Geschrieben am 11. Mai 2013 von für Crimemag, Film/Fernsehen

Spotlight: Tatort „Feuerteufel“

Leider etwas verspätet, aber dennoch sinnvoll – Nadja Isreal mit ein paar Bemerkungen zu „Qualitätsstandards“.

Tatort_FeuerteufelBiedermann und die Brandstifter in Hamburg

– In Hamburg Blankenese brennen, sozialpolitisch brisant, die Autos. Alltag in der Hansestadt, aber diesmal stirbt ein Mensch. Eine Frau, die offensichtlich in ihrem Wagen eingeschlafen war, kann sich nicht rechtzeitig aus dem brennenden Auto retten. War die Tat ein Unfall oder Mord, politisch oder privat motiviert? Kommissar Thorsten Falke untersucht den Fall und muss wider Willen mit der jungen betont attraktiven, betont blonden Katharina Lorenz zusammenarbeiten. Je mehr Zeit es braucht, den Fall zu lösen, desto mehr gerät die Stimmung in Hamburg außer Kontrolle.

Rückblick

Mehmet Kurtulus war über drei Jahre lang so etwas wie das Prestigeprojekt des Norddeutschen Rundfunks. Viel Aufhebens wurde damals um den „längst überfälligen“ türkisch-stämmigen Tatort-Kommissar gemacht. Geliebt von den Kritikern, verschmäht von den Zuschauern war nach sechs Folgen Tatort Schluss. Großspurig wurde damals behauptet, die Besetzung der Rolle mit seiner Person hätte gesellschaftspolitische Tragweite. Davon wollte Kurtulus allerdings schon damals nichts wissen: „Mir war nicht bewusst, was ich mir da angetan habe.“

Kaum ein anderer Ermittler erhielt so wenig Zuspruch beim Publikum wie Cenk Batu, die Quote im Keller, zu hart, zu ungemütlich, zu ermittlerzentriert oder gar zu türkisch? Man weiß es nicht!

Das konnte und wollte der NDR nicht auf sich sitzen lassen und geht in Zukunft auf Nummer sicher.

Neue Männer braucht das Land

Mit den Publikumslieblingen und Quotengaranten Til Schweiger und Wotan Wilke Möhring will man es richten. Nachdem Til Schweiger alias Nick Tschiller alias Til Schweiger, in jederlei Hinsicht krachend und lärmend vorangegangen ist, folgt ihm nun wenige Wochen später Möhring als Kriminalhauptkommissar Thorsten Falke auf leiseren Sohlen.

Der Deutschen liebstes Kind brennt

Die Story um soziale Brennpunkte und sich gegenseitig immer fremder werdender Milieus in Hamburg wird in diesem Tatort verknüpft mit der Frage nach gesellschaftlicher und persönlicher Verantwortung. Vielleicht ein wenig übertrieben, aber durchaus ironisch und unterhaltsam bekommt das von der Tagespresse viel beachtete Phänomen Wutbürger sein Fett weg. „Den Menschen eine Stimme geben“, wollen sie, die engagierten Menschen aus Hamburgs Mittelschicht. Aus Angst um ihre Luxuskarossen bilden sie Bürgerwehren, doch ihr Ehrgeiz kostet schlussendlich ein Menschenleben. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt und das Problem einer sozial auseinanderdriftenden Gesellschaft werden inszeniert, Klischees und Vorurteile bedient und durchbrochen, und das überraschende Ende verweigert allzu simple Antworten.

Deutschland deine Väter

Falke ist „… nicht unbedingt jemand, der stundenlang über die richtige Rollenverteilung zwischen Mann und Frau reflektiert. Er nimmt sein Mann-Sein an“,  heißt es bei den Verantwortlichen für den neuen Charakter beim Hamburg-Tatort. Wer möchte, darf sich diesen Sonntagabend am „Lagerfeuer der Nation“ wärmen, den realpolitischen Kampf der Geschlechter und das Ringen um eine Frauenquote getrost vergessen und schauen was es heißt, wenn sich öffentlich rechtlich mit dem Thema beschäftigt wird.

Sympathy for the Devil

Ein Glück bleibt uns der Tatort die Antwort schuldig, was genau dieses „Mann-Sein“ ausmacht.

Die Zuschauer bekommen einen ständig Milch oder Bier trinkenden Fast-Held. Thorsten Falke kreist einsam nachts in seinem Auto zu den Klängen der Rolling Stones durch die Straßen, muss seinen Sohn googeln und bringt es im Privatleben gerade noch fertig, Verantwortung für eine Katze zu übernehmen. Er ist ein Polizist vom Typ sympathischer Straßenbulle, hat sich raus gearbeitet aus Hamburg-Billstedt, sitzt im Muskelshirt in seiner Vintagewohnung und nutzt auch mit Mitte vierzig noch häufig und ironiefrei das Wort „Digger“.

Jedenfalls bricht für Falke die Welt zusammen, als ihm sein bester Freund und Kollege Katz (Sebastian Schipper) eröffnet, dass er aus familiären Gründen in den Innendienst wechseln wird.

Selbstredend hat in diesem Szenario die Neue, Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller), keine Chance auf einen guten Start.

Wotan Wilke Möhring durfte seinen Thorsten Falke mitentwickeln, und auch die verantwortliche Redakteurin in diesem Tatort, Daniela Mussgiller, hat schon beim Polizeiruf-Team aus Rostock bewiesen, dass sie ein Händchen dafür hat, Geschlechterkampf schonungslos und witzig zu inszenieren. Der gemeinsame Zusammenarbeit mit Drehbuchautor Markus Busch ist gelungen.

„Ich kann dich doch nicht ewig durchfüttern, du bist doch hier der Mann“ (Lo Rivera) 

Wer sich also sattgesehen hat an gutgemeinten immer durchsetzungsfähigen Kommissarinnen im deutschen TV, bekommt Abwechslung und hat es nun mit den Mythos „neue Väter“ zutun. Im Hamburger Tatort tanzen sie wahlweise archaisch ums Feuer, erbringen mutige Liebesbeweise, sind überfordert mit den Ansprüchen, die an sie gestellt werden, oder ersticken an Verantwortungsgefühl und emotionalen Abhängigkeiten. Was Deutschland bewegt wird zum Fall. Es reihen sich Konflikte, chauvinistische Perlen, alte Rollenmuster und politische Unkorrektheiten aneinander, dass es Freude bringt. Abgesehen von ein paar aufdringlichen Kameraeinstellungen auf die Hinterseite von Katharina Lorenz gelingt der heikle Balanceakt zwischen Tragik, Komik und Spannung.

Alles in allem ein gelungenes TV-Debüt von Regisseur Özgür Yildirim. Bleibt zu hoffen, dass sich weder Medien noch Macher beim NDR im nervigen Möhring/Schweiger Wettkampf verlieren und diese merkwürdigen Hetzjagd nach Quote beim Tatort irgendwann mal ein Ende findet. Man könnte ja dem Credo des ZDF Verwaltungsrats Dieter Grimm folgen: „Der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk legitimiert sich (…) über den Qualitätsstandard.“

Nadja Isreal

Tatort: Feuerteufel. Sendetermin: Sonntag, 28. April 2013, 20.15 Uhr. Das Erste. Buch: Markus Busch. Regie: Özgür Yildirim. D: Wotan Wilke Möhring, Petra Schmidt-Schaller, Sebastian Schipper, Achim Buch u. a. Filmplakat: Filmstarts.de.

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