Geschrieben am 12. Januar 2013 von für Crimemag, Film/Fernsehen

Moving Targets – Filme aus dem Genre: „Django Unchained“

3791_10152391086680371_1526135030_nWestern mit Brunhilde

– Wie frivol, Tarantino benutzt die Sklaverei in den US of A für seine üblichen Gewaltorgien! Schlimm! Oder doch nicht? Henrike Heiland war bei der Deutschland-Premiere.

Ganz allgemein gesprochen: Für Filmpremieren wird erst einmal Publikum eingeladen, was das Zeug hält. Von Presse bis Promis sollen die Kinosäle voll sein. Das heißt, das Publikum einer Filmpremiere setzt sich nur bedingt aus Cineasten oder gar Fans zusammen. Man geht hin, um dabei zu sein, fotografiert zu werden, anschließend auf der Party ein paar Visitenkarten zu sammeln, und zwischendurch schaut man eben einen Film. Früher gab es auch noch ordentliches Essen und anständige Getränke, aber da wird heute offenbar gespart.

Wie auch immer, ich erinnere noch einmal daran: Es sind nicht unbedingt Liebhaber des Genres oder Kenner der Filmgeschichte, die sich an solchen Abenden einfinden. Und so kam es dann auch, dass hinterher an der Garderobe ein wenig gejammert wurde. Zu viel Geballer, zu viel Blut, und überhaupt, spritzte das Blut nicht viel zu übertrieben herum? Und dieser eine Typ, der zwanzig Kugeln kassierte und wie am Spieß schrie, dass der einfach nicht gestorben ist? Komisch, das alles. Dagegen formatierte sich die Gruppe derer, die überzeugt waren: Vierzig Minuten weniger hätten dem Film gut getan. Aber sie meinen nicht etwa vierzig Minuten weniger Geballer und Blutgespritze, sondern weniger von diesen Dialogen, die die Handlung ohnehin nicht vorantreiben.

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Geballer und Gelaber

Da steht man dann in der Schlange und denkt sich: Schönen guten Morgen, aber Sie haben gerade einen Tarantino-Film gesehen, und das mit dem Geballer und dem Gelaber, das gehört so. Nehmen Sie eins davon weg, ist alles kaputt. Wollen Sie das? Die Antwort wäre vermutlich so etwas wie: Na ja – ja!

Und mit solchen Leuten muss man auch noch auf die anschließende Party fahren.

150203_10152392115675371_970632862_nDort dann ausgelassene Stimmung im VIP-Bereich, vor dem sich deutsche Fernsehgesichter tummelten und versuchten, entspannt dreinzublicken, damit ihnen keiner ansah, wie beleidigt sie waren, nicht in den VIP-Bereich zu dürfen. Ausgelassene Stimmung auch am DJ-Pult, wo Jamie Foxx die etwas ungeschmeidige Meute aus anzugtragenden Filmrechtehändlern und Geschäftsführungsassistenten anheizte und schwarze Beats spielen ließ. Dünne, blonde Mädchen mit urologisch bedenklicher Bekleidung, die an älteren Herren festhingen und versuchten, vom Bunte-Fotografen abgelichtet zu werden, rundeten das zu erwartende Bild ab. Und der Film? Abgesehen von den Garderobengesprächen?

Der Film

Über den wurde ja schon viel geschimpft. Ein Weißer, der sich auf gar belustigende Art dieses in jeder Hinsicht schwarzen Kapitels der amerikanischen Geschichte annimmt! Waffen- und Gewaltverherrlichung, und das in Zeiten von Schulamokläufen!

Das ist natürlich alles Blödsinn. Es ist die Geschichte des versklavten Schwarzen Django (Jamie Foxx) in den Südstaaten noch vor dem Sezessionskrieg, der von einem deutschstämmigen Weißen (Christoph Waltz) gekauft wird, die Freiheit geschenkt bekommt und zum Geschäftspartner gemacht wird. Das Geschäft: Sie sind von nun an beide Kopfgeldjäger. Als der Winter vorbei ist, begeben sich die beiden gemeinsam auf die Suche nach Djangos Frau Hildi (von Broomhilda, eigentlich Brunhilde, da sie einmal Deutschen gehörte). Django und Hildi waren von ihrem Vorbesitzer nämlich getrennt verkauft worden. Im Grunde ist es eine Mischung aus zarter Liebesgeschichte und Heldensage (Hildi heißt nicht umsonst nach einer Figur aus der Nibelungensage), eine ironische Betrachtung des Rassismus (schön auch die Szene mit dem KKK oder einer Urzelle desselben, der wegen der unzureichenden Augenlöcher in den Kapuzen meutert), eine Reminiszenz an Western-Klassiker.

Christoph Waltz ist brillant als höflicher und gebildeter Kopfgeldjäger, der trotz seines schweren deutschen Akzents immer noch besseres Englisch spricht als die meisten Amerikaner, denen er begegnet. Leonardo DiCaprio spielt als widerwärtig eitler Plantagenbesitzer Calvin Candie, der Kämpfe auf Leben und Tod mit schwarzen Sklaven veranstaltet, die Rolle seines Lebens, Samuel L. Jacksons Stephen, engster Vertrauter von Candie, ist in seiner Parkinson-artigen Zittrigkeit ein albtraumhafter Onkel Tom, und Jamie Foxx spielt Django vor allem cool, klar und charismatisch, ein wahrer Westernheld eben, nur eben schwarz. Die Gewaltszenen sind absurd überzeichnet und nicht selten schlicht komisch, die Bilder – ob nun Landschafts- oder Charakterstudien – traumhaft fotografiert. Aussagen darüber, ob und wie so ein Film in die Geschichte eingehen wird, sind immer gewagt.

Wichtig und unterhaltsam

Dass dieser nicht unwesentlich auch durch die kritischen Stimmen ein beschämendes Kapitel der US-amerikanischen Geschichte in die Diskussion holt und uns nicht vergessen lässt, dass wir auch heute noch von Gleichheit und Freiheit und Allehabensichlieb weit entfernt sind, macht ihn zu einem wichtigen Beitrag, der zugleich unterhaltsam ist (woran sich eben einige stoßen). Großes Kino in diesem Fall, höchstes Niveau in allen Abteilungen, wunderbare Ensembleleistung.

Henrike Heiland

Django Unchained, 2012. Regie: Quentin Tarantino. Cast und Crew finden Sie hier. Fotos: Henrike Heiland.

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