Geschrieben am 28. April 2012 von für Crimemag, Porträts / Interviews

Henrike Heiland über Val McDermid

Val McDermid und warum sie das Internet so sehr liebt

– Henrike Heiland über Autoren und soziale Netzwerke.

Schreiben ist ja ein einsamer Beruf. Oder war es zumindest, bevor es das Internet gab. Dank Internet sind wir alle rund um die Uhr mit hunderten anderen mehr oder weniger einsam vor sich hin arbeitenden Menschen verbunden, tauschen uns aus, lassen uns mit schwierigen Fragen helfen, recherchieren auf diesem Weg. Manche lassen so über die Covervorschläge ihrer Verlage oder mögliche Buchtitel abstimmen, andere stellen ganze Textpassagen vor, wieder andere stoßen Grundsatzdiskussionen über Schreiben/Selbstmarketing/Genrespezifika/Kochrezepte an. Für viele Schriftsteller ist das Internet zum Literatursalon, zum Café, zum Marktplatz geworden. Gute Sache oder Zeitfresser?

„Prima Sache“, sagt Val McDermid, als wir sie in Berlin vor ihrer Lesung am 23.4. im Heimathafen Neukölln treffen. Val nutzt das Internet intensiv zur Recherche. „Dialekte, zum Beispiel“, sagt sie. „Früher musste man quer durch Großbritannien reisen, wenn man wissen wollte, wie jemand in einer bestimmten Region spricht. Heute reicht Internetradio, und schon hat man die verschiedenen Stimmen.“ Die Schottin findet es wunderbar, dass sie ihr Haus nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit verlassen muss. Wenn man so abgelegen wohnt wie Val – Northumberland meistens, der bevölkerungsärmste Landstrich in England –, ist das ein nicht wegzudiskutierender Vorteil.

Nutz und Frommen

Und die Darstellung als Autorin im Internet? Val hat eine Homepage, auf der es früher auch mal ein Forum gab, aber das Forum hat sie geschlossen. „Wozu“, sagt sie, „wenn man mich auch auf Facebook oder Twitter erreichen kann?“ Die Homepage hat die Funktion eines Infoboards, aber der direkte Kontakt mit der Autorin findet woanders statt.

Val McDermid kann man sich, was die Nutzung der sozialen Netzwerke angeht, zum Vorbild nehmen. Anfangs noch musste sie vom Verlag dazu überredet werden, „Geh doch mal auf Facebook, das gehört dazu, das muss heutzutage so“. Und schnell fing es an, ihr Spaß zu machen. Der direkte Kontakt, die Möglichkeit zu Diskussionen. „Auf keinen Fall“, sagt sie, „darf man nur Werbung für die eigenen Bücher und Veranstaltungen posten. Dazu gibt es die offizielle Fanseite, die dann auch klar erkennbar vom Verlag geführt wird, aber auf die persönliche Facebookseite gehören andere Dinge. Natürlich darf man auch nicht zu privat werden. Es ist eine Gratwanderung zwischen Nähe aufbauen und die Privatsphäre schützen.“ Klar, was die Facebookies wissen, weiß auch die Presse, und wenn ein Stalker erstmal die Privatadresse kennt, macht das auch keinen Spaß mehr.

Fanbase

Bringt denn die ganze Zeitinvestition auf Facebook auch eine neue Leserschaft? „Kaum bis gar nicht. Ich sehe die Funktion darin, die bestehende Fanbase zu binden. Da sind lauter Menschen, die sich die Mühe machen, meine Bücher zu lesen, und ich möchte ihnen doch auch etwas zurückgeben.“ Allerdings zieht sie sich mehr und mehr von Facebook zurück. Die ständigen Änderungen in den Einstellungen nerven sie, das Sortieren der Meldungen auf der Startseite ist komplizierter geworden, sie nimmt Abstand und lässt sich dort weniger blicken. Und dann ist da noch eine Sache, die sie an Facebook unheimlich nervt: „Diese Leute, die sich mit mir ‚anfreunden‘, um zwei Sekunden später Werbung für ihr Buch auf meiner Pinnwand zu machen. Das geht gar nicht. Ich lösche sowas sofort und schreibe eine Nachricht: Hey, das ist nicht der richtige Ort für deine Bücher, mach das nochmal, und ich ‚entfreunde‘ dich. Es gibt eine Menge Leute, die trotzdem wieder ihr Buch auf meine Pinnwand klatschen. Und die muss ich dann rausschmeißen. Schließlich ist das meine Seite, es ist meine Fanbase, und wenn ich Bücher empfehle, dann mache ich das auf meine Art und wann ich Lust dazu habe.“ Das Thema regt sie ziemlich auf. Verständlich. Kennt wahrscheinlich jeder, der auf Facebook ist. Ach, und dann noch was: „Manche Leute schreiben: Hi, schön, dass wir Freunde sind, vielleicht les ich auch mal eins von deinen Bücher. Da denk ich mir doch: Hä, was machst du hier eigentlich, wenn du mich nicht kennst?“

Twitter

Jetzt ist sie verstärkt auf Twitter. „Ich konnte mir erst gar nicht vorstellen, was ich mit Twitter anstellen soll. Aber dann hab ich verstanden, es hat seine eigenen Gesetze und seine eigene Sprache. Twitter ist großartig. Und ich folge nur, wem ich folgen will, niemand verstopft mehr die Timeline.“

Sie hat viel Kontakt mit ihren Fans, beantwortet ihre Fragen, twittert aber auch viel mit Kolleginnen. „Ein tolles Netzwerk. Und man muss sich dank Internet nicht umständlich irgendwo treffen. Wir sind alle auf Twitter und tauschen uns aus.“ Ja, sie liebt es wirklich, dieses Internet. „Es wäre nicht okay, wenn ich einfach alles, was ich twittere, auch automatisch auf Facebook schicke, wenn ich gleichzeitig keine Lust habe, mich mit Facebook auseinanderzusetzen. Deshalb bin ich sehr viel mehr auf Twitter.“

Und ja, nicht nur sie liebt das Internet, das Internet ist auch gut zu ihr. Sie hat sich eine treue Fangemeinde hart erarbeitet, und ihre Mischung aus halbprivaten Kommentaren, Smalltalk mit den anderen und Infos wirkt so authentisch, erfrischend direkt und witzig, wie Val McDermid auch im wirklichen Leben rüberkommt. Und wo wir schon über Dinge reden, die man nicht greifen kann, zum Abschluss noch ein Wort zum Thema E-Books: böse Sache, gute Sache? „Prima, wenn man viel unterwegs ist, zum Beispiel. Und keine Bedrohung für das Buch. Das Buch wird bleiben. Man darf es nicht als Entweder-Oder begreifen. Es ist ein Miteinander. Die Angst vorm E-Book ist unbegründet.“

Danke, Val McDermid, für das Gespräch. Wir wünschen viele neue Follower auf Twitter.

Henrike Heiland

Val McDermids Homepage und ihre Präsenzen bei Facebook und  twitterWebseite von Henrike Heiland.

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