Geschrieben am 12. Juni 2010 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Klaus Kamberger: Höfliches Anschreiben, Teil I

Liebe Abteilungsleiter, Redakteure, Dramaturgen …

Wer sich dem harmlosen Vergnügen des Fernsehschauens konzentriert hingibt, macht viele verblüffende Beobachtungen. Und manchmal möchte man dann seine Lehren daraus ziehen und die Früchte ernten. Klaus Hamberger hat viel ferngesehen und zieht die richtigen Konsequenzen. Hier Teil I eines höflichen Anschreibens.

Allfällige Bewerbung

oder

Zehn Gründe, warum auch in mir das Potenzial zu einem exzellenten Drehbuchautor stecken könnte

Liebe Abteilungsleiter, Redakteure, Dramaturgen und sonstige Macher beim Fernsehspiel und in den outgesourcten Produzentenbüros!

Ich darf wohl in aller Unbescheidenheit von mir sagen, dass ich ein ebenso fleißiger wie aufmerksamer TV-Krimi-Serien-Gucker bin und mich als solcher mehr als in der Lage sehe, nun selber Substanzielles zu diesem Genre beitragen zu können. Da ich indessen von drehtechnischen Details wie Einstellung, Filmschnitt, Bilddramaturgie etc. noch nicht genug verstehe (obwohl mein Handy immerhin auch eine Videofunktion besitzt und ich somit den Umgang mit bewegten Bildern kenne), beschränke ich mich wohlweislich darauf, Ihnen mein Talent als Drehbuchschreiber zu offerieren. Natürlich werde ich mir dabei den einen oder anderen Seitenblick auf das Metier des umsetzenden Regisseurs nicht verkneifen. Ein guter (vulgo: mitdenkender) Drehbuchautor kann schließlich dem Regisseur die Arbeit nicht zuletzt durch eigene werkadäquate Vorschläge erleichtern und zugleich Willkürakte und sonstige kreative Zwangshandlungen an seinem Skript (welch pejorativer Beiklang!) zu minimieren versuchen …

Wie gut ich mich auskenne, mag Ihnen der folgende Dekalog guter Vorsätze demonstrieren, mit deren Befolgung ich die Arbeit aller Beteiligten qualitativ auf eine neue Stufe zu befördern mich anheischig mache:

Erstens:

Aus der Welt der Oper kennt man ja den alten Streit, der da lautet: „Prima la musica – prima la parole?“ Für den modernen Film als solchen und den Krimi als seinem umsichgreifenden Derivat ist diese Dialektik von Wort und Ton obsolet geworden. Also werde ich dem gesprochenen Wort keinesfalls mehr eine eigenständige Bedeutung beimessen, sondern dieses nur noch so plazieren, dass musikalischer wie sonstiger Hintergrundlärm („Atmo“!) hinreichen, um das Ganze auch so zu verstehen.

Zweitens:

Da Dialoge im Krimi (das sind vor allem Vernehmungen, Verhöre, Zeugenbefragungen u. ä.) filmisch gesehen ohnehin nur eine sehr eingeschränkte Bedeutung haben, werde ich sie nicht unziemlich in den Vordergrund zu befördern versuchen, sondern diese eher nebenbei ablaufen lassen. Was zählt – das weiß ja schließlich jedes Greenhorn schon aus dem Mickey-Mouse-Heft –, ist „action“ und noch einmal „action“! Bei mir wird darum der Ermittler niemals dem Tatverdächtigen oder Zeugen bloß gegenüberstehen oder -sitzen, ihn durchdringend anblicken und sich mit einem überlegenen Lächeln dessen ängstlich-verstockt-schnoddrig-mürrischen Antworten anhören. Mein Gott, das ist ja reines Hörspiel.

Bei mir putzt der Ermittler nebenbei noch seine Waffe, checkt die neuesten SMS auf seinem Handy, tippt selber eine. Ergänzend sollte er extensiv seine Marotten pflegen: nachdenklich am Ohrläppchen zupfen, eine Prise Schnupftabak einziehen, ungeduldig auf seine Rolex schauen und diese in die Kamera halten oder eingehend die Pizza untersuchen, die ihm sein trotteliger Assistent oder seine tief dekolletierte Partnerin (derzeitige Dienstkleidung!) vorbeibringen … Der Befragte indes hat da noch ganz andere Entfaltungsmöglichkeiten. Er spielt dabei ungestört seine Partie Billard im Kiezlokal herunter, hackt mit blitzendem Beil wütend Holz für den Kamin, putzt hingegeben mit blitzendem Messer Gemüse, schraubt eifrig am Motorrad, schneidet versunken den Rosenstock im Vorgarten, sortiert den Müll oder steht vor dem Spiegel und schrubbt sich elektrisch die Zähne. (Wobei dem Touchieren, Hacken und Schrubben dabei schon deshalb der Vorzug zu geben wäre, weil sich so auch noch der Tonmann in der Crew selbstverwirklichen kann.)

Drittens:

Verhöre im engeren Sinne finden ja leider meistens in kahlen Verhörräumen statt. Da lässt sich in der Tat nur wenig auflockern. Höchstens dass die verhörte Person plötzlich auf den blinden Spiegel zustürmt, gegen diesen trommelt oder sonst einen Anfall bekommt. Im Vorfeld zu dieser Art von strengem Verhör hat hingegen eine geradezu unverzichtbare Einrichtung schon Platz gegriffen. Nennen wir sie eine mobile Immobilie, die sich wie keine zweite zur aktiven Bebilderung anbietet.

Das ist natürlich die allgegenwärtige Würstchenbude in ihrer ganzen Vielfalt. Zwar ist hier zugegebenermaßen in letzter Zeit schon einiges an innovativem Gehirnschmalz in die Krimi-Produktion geflossen. (Ich denke da zum Beispiel an die einsame Würstchenbude unter der Rheinbrücke oder im menschenleeren Containerhafen, wo sich mangels sonstigen Publikumsverkehrs schließlich eine große Gesprächsintensität vor pittoreskem Hintergrund herstellen lässt). Aber abgesehen von dem abwegigen Verdacht, hier könnte einigen Filmemachern so etwas wie die blanke Ironie die inszenatorische Feder geführt haben, ist zu konstatieren, dass die Imbissbude als solche kriminaltechnisch noch längst nicht ausgereizt ist. Nicht nur, dass man an ihren Stehtischchen aufs Eindringlichste die Misere des polizeilichen Alltags beschwören kann: Ohne Rücksicht auf seine Gesundheit muss sich der Ermittler ob des notorischen Ermittlungsdrucks dort kalorienreiches Bier respektive zuckerträchtige Koffeinbrause und fette Currywurst zuführen.

Der Imbiss kann indes noch ganz andere Dimensionen entwickeln, bis hin zu einer quasi eigenständig dramaturgischen Komponente, die eindeutige Zuordnungen erlaubt. Türken werden an der Dönerbude in die Enge getrieben, Chinesen am Chop-Suey-Stand, Japaner am Sushi-Fließband, Italiener beim Pizzabäcker, Eskimos am Eis-Wagen, Amerikaner am Kaugummi-Automaten … Die Botschaft ist klar: Vor dem (deutschen) Ermittler ist keiner sicher, mag er sich auch noch so sehr in seine eigene Welt zu flüchten versuchen.

Viertens:

Kommen wir nun zu dem Ambiente, in dem der (deutsche) Ermittler gewöhnlich sein Leben zu fristen hat, wenn er nicht gerade im Außeneinsatz (an der Würstchenbude, am Billardtisch) sein Leben riskiert. Auch in Sachen Einrichtung seines Büros hat sich da in letzter Zeit zwar schon einiges getan: Früher gab es ja nur diese abgewetzten Rollo-Schränke, meterweise Aktenordner, eine versiffte Filterkaffee-Warmhaltekanne in der Ecke und als Deko-Objekt das eine oder andere kümmerliche Kaktustöpfchen auf der abblätternden Fensterbank oder am Rand eines 50er-Jahre-Holzschreibtischs. Mittlerweile schwenkt die Kamera auch schon mal in multiplen Großräumen aus Stahl und Glas an Flachbildschirmen und blinkenden Espressomaschinen vorbei (wenn auch der deutsche Ermittlungsbeamte weiterhin alles kann, nur nicht Kaffee kochen oder den dauerstreikenden Apparat überhaupt mal zum Laufen bringen).

Doch auch hier sind weiteren Ausbaumöglichkeiten des krimiaffinen Arrbeitsplatzes noch längst keine Grenzen gesetzt. Nun gut, in Köln etwa ist bereits ein Anfang gemacht – mit einem echten Warmwasser-Aquarium, wie man seinesgleichen sonst nur aus dem China-Restaurant kennt (ob es sich da um ein nicht-restituiertes Asservat aus dem letzten Triaden-Fall handeln könnte?). In meine Drehbücher werde ich aber noch ganz ganz andere Sachen hineinschreiben: Büro-Kuschelecken mit Musikberieselung, in denen sich Ermittler und Zeuge/Verdächtiger mal richtig nahe kommen können – man weiß ja, die menschliche Komponente wird in diesen unwirtlichen Zeiten immer bedeutsamer! Oder ein Entspannungsbecken, in dem die Ermittlerin auch mal zeigen kann, wie toll sie eigentlich im Bikini aussieht, oder in dem ein Triebtäter z. B. dadurch überführt werden kann, dass man ihn hier in Badeshorts, also quasi nackt, sieht und er sein Tatwerkzeug nicht mehr verstecken kann. Auch das Polizeilabor ließe sich zu einer Art Begegnungsstätte für alle Arten von krimitypischen Protagonisten ausweiten: Pathologen, die sich hier ihren Hausschnaps brennen; Alkoholiker, die einen Blick auf formalingetränkte Leberversteinerungen werfen dürfen; Triebtäter, die anhand von DNA-Pröbchen eigenhändig die Schicksalhaftigkeit ihres schnöden Tuns zurückverfolgen können.

Fünftens:

Ich bin mir bewusst, dass auch der Ermittler wie jeder andere Mensch erstens Beziehungen und zweitens Probleme mit selbigen hat. Ich werde also nicht müde werden, diese Probleme entsprechend zu entfalten, auch wenn sie so gut wie nichts mit dem abzuhandelnden „Fall“ zu tun hat. Ohne diesen „human touch“, der am besten das blanke Mitleid mit unseren geschundenen Wahrern von Recht und Ordnung evoziert, geht heutzutage gar nichts mehr.

Früher war das bekanntlich anders, aber sicher nicht besser: Hercule Poirot lebte sein jungfräulich unberührtes Leben mit seinen grauen Zellen, Inspektor Columbo zitierte nur hin und wieder eine ihn fernlenkende Mrs. Columbo, derer wir aber nie ansichtig wurden, Maigret mauerte seine Madame (ich denke mal: Kittelschürze, Kompressionsstrümpfe, Dutt) in der heimischen Küche ein, eine Frankfurter Kommissarin telefonierte immerhin mal ab und an mit einem gewissen Jonathan … Aber im Grunde waren sie alle geschlechtslose Wesen und blieben es auch im deutschen Serienkrimi. Ich sage nur: Ode, Lowitz, Schimpf, Tappert. Ausnahmen fallen da kaum ins Gewicht (ein gewisser Matula mit fallweise einem Häschen im Bett; sogar Frau Odenthal hatte mal zu Olims Zeiten einen Lover – ein einziges Mal, es muss ihr also gereicht haben … Heute reichts nur für ein schnelles Match; selbst unser Wagner-Freak hat seine Anna ja schon bald dienstlich zu entsorgen und ins traute Heim zu delegieren gewusst).

Diese offenbar „systemische“ Geschlechtslosigkeit, wie man sie den Altvorderen angedeihen ließ, hat heutzutage keinerlei Relevanz mehr. Ganz im Gegenteil: So wie es heute kaum mehr einen Krimi ohne Triebtäter gibt, darf es auch keinen Kommissar, keine Kommissarin mehr ohne Triebe geben. Das ist mittlerweile Gemeingut: Auch der deutsche Bulle hat einen Unterleib! Aber bei der Umsetzung hapert es noch gewaltig, und hier werde ich ansetzen. Wann tummeln sich endlich Frau Sawatzki und Herr Schüttauf nackt im Jacuzzi? (Oh, pardon, die sind ja inzwischen weg vom Fenster … Aber für ihre Nachfolger wäre es ein Einstig, oder?)

Sechstens:

Doch nun zurück zur beruflichen Umgebung des Ermittlers, wie sie sich in einer up to daten Krimifolge im deutschen Fernsehen zu spiegeln pflegt. Auf alle Fälle werde ich einem notorischen Konfliktfeld treu bleiben, aus dem sich immer wieder herrliche Funken (wenn auch leider stets dieselben) schlagen lassen: nämlich aus der so natürlichen wie ewigen Feindschaft zwischen dem Ermittler ganz unten und seinem karrieregeil-katzbuckelnden Vorgesetzten. Letzteren trifft man ja gleich in zwei Verkörperungen an: als sein Büro nie verlassenden Kriminalrat (der selber möglichst bald Nachfolger des völlig unfähigen, dafür aber tief im Enddarm der Regierungspartei logierenden Polizeipräsidenten werden will) und als von Ehrgeiz zerfressenden Staatsanwalt (der sich natürlich für den geborenen Innenminister hält). Für dieses Phänomen haben wir einen dynamischen Oberbegriff, und der heißt „Druck“. Da sitzt der eine dem anderen im Nacken und gibt halt konsequent weiter, was er loswerden will – den „Druck“, genauer „Druck von oben“.

Parallel dazu gibt es aber noch die ebenso natürliche Feindschaft zwischen dem Ermittler und der Öffentlichkeit bzw. deren „Anwälten“. Und was fällt den lästigen Krawallmachern von der Presse schon anderes ein, als immer feste „Druck“ zu machen … Demgemäß werde ich in meinen Drehbüchern dem Affen gehörig Zucker geben. Der brüllende Vorgesetzte auf der Schleimspur nach oben wie die Schmierfinken von den sensationsgeilen Medien, sie sind und bleiben unverrückbares Inventar!

Siebtens:

Doch damit noch immer nicht genug der Feindschaften. Aus den eigenen Reihen droht dem Ermittler, der armen Sau, bekanntlich weitere ständige Unbill. So oft es geht, werde ich daher in meine Drehbücher ein bis an die Zähne bewaffnetes SEK einbauen. Da läuft der Konflikt dann quasi automatisiert ab. Giert etwa nicht dauernd ein Einsatzleiter in Schussweste und Scheuklappen an den Schläfen nach Selbstverwirklichung, koste es, was es wolle? Und muss nicht ein gottlob besonnener, psychologisch ausgebuffter Ermittler mit ihm endlos um den richtigen „Zugriff“ ringen? Um den Sieg der Vernunft über diese Knallcharge von einem SEK-Einsatzleiter? Unverzichtbar ist in diesem Zusammenhang aber auch die BKA-(LKA-)Variante: der abgehobene Beamte, der alles besser weiß und so arrogant ist, dass man schon eher an ein geklontes Wesen, drei Teile Clement, zwei Teile Steinbrück denken dürfte. Eine einzige taffe Blondine aus dem schönen Niedersachsen reißt da auch nichts mehr aus dem Feuer …

Achtens:

Auf keinem Feld kann sich die Fantasie eines Drehbuchautors so entfalten wie auf dem der Kriminaltechnik und der Forensik. Um mit letzterem anzufangen: Ich werde versuchen, als Todesopfer möglichst immer junge Frauen zu besetzen. Denn was gibt es Schöneres, als den Pathologen (das ist der, der immer sagt: „Näheres nach der …“) das Leichentuch von einem nackten Frauenkörper ziehen zu lassen! Zumal der busentechnische Augenschmaus noch dadurch sinnenfroh unterfüttert werden dürfte, da der Krimi-Gucker vor dem Schirm schließlich weiß: „Das ist ja in Wirklichkeit gar keine Leiche, sondern eine ganz lebendige Nackte, die nur auf Leiche macht …“ Aber das nur nebenbei.

Kommen wir zur Kriminaltechnik. Auch hier lässt sich wunderbar demonstrieren, mit welch ausgefeilten Methoden heutzutage Unholden aller Couleur das Handwerk gelegt wird. Andererseits darf nie unerwähnt bleiben, wie endlich selbst die ausgefeilteste Technik und wie unendlich dagegen die Findigkeit eines erfahrenen Ermittlers sein können: Stößt dieser doch plötzlich und zum guten Ende auf das endgültig überführende Detail – und zwar nicht etwa in einer Petrischale unterm Mikroskop, sondern ganz banal irgendwo unterm Bett des Opfers (etwa in Form eines abgerissenen Knopfs vom Jackett des Täters oder eines, selbstredend gebrauchten und somit DNA-tauglichen Präservativs in der Pantolette der Gemeuchelten).

Neuntens:

Was nun meine handelnden Personen angeht, so werde ich darauf bedacht sein, dass der Plot schon deswegen ganz modern und „zeitnah“ rüberkommt, als ich immer die richtigen Namen auswähle: In meinen Krimis wird möglichst immer einer vorkommen, der Steiner heißt (Stein geht auch, aber Steiner ist besser), und als weibliches Pendant eine mit Doppelnamen – vor allem dann, wenn es sich um eine Karrierefrau handelt oder eine Politikerin, oder beides. Und auch bei den Vornamen werde ich ganz vorn bei der Avantgarde sein.

Meine weiblichen Figuren heißen alle Laura oder Lena, zur Abwechslung mal Lea oder Lisa, aber dann gleich wieder Laura, aber auch nicht zu vergessen Leonie, Klara und Marie … Am liebsten jedoch immer wieder Laura. Und bei den männlichen Protagonisten? Da geht es natürlich nicht ohne Max und Leon, Frank und Lukas. Um aber auch eine soziologisch ausgeklügelte Schichtenzuordnung zum Tragen kommen zu lassen, werden auf der Gegenseite Jennifer und Kim nicht fehlen, sekundiert von Kevin, Maik und Justin. Tabu hingegen werden – wohl nicht nur für mich – Angela und Ursula, Helmut und Gerhard sein, und, ja klar, Horst und Edmund, nicht zu vergessen: Guido. Na ja, zugegeben, auch Klaus ist derzeit nicht mehr gerade en vogue …

Zehntens:

Zum Schluss noch eine Bemerkung zum Gebrauch der deutschen Sprache. Ich werde den Krimi-Konsumenten niemals mit neuen Wendungen überraschen, sondern mit altvertrauter Wortwahl für seine richtige Einbettung in den Gang des Geschehens sorgen. Bei einer Verhaftung wird der potenzielle Täter sich so wie immer wehren: „Ich sage nichts mehr ohne meinen Anwalt.“ Und er wird dafür stets prompt seine Quittung bekommen: „Den werden Sie auch brauchen.“ Und wenn die Frau des Opfers erfährt, dass ihr Mann/Geliebter leider dahingemeuchelt wurde, dann wird sie, wie schon Hunderte vor ihr, fragen: „Wer macht denn so was?“

Und sonst auch …

Die Liste solcher Beispiele ließe sich unendlich verlängern. Das gilt aber vor allem auch für eine andere Liste, nämlich die der grammatikalischen Spitzfindigkeiten. Im deutschen Krimi-Dialog steht Verständlichkeit an erster Stelle und nicht etwa das überflüssige Zeug, das wir leider hin und wieder noch immer in der Schule lernen. Ich werde mich also kompromisslos der Tatsache anpassen, dass bei uns eh keiner mehr Deutsch kann und Sprache sich zweitens sowieso ständig wandelt – was sich nicht zuletzt in der längst überfälligen Missachtung korrekter Zeitenfolgen sowie der Nicht-mehr-Differenzierung von Imperfekt und Perfekt, der wahlfreien Zuordnung von Genetiv und Dativ und vor allem der fröhlichen Ignoranz gegenüber jeder Art von Konjunktiv niederzuschlagen pflegt. Ein Beispiel gefällig, wie man grammatikalischen Firlefanz fernsehtauglich in der Schublade belässt?

Nach heutigem Verständnis liefe ein kleines, einschlägiges Verhör etwa so ab:

„Sie sahen das Auto vorbeifahren?“

„Ja, fast erkannte ich auch die Marke.“

„Der Radfahrer sagt, das Auto hat ihn abgedrängt.“

„Das stimmt. Er suchte den weitgehendsten Umweg, kam dann aber zeitnah zum Sturz.“

Gewiss doch: Unbelehrbare Oberlehrer werden jetzt geschmerzt den Finger heben und mir in diesen vier kurzen Sätzen viereinhalb bis fünf grammatikalisch-stilistische Schieflagen ankreiden. Aber gemach! Im deutschen Fernsehen wurde noch nie für Oberlehrer getextet, und an dieses Gesetz werde ich mich nur zu gern halten. Ist schließlich weitaus bequemer …

In diesem Sinne bitte ich um einschlägige Aufträge.

Klaus Kamberger