Geschrieben am 24. November 2012 von für Comic, Crimemag

Paolo Bacilieri/Matz/Daniel Chavarría: Adiós Muchachos

Fröhlicher Zynismus

– Darf man leichte Komödien con Leiche im verfallenden Kuba der 2000er Jahre ansiedeln? Klar, wenn man es so gut kann wie Paolo Bacilieri und Matz in ihrer Comic-Umsetzung von Daniel Chavarrías „Adiós Muchachos“, findet Thomas Wörtche …

Alicia hat einen hübschen Hintern und lange Beine, die in Kombination mit einem Miniröckchen auf dem Fahrrad taktisch klug eingesetzt bei manchen Herren am Steuer Irritationen auslösen. Die Folge: leichte Fahrfehler, leichte Unfälle und schon hängen die Typen bei Alicia am Haken und werden abgeschleppt, umgarnt, umcirct und natürlich ausgenommen wie die berühmte Weihnachtsgans. Nicht dass Alicia in ihrem eigenen Selbstverständnis (oder dem ihrer fleißig beim rip-off assistierenden Mutter) anschaffen würde – die Damen versuchen nur, im Havanna des Jahres 2005 auf einem gewissen Niveau zu überleben. Dann aber erwischt Alicia den Falschen – einen abgekochten, cleveren Manager, der für eine Investment-Firma arbeitet, die sich in Kuba mit einem schrägen Tourismus-Projekt – eine Art theme park für tauchende Freizeitschatzsucher – und einer Investitionssumme von 350 Millionen Dollar auch in den Herzen und Geldbeuteln der Regierung festsetzen möchte. Manager Juanito durchschaut Alicia ziemlich schnell und dreht den Spieß um. Er manipuliert sie – aus Sex, Obsession und Business ergeben sich viele hübsche Varianten und Optionen. Und so beginnt das alte, aber immer wieder vergnügliche Gauner-gegen-Gauner-Spiel, bei dem es darum geht, wer wen flach und wer wen aufs Kreuz legt, was zwei durchaus unterschiedliche Dinge sind. Und natürlich geht so was auch nicht ohne Leichen ab …

Der Szenarist Matz (= Alexis Nolent) und der Zeichner Paolo Bacilieri haben diese luftig-witzig-makabre Story aus dem Roman „Adiós Muchachos“ des uruguayischen Romanciers Daniel Chavarría destilliert. Chavarría, der seit Ewigkeiten auf Kuba lebt und zum Urgestein der dortigen Kriminalliteratur gehört, ist weder für seine feministischen Positionen noch für bemerkenswert kritische Distanz zum Regime bekannt, und die Vorlage, bei uns als „Die Radfahrerin“ 2000 erschienen, muss man wahrlich nicht zu den Meistwerken der kubanischen (Kriminal-)Literatur zählen.

Macht & Komödie

Als Comic allerdings funktioniert die Geschichte prächtig, weil Bacilieri und Matz mit den kubanischen Verhältnissen unhysterisch umgehen. Weder aus dem Rott, dem Verfall und der Korruption, den alltäglichen Misslichkeiten und den Versorgungsengpässen – alles Themen, die in den Bildern stecken – noch aus dem Luxus der Eliten und der Begehrlichkeiten des Kapitals – in den Bildern und der Story gleichermaßen vorhanden – entwickeln sie Thesen oder größere ideologische Diskurse. So werden Havanna und Kuba zum Schauplatz, dessen politische und soziale Spezifik garantiert und für die Story unabdingbar bleibt, durch die Erzählweise, die prächtig-leuchtenden Farben (von Roman Trystam), die Story-Twists und die Freude an Sex und schönen Körpern an das Hier und Heute einer globalisierten Welt angeschlossen.

Komödien, die in unschönen politischen Gegenden angesiedelt sind, funktionieren nicht, wenn sie in einem einvernehmlichen Verhältnis zur Macht stehen. Gerade erotische Komödien können dann besonders schal werden. „Adiós Muchachos“ kennt glücklicherweise nur Einvernehmlichkeit mit eleganten Bildern. Das ist vermutlich ein bisschen zynisch, aber meine Güte, ja und?

Thomas Wörtche

Paolo Bacilieri/Matz/Daniel Chavarría: Adiós Muchachos. (Adiós Muchachos, 2011; die Romanvorlage: 1995) Deutsch von Resel Rebiersch (basierend auf der franz. Fassung des Romans, 1997). Hamburg: Schreiber & Leser 2012. 122 Seiten. 21,80 Euro. Verlagsinformationen zum Buch.

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