Schlafende Hunde
– Was, hat man sich schon oft und lange gefragt, soll an Christopher Brookmyres Büchern so komisch sein? Und was an einer neuen Reihe so neu und noir?
Am 11.2.2013 hat der Autor in der Berliner Buchhandlung „ocelot, not just another bookstore“ sein neues Buch „Wer schlafende Hunde weckt“ vorgestellt. Henrike Heiland war bei der Lesung.
Seit den Neunzigerjahren veröffentlicht Christopher Brookmyre Kriminalromane, und erst im letzten Jahr erschien zum ersten Mal eine Übersetzung ins Deutsche. Das stimmt nachdenklich, wird doch sonst – so jedenfalls der Eindruck, den man bekommen könnte – jeder Schrott übersetzt, der sich auch nur halbwegs verkauft. Brookmyre scheint eine eingeschworene Fangemeinde in Schottland, wenn nicht gar Großbritannien zu haben und wird auch immer mal wieder mit Preisen ausgezeichnet, und was man über seine Bücher liest, klingt zunächst nicht schlecht: witzig, satirisch, komplex geplottet, gesellschaftskritisch. Wie man so hört, gab es auch jahrelang intensive Bemühungen, die deutschsprachigen Rechte unterzubringen. Doch ach …
Schaut man sich seine Bücher mal an – ohne gleich eine in-depth Analyse zu veranstalten – wird schnell klar, dass sie nicht banal genug sind, um sie als Massenschrott mal eben mitübersetzen zu lassen. Für den Gelegenheitsleser auf der Suche nach Unterhaltung auf der Zugfahrt sind sie dann doch nicht konventionell genug. Sind sie einfach zu schottisch, um sie nach Deutschland zu holen, ist der Humor zu schräg? Sind sie gar Perlen, deren Wert noch nicht erkannt wurde?
Ich habe es versucht, immer mal wieder einen seiner lustigen Glasgow-Krimis zu lesen. Große Satire, bitterböser Humor und einiges andere (siehe oben) wurde mir versprochen. Ich sah die Mühen des Autors und wo er mit seiner Geschichte hinwollte. Es packte mich nicht.
Nun also die erste deutsche Übersetzung, und nun auch eine neue Reihe: dunkler, böser, anders. Warum nicht? Klingt gut. Und vielleicht, es wäre nicht das erste Mal, vielleicht kann der persönliche Eindruck des Autors noch den Leseeindruck befeuern.
Verhalten schlich …
Ich ging also zur Lesung, fest entschlossen, mich gut unterhalten zu lassen, guten Willens, dem Mann zuzugestehen, dass er was drauf hat. Tatsächlich fanden sich in Frithjof Klepps schöner Buchhandlung „ocelot, not just another bookstore“ verhältnismäßig viele Brookmyre-Fans ein. Nicht wenige waren native speaker, die seine Bücher bereits seit Jahren kannten. Und sich, was auch sonst, wunderten, dass es sie nicht auf Deutsch gab. Lisa Kaiser vom Galiani-Verlag strahlte, und Thomas Gralla, Buchhändler aus Lichterfelde und für diesen Abend die deutsche Stimme Brookmyres (wenn auch eine sehr erkältete deutsche Stimme) wirkte ebenfalls bester Laune.
Nur Christopher Brookmyre selbst schlich ein wenig verhalten um den Lesungstisch. Verhalten dann auch sein Vortrag, seine Antworten auf die Publikumsfragen. Da spürte man weder Leidenschaft noch Energie, da wirkten die Repliken vorgefertigt, die wenigen Witze konstruiert. Und wer noch keine tiefgreifendere Berührung mit dem Dialekt der Glaswegians oder sich noch nicht in den schottischen Singsang eingehört hatte, der blieb auf der Strecke. Brookmyre leierte sein Kapitel herunter, als könne er es selbst nicht mehr hören.
Handlung mit Hascherl …
Nun gibt es ja keine gesetzliche Regelung, nach der Autoren auch gleichzeitig gute Vorleser oder charismatische Menschen zu sein haben. Konzentrieren wir uns auf den Text, gehen wir zurück zum Buch. Da ermittelt eine hartgesottene Kriminalpolizistin, die Beruf und Familie in Einklang jonglieren muss, gegen fiese Drogengangster in Glasgow, und gleichzeitig sucht ein naiv-dümmliches Hascherl, das eigentlich Schauspielerin werden wollte, nach ihrem spurlos verschwundenen Onkel, Ex-Bulle-Jetzt-Privatermittler, für den sie mit schmerzhaft gnadenloser Inkompetenz versucht zu arbeiten. (Ich darf daran erinnern, dass dies ein Band aus der „dunkleren“, nicht aus der „witzigen“ Reihe ist.)
Die Konstruktion mit dem unwahrscheinlichen Gegensatzpaar ist vor allem genau das, nämlich eine Konstruktion. Und das Konstruierte scheint auch an allen anderen Ecken und Enden durch. Wir sehen, wie der Plot konstruiert wurde. Wir sehen, wie einzelne Szenen konstruiert wurden. Wir sehen die Absicht hinter jeder Figur, hinter jedem Dialog. Da ist kaum Überraschendes, nur Angestrengtes. Jeder Witz ist sorgfältig vor- und nachbereitet, damit ihn jeder versteht und keiner verpasst, und was immer die Protagonistinnen denken und fühlen, keine Sorge, auch daran kommt man kaum vorbei, wird es doch nach jeder Dialogzeile haarklein erklärt. Jasmine sagt dies soundso, weil sie jenes beabsichtigt, aber dann fühlt sie sich dabei auf diese und jene Art und Weise, denkt deshalb wasweißichnichtnochalles, und das gleich pro Unterhaltung achtzehn Mal.
Selbst in einer Actionszene.
Mag sein, dass ich übertreibe. Wenn, dann nicht sehr. Aber Actionszenen zu zerreden ist nun mal kein guter Stil. Das ist wie der Pointe das Timing zu nehmen. Beides macht Brookmyre mit Vorliebe. Leider.
Komik? Wo?
Nichts in der Komik ist wirklich spontan und krass und schwarzhumorig wie bei Stuart MacBride. Nichts ist so düster und dirty wie bei Ian Rankin (Brookmyre bemüht ebenfalls gerne die Oberen der Stadt, wenn es darum geht, die wahren Verbrecher auszumachen), und die Gesellschaftskritik, die soziologische Betrachtung der Stadt Glasgow sollte er lieber Denise Mina überlassen.
Überhaupt scheint eine stilistische Unsicherheit die Seiten zu beherrschen, da klingt Brookmyre auch schon mal wie der Versuch, Irvine Welsh zu kopieren, und schnell ist einem dann auch schon egal, wer warum was sucht und tut und will.
Der Tiefpunkt des Lesungsabends war übrigens schon gleich zu Beginn erreicht, als der Autor versuchte, die Stimmung mit einem Deutschlandbezug aufzuheizen. Er erklärte, aus einer Lehrerfamilie zu stammen, dies aber nicht erstrebenswert fand, denn was hätte er werden können, Bildungsminister wohl kaum, schließlich schrieb er all seine Bücher selbst.
Ja. Genau.
Und es wurde nicht besser.
Trotzdem, es gab interessiertes bis begeistertes Publikum, der Verlag scheint guter Dinge. Aber Bücher, in denen man die Mühen des Autors, das Ringen um Stil und Qualität, in jeder Zeile mitliest, die machen mir keinen Spaß.
Henrike Heiland
Christopher Brookmyre: Wer schlafende Hunde weckt: Roman
(Where the Bodies Are Buried, 2012.). Deutsch von Hannes Meyer. Berlin: Galiani 2012. 400 Seiten. 19,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Homepage des Autors. Lesungsfoto: © Henrike Heiland.