Geschrieben am 8. Dezember 2018 von für Litmag, News, Specials, Verlust-Special 2018, Verlust-Special DUE

Bodo V. Hechelhammer: Wenn Spione sterben

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Die Beerdigung im Bond-Film „Thunderball“, 1965 (Foto: Wiki Commons)

Man lebt nur zweimal

Von Bodo V. Hechelhammer

Der Film beginnt mit einer Beerdigung. Eine kleine Trauergemeinde nimmt still in einer Kirche Abschied. Auf einem aufgebahrten und mit einem Tuch verhüllten Sarg erkennt man die Initialen »J.B.« und führen den Zuschauer damit bewusst zunächst in eine falsche Richtung, wer denn hier verstorben sein soll. Denn der Geheimagent, auf den die Initialen passen würden, befindet sich unter den Trauernden und beobachtete von einer Galerie diese Szene. So beginnt »Thunderball«, der unter der Regie von Terence Young (1915 – 1994) gedrehte James Bond-Film von 1965. Auch in der folgenden 007-Verfilmung zwei Jahre später, in Lewis Gilberts (1920 – 2018) »You only live twice«, sieht man zu Beginn, wie James Bond nach einem gewaltsamen – am Ende nur vorgetäuschten – Tod in einer förmlichen Seebestattung beigesetzt wird. Aber 007 lebt noch immer. Auch wenn anlässlich der neuen Jubiläums-Verfilmung inzwischen laut darüber spekuliert wird, ob er diesmal tatsächlich seinen finalen Filmtod stirbt. Auseinandersetzungen darüber haben angeblich zum Ausscheiden von Danny Boyle als Bond-Regisseur gesorgt. Aber wie würde man James Bond denn eigentlich beerdigen?

Dem Leben doppelt zu gedenken, dem echten und der Legende

Ohne Frage müssen im echten Leben auch Geheimagenten bzw. Mitarbeiter von Geheimdiensten einmal sterben. Wenn aber schon deren Leben in der Regel geheim gewesen war, wie sehen dann eigentlich deren Abschiede, deren Beerdigungen aus? Passend zum Thema, still und leise? Und vor allem, ohne Bekenntnis zu ihrem geheimen Leben? Oder gerade zum Abschied bekennend, offiziell und öffentlich? Die oben angerissenen James Bond-Filmsequenzen greifen diese Fragestellung natürlich nur unbewusst auf, denn gerade Bestattungen bieten die Möglichkeit für einen letzten geheimdienstlichen Akt. Sie bieten die letzte Gelegenheit zu einer politischen Inszenierung, zu einer nachrichtendienstlichen Ablenkung oder einer finalen propagandistischen Botschaft. Der Tod als Möglichkeit, dem Leben doppelt zu gedenken: dem echten Leben und der geheimdienstlichen Legende, die es zu bewahren gilt. Um diese Frage zu kurz beantworten zu können, muss man die Überlieferungen zu Beerdigungen verstorbener Geheimdienstmitarbeiter und deren letzte Ruhestätten ausgraben.  

Philby_Grab_1Kim Philby: 4 Reden, 200 Trauergäste, rote und weiße Nelken

Doch hier fangen bereits die Probleme an. Der Kreis der ehemaligen Geheimen, deren Beerdigungsinszenierung überhaupt öffentlich bekannt wurde, ist stark reduziert. Bekannt sind vor allem ehemalige Doppelagenten und Geheimdienstchefs – ein Spannungsbogen, der kaum größer sein könnte. Einer aus diesem Kreis der verstorbenen »Maulwürfe« ist Kim Philby (1912 – 1988), der berühmte britische Doppelagent, der ein Leben wie in einem Krimi führte. Er verstarb 1988 in Moskau. Der Brite und Geheimdienstmitarbeiter Philby hatte für den sowjetischen Geheimdienst (KGB) jahrelang den britischen Geheimdienst ausspioniert und war 1963 in die Sowjetunion geflohen. Nach seinem Tod wurde er bei strahlendem Sonnenschein auf dem Militärfriedhof Kuntsevo am 13. Mai 1988 mit vollen militärischen Ehren beigesetzt, einschließlich einer Militärkapelle und Salutschüssen, abgefeuert von einer Ehrengarde des KGB. Vor dem offenen Grab – sein Sarg war dabei mit roten Stoff umhüllt und mit roten und weißen Nelken verziert – wurden in Anwesenheit der Familie Philbys und über 200 Trauergästen vier offizielle Reden über sein Leben und seine Spionageleistungen gehalten, die ihn als großen sowjetischen Geheimagenten ehrten. Ein Grabstein mit Portrait, Namen und Lebensdaten schmückt seine letzte Ruhestätte.

Heinz FelfeHeinz Felfe: anonym bestattet

Ganz anders fand der bekannte deutsche Spion Heinz Felfe (1918 – 2008) seine letzte Ruhe. Der langjährige Mitarbeiter des westdeutschen Auslandsnachrichtendienstes, des Bundesnachrichtendienstes (BND), hatte in Wahrheit zehn Jahre lang für den KGB gearbeitet. 1961 war Felfe verhaftet worden, 1963 verurteilt und 1969 schließlich in die DDR ausgetauscht worden. Seit dieser Zeit lebte und wirkte er in Ostberlin. Dort verstarb er am 8. Mai 2008. Seine Beerdigung fand am 19. Juni in Weißensee, allerdings ganz anders als bei Philby, im kleineren Kreis, in aller Stille und jenseits der Öffentlichkeit statt. Doch wurde auch sein Abschied dafür ebenso genutzt, um, neben den Familienangehörigen, gerade auch durch die Anwesenheit von ehemaligen KGB-Vertretern und Stasi-Angehörigen seinem Wirken als Spion zu gedenken. Kein Grabstein ziert seine anonyme Ruhestätte.

Gehlen_BeerdigungReinhard Gehlen: stilisierter Held

Die langjährigen Geheimdienstchefs des BND und der ostdeutschen Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), Reinhard Gehlen (1902 – 1979) und Markus Wolf (1923 – 2006), galten zu ihren Lebzeiten über viele Jahre jeder für sich als »Mann ohne Gesicht«. Es existierten lange Zeit einfach gar keinerlei Fotoaufnahmen. Öffentlichkeit musste vermieden werden. Ihre Beerdigungen erfuhren dagegen gänzlich andere Inszenierungen.

Reinhard Gehlen verstarb am 8. Juni 1979 im bayrischen Berg. Am 15. Juni fand auf dem Münchner Waldfriedhof vor über 200 Gästen eine offizielle Trauerveranstaltung statt. Am mit Blumen und Kränzen geschmückten Grab, auf dem ein Bundeswehr-Stahlhelm auf einer Bundesflagge mahnend lag, stand eine Ehrenformation von Bundeswehr-Soldaten. Eingerahmt von einem kirchlichen Zeremoniell wurden offizielle Ansprachen seitens Regierungsvertretern und des BND gehalten. Als »Ritter ohne Furcht und Tadel, dessen Leben dem Dienst geweiht war«, wurde sein Leben stilisiert. Alte Geheimdienstlegenden wurden aufgewärmt. Ein Bläserquartett spielte zudem das alte Soldatenlied »Ich hatt‘ einen Kameraden«. Die eigentliche Beisetzung erfolgte am folgenden Tag im kleinen Kreis auf dem Friedhof in Aufkirchen.

1280px-Emblem_StasiMarkus Wolf: große Feier

Markus »Mischa« Wolf war am 9. November 2006 in Ostberlin gestorben. Obwohl sowohl die DDR als auch die HVA schon Jahre zuvor untergegangen waren, erlebte die Hauptstadt eine Inszenierung der besonderen Art. Ein politisches Statement offiziell aufgelöster Geheimdienstlichkeit. Über 1 500 Trauergäste nahmen an der Veranstaltung auf dem Friedrichsfelder Zentralfriedhof teil, hunderte der alten Kader, darunter ostdeutsche ehemaliger Politiker wie Hans Modrow, Werner Großmann von der früheren Staatssicherheit oder der russische Botschafter Wladimir Kotenev. Dieser sprach die Trauerworte. Die Friedhofshalle war überfüllt. Im Freien verfolgten dicht gedrängt viele die Trauerfeier über Lautsprecher. Wolf wurde als Mensch gefeiert, der immer seinen Idealen treu geblieben sei. Ein Trompeter blies das »Lied vom kleinen Trompeter«. Über die Schandtaten der Stasi wurde kein Wort verloren. Eine pompöse Beerdigung als Versuch der nostalgischen Verklärung einer untergegangenen Republik.

Eine Inszenierung des Geheimen – über den Tod hinaus

Auch bei Agenten und Geheimdienstmitarbeitern kann eine Beerdigung zugleich die Chance einer politischen Inszenierung bieten. Selbst wenn die geheimdienstliche Tätigkeit der Person öffentlich unbekannt geblieben ist und konsequenterweise dieses Wissen mit zu Grabe getragen wird. Die nicht öffentliche Erinnerung als Idealzustand einer Inszenierung des Geheimen. Über den Tod hinaus. Ist zu Lebzeiten die geheime Tätigkeit bekannt gewesen, wie im Fall der enttarnten Doppelagenten oder der Geheimdienstchefs, dann wird die Beerdigungszeremonie meist als eine Art politische Veranstaltung inszeniert, sei es im kleinen oder großen Kreis. Dann dient das Ritual neben der eigentlichen Trauerbewältigung und dem Abschiednehmen von der Person auch als Bekenntnis zum jeweiligen Geheimdienst, dem der Verstorbene gedient hat. Selbst noch, wenn der Geheimdienst oder das entsprechende politische System nicht mehr existieren sollten. Deren Ideale können weiterleben, auch über den Tod hinaus. Daran soll erinnert werden.

Bodo V. Hechelhammer ist Chefhistoriker des BND – mit einem kundigen Faible für die populärkulturellen Spiegelungen der Agenten- und Geheimdienstwelt. Seine Texte bei CrimeMag hier.

„Geheimdienst ist besonders spannend unter kulturhistorischer Sicht“, ein Interview von Alf Mayer mit dem Autor über das Buch Doppelagent Heinz Felfe entdeckt Amerika. Der BND, die CIA und eine geheime Reise im Jahr 1956 hier

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