Always leave them wanting more
Roland Oßwald über die Sean-Duffy-Reihe von Adrian McKinty.
Läuft man am Shaftesbury Square die Botanic Avenue nach Süden in Richtung Queen’s University Belfast, erreicht man, nachdem man die üblichen sinnfreien Filialen globaler Konsumketten passiert hat, linker Hand The Belfast Empire Music Hall, welche in einem schönen alten Klinkerbau untergebracht ist und im Souterrain ein Pub beherbergt. An den meisten Abenden der Woche spielen in dem Pub lokale Musiker, es sei denn, es laufen Champions League Spiele mit hohen Quoten.
Auf der Speisekarte stehen die üblichen Gerichte irischer Pubs – Clubsandwich, Roastbeef und Kartoffelsalat, Chicken Wings, Backfisch mit Fritten… Den Musikern sieht und hört man gerne zu. Es sind in der Regel junge Iren und Irinnen, die am Anfang ihrer Kariere stehen. Über der Bar hängt ein altes Bild von Van Morrison, der auf der kleinen Bühne des Pubs performt. Ein Bild, das in Erinnerung hält, wie unendlich lang der Weg sein wird. So lang wie alle anderen Wege in Belfast, geboren in die Raumzeit Nordirlands, im Leben und im Überleben, im Glauben und der Politik, im Fleiß und der Vorstellung. Eins ist sicher, das Träumen hat uns nie irgendjemand beigebracht. Es gibt keine Anleitung dafür. Jeder muss es selber lernen.
Überall in Belfast fällt auf, dass an bestimmten Fußgängerampeln kleine Sticker von Inhaftierten kleben. Name, Zeit der Haftstrafe und ein fetter Hinweis, dass der abgebildete Mann ein politischer Häftling sei. Wer davon mehr sehen möchte kann nach Shankill oder Falls rüberfahren. Im Empire sitzt Patrick an der Bar und gibt ein Bier aus. Er hat zwei Jahre im HMP Magilligan abgesessen, wegen Drogenhandels. Er präzisiert, wegen sechs Pfund Marihuana. Natürlich verstand er sich in Haft als politischer Gefangener, sagt er mit einem leisen Lächeln. All die Bomben und Toten gingen laut Patrick nicht immer auf das politische Konto von IRA, UDA, INL, UVF usw., sondern die „Troubles“, sagt Patrick, waren und sind immer schon ein Konflikt zwischen rivalisierenden Drogenbanden. Was soll man da noch sagen? Am besten man geht, wenn es am schönsten ist.
Wenige Autoren, die es besser machen als er
So sieht es auch für Sean Duffy aus. Er ist um die vierzig Jahre alt, schon zu lange als katholischer Bulle in Carrickfergus im Dienst und peilt im aktuell vorliegenden Fall Dirty Cops von Adrian McKinty die frühzeitige Halbtagsrente (irgendwo in Schottland) an. Für Sean Duffy ist es der sechste Fall. Für McKinty das achtzehnte Buch. Für beide wäre es wünschenswert, wenn Sean Duffy im folgenden Fall – The Detective Up Late seine verdiente Pension antreten kann, nicht weil Adrian McKinty schlechte Krimis schreibt, das Gegenteil ist der Fall, es gibt wenig aktuelle Autoren der Zunft, die es viel besser machen als er, sondern, weil sich McKinty in Dirty Cops allmählich zum Kern seiner Serie geschrieben hat. In Dirty Cops ist das Mordopfer ein mit einer Armbrust erlegter Drogendealer. Duffys Ermittlungen führen, weil es so sein muss, zur IRA und dann eben zu Dirty Cops.
Geht man von Patricks These am Tresen des Empires aus, und nimmt Adrian McKinty uns Leser ernst, dann dreht sich im Detective die Geschichte um rivalisierende Drogenbanden. Der Ausgang wäre bekannt. Und auch das müsste so sein.
Roland Oßwald (auch die Fotos)
Adrian McKinty: Dirty Cops (Police at the Station and They Dont Look Friendly, 2017). Aus dem Englischen von Peter Torberg. Suhrkamp Taschenbuch, Berlin 2018. 392 Seiten, Klappenbroschur, 14,95 Euro. Die Sean-Duffy-Reihe bei Suhrkamp.
Siehe auch bei uns: Ein Buch – zwei Perspektiven: Sonja Hartl und Roland Oßwald über „Rain Dogs“ von Adrian McKinty. Sowie weitere Besprechungen.
Adrian McKintys Sean-Duffy-Reihe:
Der katholische Bulle (The Cold, Cold Ground, 2012)
Die Sirenen von Belfast (I Hear the Sirens in the Street, 2013)
In the Morning I’ll Be Gone, 2014
Die verlorenen Schwestern (Gun Street Girl, 2015)
Rain Dogs (2016)
Dirty Cops (Police at the Station and They Dont Look Friendly, 2017)
The Detective Up Late, 2018
Zu McKintys Blog The Psychopathology of Everyday Life hier.