Pokerface, Mau Mau
Michael-Mann-Filme sind immer heiß diskutiert. So auch seine Variation eines uramerikanischen Mythos: Der Staatsfeind N° 1 – der once upon a time John Dillinger hieß. Dirk Schmidt hat sich die DVD noch einmal ganz genau angesehen …
Mannomann bin ich cool, schreit Christian Bales Gesicht uns entgegen. Meine Fresse, bin ich protofaschistisch abgefuckt cool. Der Assi meines Assis hat gerade Dillingers Freundin ein wenig härter angefasst und was mach ich? Nehme sie auf den Arm wie weiland Richard Gere und trage sie ins Bad. Da kann sie sich ein bisschen frisch machen nachdem das FBI ihr auf Anweisung von J. E. persönlich, die Fresse poliert hat. Offizier und Gentleman – das bin ich. Und J.E. das ist J. Edgar Hoover, der dämonische Chef vons Janze. Der hat in einer Zeitung gelesen, dass Mussolini gesagt hat, jetzt werden die weißen Handschuhe ausgezogen. Also zieht der Assi meines Assis die Handschuhe aus. Zu dem Zeitpunkt habe ich mit Pretty Boy Floyd bereits den ersten der Public Enemies erledigt. Ich werde von J.E. befördert, gebe eine Pressekonferenz und reise sofort weiter nach Chicago, um Dillinger zu jagen – und das alles mit einem Stock im Arsch.
Christian Bales Mimik ist von Anfang an so leblos wie Dillinger nachdem er sich 6 Kugeln gefangen hat und man kann sich spätestens jetzt fragen wieso ein Schauspieler so berühmt ist, an dessen Mitwirken in einem Film sich entweder niemand erinnert („Velvet Goldmine“ „I’m not there“) oder der gnadenlos von seinen Berufkollegen an die Wand gespielt wird (Ewan McGregor/Velvet Goldmine, Heath Ledger/Dark Knight, Russel Crowe/3.10 to Yuma, etc.) Nur eine Szene haben der Gangster John Dillinger und FBI Agent Purvis gemeinsam zu absolvieren – und Johnny Depp spielt Christian Bale an die Wand.
Mann-Bashing
Aber genug mit Bale-Bashing, Michael Mann ist ja auch noch da. Der Mann, der es geschafft hat mit einem Portrait über Muhammad Ali zu langweilen (und das muss man erstmal hinkriegen bei dem Leben), der Michael Mann also, der jetzt schon ein bisschen lange von seinem „Heat“ – Ruhm lebt und seinem Ruf als Auteur, weil er die Kamera selbst macht, wendet sich jetzt den Gangstern der großen Depression zu. Aber wenn man in der kleinen Depression 14 Euro für eine DVD auf den Tresen legen soll, kann man etwas mehr erwarten, als eine gelungene Kameraästhetik und ein paar sauber choreographierte Schießereien. Aber viel mehr ist leider nicht drin. Johnny Depp gibt seiner Figur Leben, aber nur im Rahmen von Michael Manns Streben nach formaler Strenge. Der Ansatz „Lieber als Mörder und Bankräuber sterben als in ehrbarer Langeweile vegetieren“ ist frischer als der vom Gangster aus Not und Armut und die These, dass die Dillingers, Karpis, Nelsons und Barkers keine Chance mehr hatten, als sie sich nicht weiter der Unterstützung der Mafia erfreuen konnten ist interessant. Aber das macht den Film noch nicht gut. Kurz vor seinem Ende sehen wir John Dillinger im Kino. Er schaut mit großen Kinderaugen „Manhattan Melodrama“ mit Myrna Loy und Clark Gable. Johnny Depp ist anrührend in der Szene und Clark Gable in Hochform. Dazu ist die Liebesgeschichte hübsch und ganz ganz am Schluss kann man sich fast ein Tränchen kaum verdrücken, warum wird nicht verraten. Aber der Funke springt nicht über. Schön komponierte Bilder hat der Film, sogar grandiose Aufnahmen vor Gefängnis-Machtarchitektur und in kathedralenartigen Banken. Auch die Sequenz in der Pretty Boy Floyd erlegt wird, oder die Straßenszene nach Dillingers Tod beschwören in ihrer seltsamen Unwirklichkeit eine fast magische Atmosphäre. Aber, aber, aber.
So sehr man den Film auch mögen will, die einzelnen Teile fügen sich ums Dillinger-Verrecken nicht zu einem Erlebnis. Fazit: Wenn „Public Enemies“ nächstes Weihnachten ins Free TV kommt und gegen Florian Silbereisen läuft, wird er TV-Tipp des Tages – versprochen.
Dirk Schmidt
„Public Enemies“
Regie: Michael Mann.
Darsteller: Johnny Depp, Christian Bale, Marion Cotillard, Billy Crudup u.a.
Studio: Universal/DVD
Erscheinungstermin: 10. Dezember 2009
Produktionsjahr: 2009
Spieldauer: 134 Minuten
DVD Bildseitenformat: 16:9 – 1.77:1
DVD Tonformate: Deutsch (Dolby Digital 5.1)
Englisch (Dolby Digital 5.1)
DVD Untertitel: Deutsch, Englisch, Bulgarisch, Estnisch, Litauisch, Bonusmaterial: Filmkommentare von Regisseur Michael Mann
FSK: Freigegeben ab 12 Jahren