Geschrieben am 29. Mai 2013 von für Litmag, Lyrik

LitMag-Weltlyrik: Natan Zach

Nathan_Zach,_photographer_moti_kikayonIn deinem Zimmer

Und vielleicht nur das: gelassen sein

auf dem Boden oder Bett in deinem Zimmer, nicht traurig, auch nicht froh, ein Lied summend mit leiserer Stimme,

schauend, wie du gehst und kommst, dich kämmst und lachst und weinst, was kochst und kostest und dann meinst, du wärest nicht mehr hungrig.

Aus dem Hebräischen übersetzt von Ehud Alexander Avner.

 

Obwohl 1930 in Berlin geboren und mit seinem literarischen Werk eng der jüngeren deutschen Literaturgeschichte verbunden, gibt es von dem heute in Israel lebenden Lyriker und Übersetzer Natan Zach bislang noch keine Veröffentlichung in deutscher Sprache. Jetzt ist im „Jüdischen Verlag“ bei Suhrkamp endlich ein Band erschienen, in dem wenigstens eine kleine Auswahl an Gedichten aus mehr als einem halben Jahrhundert veröffentlicht sind.

Aus dem Jahr 1966 stammt ein kurzes Gedicht, in dem der Autor versucht, sich selbst zu porträtieren. „Ich bin ein sehr bitterer Romantiker./ Bin ich bei mir, bin ich ein sehr warmer Romantiker./ Bin ich mit anderen, bin ich ein sehr kalter Romantiker.“ Ähnlich ist der Ton und der Rhythmus fast aller der hier publizierten Gedichte. Manche Gedichte sind in längerer, erzählender, elegischer  Form geschrieben. Andere wiederum kurz und lakonisch.

Der große, lange nachhallende, pathetische oder „dunkle Ton“ fehlt völlig. Manche Gedichte scheinen so en passant beim Gang durch die Geschichte geschrieben zu sein. Und auch wenn von blutigen und dramatischen Ereignissen berichtet wird, bleibt immer ein kalter „Wille zur Präzision“ – der sich dann als besonders mitfühlend erweist. „Sechsunddreißig verbrannte Frauen hab ich gezählt,/ sagte einer. Sein Kollege aber sagte: weit gefehlt, nur elf warens.“

Auch das Thema der Shoah scheint auf, aber es ist nicht der Grundton dieser Lyrik. „Gegen Abschied“ nennt der Autor ein Gedicht, in dem  Auschwitz und Buchenwald genannt werden. Nach den vielen Toten in den Konzentrationslagern ist der in dem Gedicht erwähnte Schneider „entschieden“ gegen jeden Abschied. „Und ich habe noch nicht alles gesagt“, so lautet die Schlusszeile eines Gedichts. Wer die Lyrik dieses Autors jetzt zum ersten Mal in deutscher Sprache liest, kann nur hoffen, dass noch nicht alles gesagt ist.

Carl Wilhelm Macke

Das Gedicht ist erschienen in: Natan Zach: Verlorener Kontinent. Gedichte. Aus dem Hebräischen übersetzt von Ehud Alexander Avner. Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag 2013. 87 Seiten. 19,95 Euro. Foto: Moti Kikayon, Wikimedia Commons, Magnus Manske, Quelle.

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