Von Maulwürfen und Menschen
– Als Roman ein Klassiker, als BBC-Fernsehserie für unschlagbar geltend: „Dame, König, As, Spion“ von John le Carré, Teil der Carla-Saga … Und im Zuge der Retro- und Remake-Welle neu verfilmt im Kino. Dringender Anlass für einen Kino-Check. Von Dirk Schmidt.
Ach, nee – der Plot wird nix mehr. Über die maulwurfslochgroßen Lecks, die John le Carré in der Story von „Tinker, Taylor, Soldier, Spy“ unter 400 brillant geschriebenen Seiten versteckt, kann man in einem 2-stündigen Kinofilm nicht so leicht hinwegsehen. Eine simple Frage an den Ex-Agenten Jim Prideaux würde genügen und George Smiley wäre bereits nach ca. 22 Filmminuten klar, wer der Maulwurf ist, den der britische Geheimdienst MI6 in seinen Reihen hat.
Aber ja – das ist gleichgültig und selten so gleichgültig gewesen. Denn dieser Film hat von der ersten Minute an viel mehr zu geben als die Antwort auf die Frage, wer es wohl war. Und sein Ehrgeiz ist weiter gespannt, als es die nostalgische Beschwörung einer Vergangenheit verlangt, in der die Welt sauber in Böse und nicht ganz so Böse geteilt war und es dem Einzelnen überlassen blieb, sich zu entscheiden auf jeweils welcher Seite des Eisernen Vorhangs die beiden Zustände zu lokalisieren seien.
John le Carrés Romane leben von der Unschärfe und ihrem Bewohner George Smiley, der wahrscheinlich auch nur dort überlebensfähig ist.
Gary Oldman gibt sich keine Mühe, uns in die Figur einzuführen. Er legt Smiley nicht an, er tritt nicht in oder neben die großen Fußstapfen von Alec Guinness, (der in den 70ern eine bis heute gültige Interpretation der Figur gab) Gary Oldman ist George Smiley. 17 Filmminuten dauert es, bis er zum ersten Mal spricht. Zuvor hat der Zuschauer erlebt, wie Prideaux in eine Falle lief, Control der Chef des MI6 daraufhin seinen Hut nehmen muss und seine rechte Hand Smiley gleich mitentsorgt wird. Smiley wandert durch London, lässt sich eine neue Brille (!) anpassen, geht schwimmen, wird eines Abends abgeholt, aufgefordert die Suche nach dem Maulwurf aufzunehmen und antwortet mit einem kühl lapidaren „I am retired“.

Alec Guinness und Gary Oldman
Vielleicht ist es dieses Szene in der sich der Zuschauer endgültig entscheiden kann, ob er dem sich jetzt langsam, aber stetig entwickelnden, durchaus spannenden, Spionage-Thriller zusieht oder aber seine Sinne ganz weit öffnet und versucht den Details der einzigartigen Atmosphäre und den kleinen, feinen Nuancen im Spiel der bis in die letzte Neben-Nebenrolle grandios aufgelegten Darsteller zu folgen. Tomas Alfredson inszeniert das Zusammenspiel als Ballett der Blicke und leisen Gesten. Das Ungesagte hat oft mehr Gewicht als die präzisen Dialoge und große Gefühle wohnen in einsamen Räumen.
Die immer wiederaufgenommene Sequenz einer MI6 Weihnachtsfeier, bildet eines der Bänder, die den Film zusammenhalten. Tabakschwaden, Alkoholdunst, fürchterliche Musik und als Höhepunkt des Abends ein Weihnachtsmann in Leninmaske und das Absingen der sowjetischen Nationalhymne.
Der Film sucht solche Gruppenszenen, um seine Geschichte nur mit Hilfe der Gesichter erzählen zu können. Am Schluss kehren wir noch ein letztes Mal zur Weihnachtsfeier zurück und blicken noch einmal in das Gesicht des Verräters und das seines besten Freundes, in die Gesichter Smileys, Controls und der anderen. Die Schnittfolge handelt nur auf den ersten Blick von der pflichtschuldigen Beantwortung der noch offenen Fragen. Vielmehr ist es eine letzte Reflexion über Freundschaft, Liebe, Einsamkeit, Pflichterfüllung, Treue und was der Verrat damit macht. Dieses kleine Wunder einer Sequenz in der dann irgendwann sogar die fürchterliche Musik großartig wirkt, krönt einen wunderbaren Film, der alle Chancen hat zu einem Klassiker zu werden.
Und weil es Perfektion nicht gibt, findet sich immerhin ein Komparse, dessen Schauspielkunst Anlass zu Kritik bietet. Seine Darbietung beim Absingen der sowjetischen Hymne wirkt allzu steif, eingeübt und irgendwie unglaubwürdig. Aber das ist verzeihlich – es handelt sich um John le Carré.
Dirk Schmidt
Dame, König, As, Spion. GB 2011. Originaltitel: Tinker Tailor Soldier Spy. Regie: Tomas Alfredson. Drehbuch: Peter Straughan, Bridget O’Connor. Darsteller: Colin Firth, Tom Hardy, John Hurt, Toby Jones, Mark Strong, Benedict Cumberbatch, Ciarán Hinds, Gary Oldman, David Dencik, Kathy Burke. Produktion: Working Title, StudioCanal.Verleih: Kinowelt. Länge: 127 Minuten. FSK: 12 Jahre. Start: 2. Februar 2012
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