Krimidialogischer Wechselgesang
oder
Kleine Krabbelkiste zur gefälligen Selbstbedienung für Krimilibrettisten – aufgesammelt von Klaus Kamberger
Besetzung: wie üblich und immer dieselbe. Auch die Zuordnung der Protagonisten zum Text ergibt sich von selbst. Und wer was zu wem warum meint kundtun zu müssen, ergibt sich dito – vom Ermittler (alleinerziehend mit pubertierender Tochter) über den Beschuldigten (Ich war’s nicht, das müssen Sie mir glauben), deren zu befragende Angehörige (die während ihrer Befragung wahlweise Holz hacken, Billard spielen, Büstenhalter bügeln oder mit dem Ermittler zu flirten versuchen), dem einen Zeugen (der etwas gesehen hat), dem anderen (der zwar dabei war, dafür aber nichts gesehen hat), einer überflüssigen Staatsanwältin (die ihre Ahnungslosigkeit mit einem Doktortitel kompensiert), einem noch überflüssigeren Kriminalrat (der ständig vor dem Staatssekretär im Innenministerium kuscht), einem tatendurstigen SEK-Chef (der immer sowas von sofort zuschlagen will), Rechtsmedizinern (die sich wahlweise mit Hardrock zudröhnen oder Gustav Mahlers „Adagietto“ lauschen), notorisch-frechen Reportern (die es kurz angebunden an die Pressestelle zu verweisen gilt) und schließlich verstörten Witwen (mit wahlweise Tränen in den Augen oder Giftampullen im Badezimmerschränkchen).
Sie müssen nicht aussagen, aber wenn Sie aussagen, dann kann das gegen Sie …
Ich weiß.
Wie heißen Sie?
Laura.
Das ist gut. Kein Krimi ohne Laura.
Ich war es aber nicht. Das muss eine Verwechslung sein.
Wir haben überall im Schlafzimmer Ihre Fingerabdrücke gefunden.
Die hat man mir untergeschoben.
Ach? Und wer? Die Beweislage ist klar.
Sie lag aber schon da, als ich hinein …
Und wie kommt das Blut an Ihre Hände?
Wenn ich mich aufrege, kriege ich immer Nasenbluten.
Für die Tatzeit haben Sie jedenfalls kein Alibi.
Wann war denn die Tatzeit?
Nun mal langsam. Wer die Fragen hier stellt, das sind immer noch wir.
Wie soll ich aber denn dann ein Alibi …?
Also gut. Wo waren Sie am 31. Juni zwischen 21 Uhr 59 und 22 Uhr 01?
In meinem Bett.
Kann das jemand bezeugen?
Ja, meine Katze.
Das sieht dann aber gar nicht gut für Sie aus. Deshalb kann ich Ihnen also nur sagen: Wenn Sie jetzt kooperieren, wird sich das vor Gericht sicher für Sie …
Sie haben nichts in der Hand. Und ich sage es noch einmal, ich war es nicht, ich schwöre. Das müssen Sie mir glauben.
Keine Sorge, wir ermitteln weiter in alle Richtungen.
Ich sage jetzt gar nichts mehr ohne meinen Anwalt.
Bitte sehr, da ist das Telefon.
So geht das nicht weiter. Ich brauche Ergebnisse.
Aha. Wieder mal Druck von oben, oder?
Wir müssen irgendetwas übersehen haben.
Gut, fangen wir noch mal von vorne an.
Wenn wir die Wohnung früh genug gestürmt hätten, hätten wir mit dem finalen Rettungsschuss …
Bleiben wir bei den Fakten: Wo ist das Motiv, und wer hat ein Motiv??
Alle Umstände sprechen für Laura als Täterin.
Und wieso?
Eines ist klar, der Täter/die Täterin ist Linkshänder. Die Stichwunde führt von links unten schräg nach oben in die linke Lunge.
Ich könnte so etwas nie!
Das alles führt doch zu nichts. Ein schnelles Geständnis würde, wie gesagt, beim Strafmaß sicher …
Aber ich habe ein Alibi. Und auch wenn ich keines hätte, Sie können mir nichts nachweisen. Außerdem bin ich Rechtshänderin.
Ach, hören Sie auf. Sie haben sich ja gerade mit der Linken die Nase gerieben. Außerdem sprechen die Indizien so eindeutig gegen Sie, dass jetzt, wie gesagt, ein Geständnis …
Indizien sind aber nur Indizien. Noch einmal: Ich war’s nicht. Das müssen Sie mir glauben. Kann ich jetzt gehen?
Tut mir leid, die Frage kommt zu früh. Die gehört nämlich eindeutig ans Ende des Verhörs.
Wo bleibt mein Anwalt?
Schon besser. Inzwischen fangen wir noch mal von vorne an: Wo waren Sie am 31. Juni zwischen 21:59 und 22.01 Uhr?
Das sagte ich schon.
Und Sie sagen jetzt gar nichts mehr, bevor ich Akteneinsicht … Außerdem: Haben Sie schon mal diese Sache vom falschen Ort zur falschen Zeit gehört?
Stopp! Das ist nicht Ihr Text, sondern meiner. Außerdem passt er im Moment auch gar nicht in den Zusammenhang.
Also, Herrschaften! Ich hatte gerade das Innenministerium am Telefon. Sie geben uns noch zwölf, höchstens dreizehn Minuten Zeit. Dann muss der Fall geklärt sein. Was sagt denn die Rechtsmedizin?
Der Leichenstarre nach kann das Opfer schon zwei Stunden tot gewesen sein, bevor die Beschuldigte … Alles andere wie üblich nach der …
Ja, klar, wie gehabt. Also will ich jetzt erst mal endgültig wissen, wo genau Sie zwischen …
Da habe ich meine Katze gefüttert. Wie oft soll ich das denn noch sagen?
Und noch einmal: Die Fragen stellen wir hier. Vorhin sagten Sie übrigens, Sie waren im Bett.
Ja, und das stimmt auch. Ich war schwer erkältet.
Eine Zeugin sagt aber etwas ganz anderes aus. Ich zitiere. Frage: „Sie wollten also gerade zur Haustür hinein, als Sie etwas gesehen haben? Was ist Ihnen denn Verdächtiges aufgefallen?“ Antwort: „Also, das war so. Ich kam gerade vom Friseur – ich brauchte ein paar neue Strähnchen, wissen Sie -, und da habe ich zuerst gar nicht meine Haustürschlüssel in meiner Handtasche ge …“ Frage: „Und weiter? Nun lassen Sie sich nicht jede Einzelheit aus der Nase ziehen.“ Antwort: „Ich habe gesehen, wie sie aus der Wohnung kam.“ Frage: „Hatte sie etwas in der Hand? Vielleicht ein Messer?“ Antwort: „Ich habe keines gesehen. Aber eines frage ich mich: Wer macht denn sowas?“
Ganz recht, die Frage darf in keinem Krimi fehlen.
Kann ich jetzt gehen?
Die auch nicht.
(Hinweis d. Red.: Siehe auch Klaus Kambergers „Tipps für Drehbuchschreiber„, CrimeMag Februar 2014.)