Geschrieben am 14. April 2018 von für CrimeMag April 2018, Film/Fernsehen

Christopher Werth über Ready Player One von Steven Spielberg

Das Beste aus den 80ern als das Beste von morgen.

Steven Spielberg hat selbst einen Teil der Bildwelt der 80er Jahre erschaffen. Jetzt hat er eine dystopische Hommage an das Jahrzehnt verfilmt, in dem das Digitale anfing, die Popkultur zu erobern. Von Christopher Werth.

Back to the Future: gespickt mit Anspielungen und Zitaten.

Back to the Future: gespickt mit Anspielungen und Zitaten.

Gaming als Leitkultur.

Ernest Cline hat in seinem gleichnamigen Debütroman eine kaputte Welt erschaffen: Die Umwelt ist am Boden. Es gibt kaum Jobs. Die Menschen vegetieren zerstritten und Fast Food fressend vor sich hin. Das einzige, was sie noch motiviert, ist OASIS. Eine virtuelle 3D Welt voller Themen-Planeten, in der jeder mit Hilfe von 3D Brillen und weiterem Equipment in seinen Avatar steigen kann, um alles zu sein, was er will, um die trostlose Realität hinter sich zu lassen. Star Wars, Star Trek, Alien, Back to the Future, Marvel, DC, World of Warcraft, Dungeons and Dragons, King Kong, T-Rex, Monty Python, Barbie und Ken – jedes erdenkliche Entertainment- und Gaming-Franchise hat hier seine Planeten. OASIS ist ein bisschen wie die Matrix in Matrix, nur dass alle freiwillig rein wollen.

 

Der Nerd als Messias.

Als der visionäre Programmierer und Schöpfer dieser Welt, der Spieledesigner James D. Halliday, stirbt, hinterlässt er dem Rest der Menschheit sein Vermächtnis als dreiteiliges Rätsel in der OASIS. Wer sein Easter Egg findet, erbt sein Vermögen und erhält die Macht über das gesamte System. Und weil Halliday in den 80ern aufgewachsen war und sie über alles liebte, bestehen seine Rätsel aus Referenzen zu Arcade Videospielen, Filmen, Rollenspielen, Comics und natürlich der Musik dieses Jahrzehnts. Und jeder versucht, die Rätsel zu lösen. Manche machen nichts anderes mehr. Diese hardcore Egg-Hunter nennen sich Gunter. Und so wird der grelle popkulturelle Kanon der 80er nach und nach zur Leitkultur. Pac Man & Co werden im Grunde zu den alten Griechen des Jahres 2045. Und diese Mischung aus Endzeit und Nostalgie ist ein witziger Grundeinfall, der auch bei der Filmadaption Spaß macht und trägt. Das geht so los: Düster wabernde Tiefbässe, graue, diffuse Bilder, drückende Endzeitstimmung. Aber dann: hören wir das albern-fröhliche Keyboard-Intro von Van Halens Jump.

 

Der Antiheld: Wade Watts.

Bei fröhlichem Pop-Hardrock lernen wir Wade Watts, den Helden der Story kennen und sehen, wie er aus seinem Trailer klettert. Allerdings in einem Trailerpark, in dem die Wohnwagen mit Hilfe von baufälligen Gerüsten hoch in den Himmel gestapelt sind: Stacks. Und wie bei der Unendlichen Geschichte von Michael Ende wird dieser kleine dicke Loser mit Brille dank eines Paralleluniversums zum Helden werden. Denn er und sein Freund Aech, den er nur in der digitalen Welt kennt, haben sich von Hallidays 80er Virus anstecken lassen und arbeiten sich mit geballter Nerd-Power zur Lösung des ersten Rätsels. Wenn sie ihre VR-Brillen aufsetzen und in ihre Ganzkörperanzüge schlüpfen, vergessen sie ihren Alltag in den Slums von Columbus, Ohio. Ihre Universität ist das Leben von James Halliday. In einem interaktiven Museum studieren sie seine virtuellen, filmisch dargestellten Tagebücher und können alle Comics, Spiele und Filme entdecken, die er selbst in den 80ern für gut befunden hat. 

Ein Highlight des Films: Die Kids betreten zur Lösung eines der Rätsel ein Kino. Doch statt vor einer Leinwand sind sie plötzlich in einem Film drin. In diesem Fall in der Stephen King Verfilmung von Shining. Und Shining wird zum rasanten Videospiel. Sie finden die Schreibmaschine, die endlosen Gänge und eine verrückte Party. Eine großartige Hommage von Spielberg an seinen Kollegen Stanley Kubrik. Und Aech, der den Film nie gesehen hat, weil er Angst vor Horrorfilmen hat, betritt natürlich vollkommen ahnungslos das Zimmer 267. Zombie-Frauen, Blutfontänen und eine brutale Axt-Jagd durch das Labyrinth im Schnee folgen.

 

Die Gegenspieler: Das Böse ist ein Konzern.

IOI ist ein Mischkonzern, der fast alle Internetzugänge bereitstellt und das Equipment herstellt, das man braucht, um in die OASIS zu kommen. Sie haben großes Interesse, das Spiel zu gewinnen, um OASIS zu übernehmen, und um das bisher in der Basisversion kostenlose OASIS durch eine Paywall vollständig zu monetarisieren. Was ihnen allerdings fehlt, ist Kreativität. Also kidnappt der Chef Nolan Sorrento ganze Schulklassen von Nerds und 80er-Jahre-Experten und Turnhallen voller Gamer, um sie für sich systematisch nach dem Easter Egg suchen zu lassen. Und weil Wade und Aech die ersten sind, die viele Jahre nach Hallidays Tod das erste Rätsel lösen, eröffnet IOI konsequent und mit aller Konzern-Brutalität die Jagd auf die beiden und ihre Freunde. Und natürlich findet IOI auch ihre wahre Identität in der realen Welt heraus, was die Jagd noch spannender macht.

 

Der Blick nach hinten als Bilck nach vorn.

Die Welten von OASIS filmisch lebendig werden zu lassen ist natürlich ein Traum für Sound-, Art- und Special Effects-Abteilungen. Die kaputte Realität und die immer als solche kenntliche digitale Gegenwelt erzeugen spannende Kontraste. Und bei den ganzen 80er Referenzen, der visuellen Komplexität und der Eingängigkeit der Story dieser virtuellen Schatzsuche sind wir bei Spielberg und seinem Team in besten Händen. Spirit und Grundidee des Romans werden natürlich beibehalten. Actionszenen werden auf das andere Medium übersetzt, von mindestens zwölf Handlungssträngen fokussierten sich Spielberg und Cline, der auch am Drehbuch gearbeitet hat, auf eine. 

Zwei Blickrichtungen machen den Film interessant: Der Film blickt nach vorn in eine Zukunft, in der wir immer abhängiger von unseren digitalen Helfern werden und vergessen, dass es nur in der Realität richtig gutes Steak gibt und dass politisches Engagement im Kleinen durchaus etwas bewirken kann. Er blickt zurück, und weckt mit seinen unzähligen Anspielungen und Referenzen emotionale Erinnerungen. So versöhnt Ready Player One uns mit einem von nicht grade wenigen als peinlich empfundenen Jahrzehnt und deutet es ikonisch um als die Zeit des digitalen Urknalls der Leitkultur unserer Zukunft, dem Gaming. 

Für alle, die noch nicht da waren oder denen es wie Falco geht („Wer sich an die 80er erinnern kann, hat sie nicht miterlebt.“), hat die New York Times die wichtigsten 80er-Referenzen des Films hier zusammengefasst. 

 

USA 2018
Regie: Steven Spielberg 
Drehbuch: Zak Penn, Ernest Cline 
Kamera: Janusz Kaminski 
Musik: Alan Silvestri
Schnitt: Sarah Broshar, Michael Kahn
Production Design by: Adam Stockhausen
Tye Sheridan: Wade Owen Watts / Parzival
Olivia Cooke: Samantha Evelyn Cook / Art3mis
Ben Mendelsohn: Nolan Sorrento
Mark Rylance: James Donovan Halliday
Simon Pegg: Ogden Morrow / Og
Win Morisaki: Daito
Philip Zhao: Shoto

 

 

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