Roland Osswald: Auf 50 Jahre angelegt In einem Land, in dem es als Partygag eine Lampe aus Knochen mit einem Schirm aus menschlicher Haut gegeben hat, wo Ärzte an lebenden Menschen gewissenlose und rassistische „Experimentalmedizin“ betrieben haben, die Vergasung von Millionen im Buche steht, mit Leichenbergen, die mit Baggern in Massengräber geschaufelt werden mussten; einem Land, in dem der Tod ein Meister ist, in einem solchen Land über Tabus zu sprechen und zu schreiben, ist eine schwer zu bewältigende Aufgabe. Meyers Großes Taschenlexikon schreibt: „Die Funktion von Tabus ist es,
Read More Always leave them wanting more Roland Oßwald über die Sean-Duffy-Reihe von Adrian McKinty. Läuft man am Shaftesbury Square die Botanic Avenue nach Süden in Richtung Queen’s University Belfast, erreicht man, nachdem man die üblichen sinnfreien Filialen globaler Konsumketten passiert hat, linker Hand The Belfast Empire Music Hall, welche in einem schönen alten Klinkerbau untergebracht ist und im Souterrain ein Pub beherbergt. An den meisten Abenden der Woche spielen in dem Pub lokale Musiker, es sei denn, es laufen Champions League Spiele mit hohen Quoten. Auf der Speisekarte stehen die üblichen
Read More Pilot im Raum-Zeit-Kontinuum Donnern auf der Startbahn. Körper werden in Sitze gedrückt. Die Beschleunigung nimmt zu. Der Druck erhöht sich. Dann das gewaltsame Abheben und der Steigflug. Minimale Beleuchtung in der Kabine. Die Erdoberfläche rast vorüber. Die Welt wird kleiner. Braun, grau, grün. Parzelliert, verschwimmt. Nach dem Durchbrechen der Homosphäre senkt sich die Nase der Maschine in die Horizontale. Endloses Blau. Und Ruhe kehrt ein. Die Luft im Inneren schmeckt nach Zahnseide. Menschen transpirieren. Knistern erfüllt die Lautsprecher. Dann eine männliche Stimme: Hallo, hier spricht Ihr Captain. Wir befinden uns
Read More Madrid, Mexiko Einen Kommentar zu Antonio Ortuños großem Roman Madrid, Mexiko liefert Roland Oßwald. Die Rezension zum Buch finden Sie hier bei CrimeMag. „Im Kaffeehaus »Lisboa« zu Madrid beschlossen einige Händler, in Marokko Felle aufzukaufen. Sie legten 15 000 Peseten zusammen und einer von ihnen reiste mit dem Gelde in die afrikanische Kolonie, um damit die Felle zu erhandeln. Der Riffhäuptling Rogui, ein algerischer Abenteurer, nahm das Geld und überließ dem Madrider Händler die Erzgruben von Ben-Bu-Frur an Stelle der Felle. Der Aufkäufer kam mit einem Schriftstück in arabischer Sprache und einigen
Read More Ein Buch – zwei Perspektiven: Sonja Hartl und Roland Oßwald über „Rain Dogs“ von Adrian McKinty. Sie beide schauen ganz unterschiedlich auf dieses Buch. Und es ergänzt sich – aber lesen Sie selbst. I. People v. Collins Von Roland Oßwald Der Fall People v. Collins war eindeutig. Ist es noch. Es sei denn, man hat im Mathematikunterricht gepennt oder war mit den Gedanken bei der schönen Sarah oder dem schönen Tom aus der Parallelklasse. Und somit wären wir immer noch beim Thema, klebten weiter daran fest, denn mit den Gedanken bei der
Read More Sprung über das Meer – Im Dezember 2000 ist Rana Dasgupta nach Delhi gezogen. Der Liebe wegen. Aufgewachsen ist er in Cambridge (GB), studiert hat er in England, Frankreich und den USA. Er ist 44 Jahre alt. Heute lebt er als Autor (hoffentlich immer noch glücklich verliebt) in Indiens Hauptstadt. Gelegentlich hält er im Rahmen einer Fellow-Gastprofessur Vorträge (Modern Culture and Media) an der Princeton-University oder Brown-University, beide Mitglieder der Ivy League. Sein biographischer Steckbrief ist modern. Für viele vielleicht beneidenswert. In von Globalisierung geprägten Zeiten ist so ein Lebensweg
Read More Der Bulle rollt. Es gibt – nicht oft, aber immer – Romane, die einfach evident gut sind. „Ein Bulle im Zug“ von Franz Dobler ist so ein Fall. Findet Roland Oßwald auch. Zu viele Romane sind zu stark durch designed, um dem Leser wirklich nah zu kommen. Daher gut in irgendwelchen Listen von Menschen aufgehoben, die auf Listen schreiben stehen. Die bieten dann genauso viel Lebendiges wie Designerkrimis. Was soll’s, diese Art des Geschichtenerzählens ermöglicht instantanes Lesen, und das ist gefragt und daran wird sich nichts ändern. So bleibt es
Read More Freunde & Kaliber ‒ Vor vierzehn Tagen hat Alf Mayer George V. Higgings einem Klassiker-Check auf Herz und Nieren unterzogen, heute schaut sich Roland Oßwald „Die Freunde von Eddie Coyle“ unter anderen Gesichtspunkten noch einmal genauer an. Daraus ergibt sich, dass CrimeMag diesen Relaunch sehr schätzt. Mit „Die Freunde von Eddie Coyle“ bringt der Kunstmann Verlag einen zweiten Titel des Autors und früheren Anwalts George V. Higgins heraus. Es ist Higgins Debüt aus dem Jahr 1970. 1973 ist das Buch in Deutschland schon einmal unter dem absurden Titel „Hübscher Abend bis
Read More Raffinierte Kommunikation – Die Freuden der Spieltheorie, das intellektuelle Vergnügen an Codes und die Raffinesse von Kommunikation – ein spannendes Buch von Diego Gambetta, vorgestellt von Roland Oßwald. In der Spieltheorie wurde schon früh das Modell des Gefangenendilemmas entworfen. Thomas Hobbes beschäftigt sich im „Leviathan“ 1651 bereits damit. Die Idee war somit ausgesprochen und vor allem nachlesbar. Und wie so häufig bedurfte es einiger Zeit, bis sie wiederentdeckt, gepflegt und mit größerem Aufwand weitergetrieben wurde. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges setzten sich Mathematiker, vor allem aus nicht kommunistischen Ländern, wieder stärker
Read More Good Morning Sinners – Mit „God bless America“ hatte Warren Ellis vor ein paar Jahren einen der abgedrehtesten Romane über Schein und Sein der USA abgeliefert. Jetzt also „Gun Machine“ – oder New York City als Palimpsest. Eine Besprechung von Roland Oßwald. In Manhattans Geschichte finden sich immer wieder Auswüchse besonders verquerer Ideen moderner Menschen. Eine relativ junge ist der algorithmische Handel, ein automatischer Handel von Wertpapieren durch Computerprogramme. Dabei werden bestehende Kauf- bzw. Verkaufsverträge auf elektronischem Weg an die Börse geleitet. Nahe liegt, dass dabei Geschwindigkeit eine große Rolle
Read More Posted On Februar 20, 2013By Roland OsswaldIn Bücher, Litmag
Football Season is over – „No More Games. No More Bombs. No More Walking. No More Fun. No More Swimming. 67. That is 17 years past 50. 17 more than I needed or wanted. Boring. I am always bitchy. No Fun – for anybody. 67. You are getting Greedy. Act your old age. Relax – This won’t hurt.“ Hunters letzte Notiz, bevor er sich mit einer .45er Magnum in den Kopf schoss, vor acht Jahren. Von Roland Oßwald. Drama, Roman, Lyrik, Short Story oder Reportage. Die Reihenfolge spielt keine Rolle.
Read More Posted On November 24, 2012By Roland OsswaldIn Mitarbeiter
Roland Oßwald, geboren 1974 in München. Nach mittelgroßem Umhergeziehe 1995 dort abituriert. Danach Zivildienst in einem Asylbewerberheim. Dann Studium der Geographie an LMU und Sorbonne bis zum Vordiplom. 1997 mit der Schreiberei begonnen. Seitdem davon abhängig. Nebenher habe ich mich als Buchhändler, Gärtner, Schaufensterdekorateur, Galerist (einmal in München, einmal in Berlin) und noch einiges mehr versucht. Journalistisch seit 2003 fest im freien Betrieb. 2011 kam ein Blog dazu. Heute pendle ich zwischen Wurmannsquick (Niederbayern) und Berlin. Zu den CULTurMAG-Beiträgen von Roland Oßwald. Zum Blog von Roland Oßwald.
Read More Muss man im Jenseits auf Giftschlangen achten? fragte Carl Weissner in einem Interview 2006. Gestern Abend erreichte mich die Nachricht von Weissners Tod als Einzeiler im Mikrobloggingdienst Twitter. Erst glaubte ich, es handle sich um einen schlechten Scherz. Eine halbe Stunde später häuften sich die Rest-in-Peace-Bekundungen in den einschlägigen Foren. Das zwang mich in die Knie. Ich brauchte eine weitere Stunde um es vor die Tür zu schaffen. Auf der Runde um den Block erwachten Erinnerungen. Bilderfetzen im Wechselstrom entlang meiner vorbehaltlichen Wahrnehmung. Im Sommer 1987 (vielleicht war es auch
Read More Kosmos Serner – Zu einem der Fixsterne der frühen Kriminalliteratur im vernünftigen Sinne gehört Walter Serner. Auch ohne Anlass (obwohl man zu seinem Geburtstag am 15. Januar 1889 einen solchen konstruieren könnte) ist es immer sinnvoll, auf Serner und die kriminalliterarische Tradition von Eleganz und Witz hinzuweisen. Ein kleines Porträt von Roland Oßwald. „Dichtung ist und bleibt ein, wenn auch höherer Schwindel“, schreibt Walter Serner 1927 an seinen Verleger Paul Steegemann. Die Worte vom hohen Schwindel könnten an den Verleger gerichtet auf die geringen und launenhaften Honorare abzielen, die der
Read More Sláinte – Was eine Hard-boiled-Privatdetektivgeschichte ausmacht, ist der Held. Blickt man auf die bekanntesten Gründungsväter dieses Genres (Chandler und Hammett) zurück, wird das Prinzip schnell deutlich. Die Größe ihrer Werke und Helden besteht unter anderem darin, eine Einheit von Heldentum und Misere aufrechtzuerhalten. Sam Spade und Philip Marlowe sind pessimistisch, häufig frustriert und erleben auf dem Weg der Lösung eines Falls persönliche Fiaskos. Eine Präskription des Handwerks könnte lauten: Den meisten Erfolgen wohnt ein Scheitern inne. Roland Oßwald über Ken Bruens „Jack Taylor auf dem Kreuzweg“. Ken Bruen setzt diese
Read More Posted On Oktober 26, 2011By Roland OsswaldIn Bücher, Litmag
Ein verficktes englisches Märchen – Brian Clough gilt als einer der erfolgreichsten und charismatischsten Trainer des englischen Fußballs, zahlreiche Triumphe mit Derby County und Nottingham Forest pflastern seine Karriere. Nur bei Leeds United lief alles dramatisch schief: nach nur 44 Tagen hat er sich mit der Mannschaft und dem Clubvorstand überworfen und wird nach einer Niederlagenserie entlassen. Der englische Autor David Peace hat diese Episode in ein mitreißendes Romanporträt verwandelt. Roland Oßwald stellt Trainer und Buch vor. Brian Howard Clough hat als Spieler 251 Tore in 274 Ligaspielen erzielt. 1962
Read More Zu den Säulenheiligen der Kriminalliteratur gehört Jim Thompson. Obwohl er im deutschprachigen Raum nie wirklich bekannt und populär war. Wichtig allerdings war und ist er schon. Ein kleines Porträt von Roland Oßwald anlässlich der deutschen Erstausgabe von „Jetzt und auf Erden“: Now And On Earth „There are thirty-two ways to write a story, and I’ve used every one, but there is only one plot – things are not as they seem.“ „Jetzt und auf Erden“ ist Jim Thompsons erster Roman. Der Sage nach reiste Thompson dafür nach New York und
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