicht über die Schattenseiten des Landes zu reden? Dabei twittert er doch den ganzen Tag, scheint ständig in Kontakt mit seinen Lesern zu sein, offen für alle Fragen, jederzeit bereit zu antworten. Nur schriftlich? Nur im virtuellen Raum?
Die Irritation bleibt. Hat man doch mehr Fragen nach einem Gespräch mit ihm, als man vorher hatte.
Henrike Heiland
Zur Webseite von Deon Meyer. Zur Homepage von Henrike Heiland. „Rote Spur“ besprochen von Thomas Wörte gibt es hier. Titelfoto: Krimidoedel; Lesungsfotos: Henrike Heiland